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Ausgabe:

Juni/2003

Spalte:

591–593

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eberhart, Christian

Titel/Untertitel:

Studien zur Bedeutung der Opfer im Alten Testament. Die Signifikanz von Blut- und Verbrennungsriten im kultischen Rahmen.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 2002. XVIII, 462 S. m. 1 Abb. 8 = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, 94. Geb. ¬ 79,00. ISBN 3-7887-1887-0.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Die Heidelberger, bei Rolf Rendtorff gearbeitete Dissertation kann in der Sorgfalt, mit der sie das in der Überschrift bezeichnete Problem behandelt hat, und ihrer klaren Gliederung als vorbildlich bezeichnet werden. Bereits Rendtorff selbst hatte sich schon früh (Studien zur Geschichte des Opfers im alten Israel, 1967) mit dem in der protestantischen Forschung lange vernachlässigten Thema beschäftigt, das neuerdings vermehrte Aufmerksamkeit erlangt hat. E., der seine Arbeit als die Fortsetzung seines Lehrers versteht (15), untersucht, ausgehend von den Ritualen in Lev 1-7, die dort behandelten Opferarten ( 2, 16-186: Brandopfer, Speisopfer, Gemeinschafts-Schlachtopfer, Sündopfer, Schuldopfer) in den verschiedenen Akten ihres Vollzugs. In der Zusammenfassung der dabei erzielten Ergebnisse ( 2.6, 177-186) ist vor allem die Gemeinsamkeit in Vollzug und Begrifflichkeit zwischen den verschiedenen Opferarten wichtig (177-184, Tabelle 178): Nicht nur eine weitgehende Übereinstimmung in der Abfolge der Schritte ist festzustellen (2.6.2 Handaufstemmung, Schächtung, Blutapplikation [-ausgießung], kultische Verbrennung), sondern auch in der Bezeichnung (2.6.3; 2.6.4.2) als hwhl hjnm brq, jjyn jyr. Damit deutet sich schon die spätere Gesamtdeutung der Opfer an: Sie sind als Gabe für JHWH bestimmt.

3 (187-221) bietet eine überwiegend kritische Übersicht über traditionelle Opfertheorien. Dabei wird gezeigt (vgl. die Zusammenfassung 220-221), dass die Schlachtung des Opfertieres nur eine untergeordnete Rolle spielt (208-210). Die Auffassung des Opfers als Gabe wird einseitig, wenn sie den Blutritus übergeht. Neben der Deutung als Mahlgemeinschaft (Bundespartnerschaft) werden vor allem der Stellvertretungsgedanke (Lev 16 ist kein Opfergeschehen, sondern "Eliminationsritus", vgl. 15.280-285) und die Sühnetheorie, daneben auch die Theorie der Agressionsbewältigung abgelehnt.

Der eigene Neuansatz ( 4, 222-331) konzentriert sich, wie schon der Untertitel andeutet, auf die Blutriten und die kultische Verbrennung. 4.1: Die Ausgießung des Blutes an den Brandopferaltar "dient der Rückführung des Tierblutes, in dem sich das Leben des Tieres befindet" (229). Das Besprengen und Bestreichen mit Opferblut dient wegen der Heiligkeit des Blutes bei der tafj der gegenständlichen Reinigung des Kultinventars vor anderen Opfern (vgl. 266) - während persönliche Schuld durch Verbrennung des Opfers gesühnt wird. Bei Personen bewirkt Blutapplikation die Weihe von Priestern oder Reinigung von Aussatz (vgl. 486). 4. 2 behandelt die kultische Verbrennung, nach E. ein "in der Forschung vernachlässigter Ritualschritt" (289). Hier ist der Terminus aVai "Feuergabe" (zur Übersetzung vgl. 41-48), häufig in Verbindung mit der Formel hwyhl jjyn jyr, besonders wichtig. Zusammen mit einigen Äquivalenten wie trfq und hl[ bezeichnet oaVai "als Konstitutivum (oder: Schlüssel) der alttestamentlichen Opfer" (318 f.), die kultische Verbrennung, durch die ein kultisches Opfer zur Gabe für JHWH wird.

In 5 "Grundzüge einer Theorie der alttestamentlichen Opfer" (332-381) wird das alttestamentliche Opfer als Huldigungsgabe für Gott (5.1.3.2), die auf sein Wohlgefallen zielt (5.1.3.3-4), sowie als Nahrung für Gott (5.1.3.5) charakterisiert. Ein weiterer Abschnitt (5.2) behandelt die Symbolik der Verbrennung: Rauch (Wohlgeruch) und Feuer.

In 6 (382-398) geht es nach dem späteren jüdischen Kult vor allem um die Übernahme der kultischen Verbrennung als Metapher im Neuen Testament (391-398). Neben der Übertragung von Kultmetaphern auf Gemeinde und Gemeindeleben interessiert dabei vor allem der christologische Aspekt, der nach der Ablehnung des traditionellen Gedankens der stellvertretenden Sühne durch den Opfertod (s. o.) teilweise entwurzelt zu sein scheint. An dessen Stelle tritt eine neue Deutung von Eph 5, 2 (6.6.3, 394-397): Danach ist es die Hingabe Jesu als Opfer zum Wohlgeruch in seiner gesamten Existenz, die entsprechend der Grundthese des Buches das tertium comparationis bildet. - Das Buch endet mit einem ausführlichen - leider zu flüchtig gearbeiteten - Literaturverzeichnis und Indices.

Die Arbeit kann für ihr Thema als Handbuch gelten und eignet sich auch als Hilfe zur Exegese der behandelten Abschnitte. Sicherlich wird die Diskussion über den Sinn des alttestamentlichen Opfers weitergehen, doch ist hier ein wichtiger Beitrag dazu geleistet.