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Ausgabe:

Mai/2003

Spalte:

545 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hösle, Vittorio [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Metaphysik. Herausforderungen und Möglichkeiten.

Verlag:

Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann 2002. VII, 222 S. 8 = Collegium Philosophicum, 4. Kart. ¬ 46,00. ISBN 3-7728-2205-3.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

Der Band dokumentiert ein Symposium des Collegium Philosophicum des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover, das im Juni 2000 in Hildesheim stattfand. Metaphysik kann heute nicht mehr Thema werden, ohne sich mit Metaphysikkritik und nachmetaphysischem Denken auseinanderzusetzen. Das tun auf ihre Weise alle Beiträge des Bandes, viele auf klassischen Bahnen und im Anschluss an vertraute Positionen. Rolf Schönberger geht den Problemen im Blick auf die Grenze des Verstehens nach (Das Verstehen und seine Grenze. Über die Bedingung der Möglichkeit der Metaphysikkritik: 31-57); Vittorio Hösle in Auseinandersetzung mit Schopenhauer (Zum Verhältnis von Metaphysik des Lebendigen und allgemeiner Metaphysik. Betrachtungen in kritischem Anschluss an Schopenhauer: 59-97); Thomas Buchheim, indem er zu klären sucht, was metaphysisches Fragen auszeichnet (Was sind metaphysische Fragen? 99-115); Peter Koslowski (Metaphysik und Philosophie der Offenbarung: 133-162) so, dass er nach dem Verhältnis von Religion und Erster Philosophie im Anschluss an Bader und Schelling fragt und für einen "metaphysischen Empirismus" im "Diskurs der Weltreligionen" plädiert (160); Walter Schweidler (Induktion als Lebensform. Zum Zusammenhang zwischen Lebensart und Sein: 163-196), indem er im Anschluss u. a. an Wittgenstein zu zeigen sucht, "dass Überwindung der Metaphysik ... gerade nicht den Anspruch bedeutet, den Topos des Transzendierens seiner selbst aus der Bestimmung des Menschen zu beseitigen", sondern dazu herausfordere, diesen "unter den Bedingungen eines neuzeitlichen Naturbegriffs ... neu und antimetaphysisch zu rekonstruieren" (163).

Die Frankfurter Pole der Debatte repräsentieren zwei Beiträge: Matthias Lutz-Bachmann (Postmetaphysisches Denken? Überlegungen zum Metaphysikbegriff der Metaphysikkritik: 197-213) betont die prekäre Abhängigkeit der Metaphysikkritik bei Habermas und Heidegger von einem problematischen Metaphysikbegriff und plädiert im Anschluss an Aristoteles und Theunissen für ein Verständnis von Metaphysik "nicht als der Ersten Philosophie, sondern als der letzten Philosophie" (212). Dass Aristoteles genau eine Erste Philosophie gemeint habe, betont demgegenüber Karl-Otto Apel (Metaphysik und die transzendentalphilosophischen Paradigmen der Ersten Philosophie: 1- 29) in einem engagierten Plädoyer gegen die "heute vorherrschenden Versionen des lingustic-hermeneutic-pragmatic turn der Philosophie" und für den Ansatz "eines neuen, sinnkritischen und transzendental-semiotischen Paradigmas der Ersten Philosophie", wie er sich bei C. S. Peirce abzeichne (29). Mit dieser fragwürdigen Alternative scheinen sich die meisten Autoren des Bandes zumindest abfinden zu können. Nur Marco M. Olivetti (Metaphysik, Intersubjektivität, Theologie: 117-131) sucht einen konstruktiven Anschluss an die schon lange nicht mehr nur französischsprachigen Debatten, indem er, ohne sich bei doxographischen Diskussionen aufzuhalten, den Problemen nachdenkt, die sich aus "der Verwandlung des ego cogito ins du sollst" für ein metaphysisches Denken ergeben (117).

Allen Beiträgen des Bandes ist deutlich der Wille zur konstruktiven Metaphysik abzuspüren. Jeder versteht darunter freilich etwas anderes. Schon deshalb ist die Lektüre dieses Bandes allen zu empfehlen, die sich über das durchaus begrenzte Spektrum gegenwärtiger Positionen in der deutschsprachigen Metaphysikdiskussion informieren wollen.