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Ausgabe:

Mai/2003

Spalte:

503 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Keel, Othmar, u. Erich Zenger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Gottesstadt und Gottesgarten. Zur Geschichte und Theologie des Jerusalemer Tempels.

Verlag:

Freiburg-Basel-Wien: Herder 2002. 288 S. m. 48 Abb. 8 = Quaestiones disputatae, 191. Kart. ¬ 24,90. ISBN 3-451-02191-9.

Rezensent:

Henning Graf Reventlow

Der Sammelband mit den auf der Jahrestagung katholischer Alttestamentler 2000 gehaltenen Beiträgen über die Theologie des (Jerusalemer) Tempels beschäftigt sich mit einem gewöhnlich als Randthema der "Theologie des Alten Testaments" (vgl. Klappentext) betrachteten Gegenstand. Sie behandeln in diesem Zusammenhang verschiedenste Texte des Alten Testaments.

O. Keel schreibt über "Der salomonische Tempelweihspruch" (9-23) mit der Absicht, etwas über den vorsalomonischen Jerusalemer Kult zu ermitteln. In Verbindung mit Jos 10,12b-13a (der Sonnengott streitet für Israel) ist der alte Tempelweihspruch 1Kön 8,12 f. (G: 3Reg. 8,53) die Textbasis. Nach K. beruht G auf einer älteren hebr. Textvorlage als der spät überarbeitete M. G setzt den Sonnengott als Besitzer des Jerusalemer (Freilicht-) Heiligtums voraus, der Salomo den Auftrag gibt, seinem Beisassen JHWH, der im Dunkeln wohnen will, ein Haus zu bauen.

B. Janowski, "Die heilige Wohnung des Höchsten" (24-68) bestimmt auf Grund von Jes 6,1-6 und Ps 46 das vorexilische Symbolsystem des Jerusalemer Tempels im Rahmen eines "vertikalen" und "horizontalen" Weltbildes. Zentral ist die Vorstellung vom Königtum JHWHs, wobei der Tempel/Gottesberg "Teil der Vorstellung vom Weltganzen (Weltbild)" (58) als einer älteren "impliziten" (nicht ausdrücklich begründeten) Kosmologie ist.

U. Berges, "Gottesgarten und Tempel" (69-98) behandelt die enge Verbindung zwischen Zionstheologie und Schöpfungstheologie in Jes 40-66. Die Vision vom neuen Himmel und neuer Erde kann mit ihrer Vegetationsmetaphorik als Neuinterpretation der Jerusalemer Tempeltheologie durch eine implizite Kosmologie verstanden werden, die auch den Kreis der JHWH-Verehrer auf dem Zion weltweit ausweitet.

C. Frevel, "Zerbrochene Zier" (99-153), deutet Kgl 1-2 und 4-5 als Besinnungen über den Zusammenbruch der Zionstheologie (nicht des Tempelgebäudes) und Lösungsvorschläge für die Bewältigung der Krise.

M. Konkel, "Die zweite Tempelvision Ezechiels (Ez 40-48)" (154-179), versteht den Entwurf nicht als exilische Utopie (was er erst durch Vorschaltung von Ez 3-39 geworden sei), sondern datiert ihn spät als Kritik an der Kultpraxis des zweiten Tempels.

E. Zenger, "Ich liebe den Ort, da deine Herrlichkeit wohnt. (Ps 26,8) Tempeltheologische Semiotisierung des Alltags im Psalter" (180-206), unterscheidet zwischen Psalmen, die ein tempeltheologisch poetisch formuliertes Vertrauen auf JHWH als Schutzmacht auch fern vom Tempel aussprechen (Ps 52. 54-57.59.61-68 u. a.) und solchen, die eine tempeltheologisch begründete ethische Aufwertung des Alltags enthalten (wie Ps 15 und 24, die keine "Tempeleinlaßliturgie" darstellten, Ps 26. 92).

D. Böhler, Das Gottesvolk als Altargemeinschaft (207-230), sieht in Esr-Neh Israel als eine um den Altar versammelte Gemeinschaft verstanden, die von einer kultisch verstandenen Mosetora konstituiert in einer sichtbaren civitas existiert.

S. Schroer schließt den Band mit einem vergleichenden Überblick über griechische Heiligtümer (231-263), einschließlich 48 Abbildungen (264-288).

Im Ganzen also eine Vielfalt von um ein Thema versammelten Texten. Bedauerlich nur, dass die Heiligtumstraditionen der Priesterschrift unerwähnt bleiben, offensichtlich deshalb, weil die literarkritische Festlegung dieser Quelle auf eine Spätzeit und die verbreitete Auffassung von ihrem utopischen Charakter daran hindern. Auf diesem Gebiet ist zur Tempeltheologie noch viel zu tun.