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Ausgabe:

Mai/2003

Spalte:

496–499

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

1) Knoppers, Gary N., and J. Gordon McConville [Eds.] 2) De Pury, Albert, Römer, Thomas, and Jean-Daniel Macchi [Eds.]

Titel/Untertitel:

1) Reconsidering Israel and Judah. Recent Studies on the Deuteronomistic History.

2) Israel Constructs its History. Deuteronomistic Historiography in Recent Research.

Verlag:

1) Winona Lake: Eisenbrauns 2000. XXII, 650 S. gr.8 = Sources for Biblical and Theological Study, 8. Geb. US$ 39,95. ISBN 1-57506-037-X.

2) Sheffield: Sheffield Academic Press 2000. 504 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Supplement Series 306. Geb. £ 60,00. ISBN 1-84127-099-7.

Rezensent:

Winfried Thiel

Obwohl beide Werke das Wort "recent" im Untertitel führen, sind sie doch recht verschieden. "Reconsidering Israel and Judah" ist ein Sammelband von - mit einer Ausnahme - bereits veröffentlichten Arbeiten zum Deuteronomistischen Geschichtswerk (DtrG) bzw. seinen Bestandteilen; "Israel Constructs its History" enthält die Vorträge eines Seminars, die schon in Französisch erschienen sind (Israël construit son histoire, 1996). Der umfangreiche Inhalt der beiden durchweg englischsprachigen Bände kann hier nur sehr knapp gewürdigt werden.

"Reconsidering Israel and Judah" wird durch eine "Introduction" von G. N. Knoppers eröffnet, die in die einzelnen Beiträge einführt und sie in die Forschungsgeschichte einordnet. Außerdem steht jedem Aufsatz ein redaktionelles Abstract voran. Der erste Teil über die Theorie des DtrG versammelt die klassischen Arbeiten von M. Noth (Überlieferungsgeschichtliche Studien, 100-110), O. Plöger, H. W. Wolff, F. M. Cross, R. Smend und - etwas überraschend in diesem altehrwürdigen Kontext - H. Weippert (1991).

In den Beiträgen zu den einzelnen Büchern charakterisiert T. Römer (1992) das dtr Dtn und die Rolle der Väter (der Exodus-Generation) darin. Dass die dtr Darstellung der Nachfolge Josuas höfischen Formen und Gedanken folgt, weist J. R. Porter (1970) nach. Auf den Klassiker "Gilgal" (1951) von H.-J. Kraus folgt R. D. Nelsons Untersuchung "The Role of the Priesthood in the Deuteronomistic History" (1991). "The Deuteronomic Theology of the Book of Joshua" (1971) hat nach G. J. Wenham engere Berührungen mit dem Dtn als mit Ri-Kön. Seine eigenwillige, wenig differenzierende Sicht der dtr Arbeit in Jos-Sam präsentiert J. Van Seters mit einem Ausschnitt aus "In Search of History" (1997, 322-353). S. D. Sperling (1987) widerspricht dem angeblich dtr Charakter von Jos 24 und datiert den Text in die Zeit Jerobeams II.

P. K. McCarter, Jr., bestimmt die sog. Aufstiegsgeschichte (1Sam 16,14-2Sam 5,10*) als eine "Apology of David" (1980) und leitet sie vom Jerusalemer Hof und aus der Zeit Davids her. Die Sam-Bücher sind weiterhin durch einen Ausschnitt aus dem einschlägigen Buch von W. Dietrich und T. Naumann (1995, 47-86) sowie eine narratologische Analyse von 1Sam 24-26 durch R. P. Gordon (1980) repräsentiert. T. Veijola argumentiert (nicht ganz überzeugend) dafür, dass Salomo das Kind aus dem Ehebruch Davids mit Bathseba war (1979). Die in 1Kön 8,46-53 ausgedrückte Zukunftshoffnung bestimmt J. G. McConville (1992) als abhängig von Dtn 29,17-27; 30,1-10 und votiert für eine separate Redaktion der Bücher. G. N. Knoppers (1995) beurteilt 1Kön 8 als substantiell einheitlich und den Intentionen der Josia-Reform verbunden. Die dynastischen Orakel besprechen S. L. McKenzie (The Trouble with Kings, 1991, 61-80.153-164) und N. Lohfink (1990).

Im letzten Teil "New Directions" rekonstruiert A. Lemaire (1986) eine Entstehungsgeschichte der Kön-Bücher aus sieben Stufen, deren letzte erst in die Exilszeit gehört. A. Rofé (1991) bringt das Block-Modell wieder ins Gespräch: Jos 24-1Sam 12 stelle ein vor-dtr ("ephraimitisches") Werk des 8. Jh.s dar. Auf J. Trebolle Barreras subtile Ausführungen zu "Redaction, Recension, and Midrash in the Books of Kings" (1982) folgt die ältere Arbeit S. Herrmanns über die "Königsnovelle" (1953/54) sowie M. Weinfelds Aufsatz "The Counsel of the Elders to Rehoboam" (1982). Der einzige Originalbeitrag des Bandes von B. Halpern ("The State of Israelite History", 540-565) setzt sich mit der zunehmenden Bestreitung des Geschichtswertes alttestamentlicher Texte auseinander und weist sie, gestützt auf Angaben in den Kön-Büchern und in außerbiblischen Quellen, überzeugend zurück. Die letzten Beiträge von D. M. Gunn (1987), J. C. Exum (1990) und D. Jobling (1993) votieren für neue methodische Ansätze neben oder jenseits der historisch-kritischen Exegese.

"Israel Constructs its History" beginnt mit einer umfangreichen Darstellung der Forschung am DtrG von T. Römer und A. de Pury (24-141). In dem "Ancient Historiography" überschriebenen Buchteil beschreibt M. Devienne die altgriechischen ("A Debate on Comparative Historicities", 174-188) und J.-J. Glassner die mesopotamischen Befunde ("Historical Times in Mesopotamia", 189-211). S. Japhet arbeitet literarische Art und Darstellungsweise der Bücher Esra-Neh, Chron und 1 Esra heraus und bestimmt deren Hintergrund, Motive und Intentionen ("Postexilic Historiography: How and Why?", 144-173). Ein altes Problem diskutiert A. Schenker: "Jeroboam and the Division of the Kingdom in the Ancient Septuagint: LXX 3 Kingdoms 12.24 a-z, MT 1 Kings 11-12; 14 and the Deuteronomistic History" (214-257). Er bestimmt die LXX-Version als nicht vom MT abhängig, sondern als "an original account, reworked for an edition preserved in the MT" (256), der dtr Züge vergleichbar denen in Ri und Kön trägt. In "2 Samuel 5-8 and the Deuteronomist: Textual Criticism or Literary Criticism?" (258-283) vergleicht S. Pisano alle Textversionen an ausgewählten Stellen. Dabei ergibt sich hinsichtlich dtr Elemente, "that MT Sam ... tends to confirm the existence of such traces" (283).

Im nächsten Teil "Diachronic and Synchronic Methods" analysiert S. L. McKenzie die Kapitel 1Sam 8-12*, bestimmt sie als dtr Komposition und beurteilt die darin ausgedrückte Stellung zum Königtum als ambivalent. Da 2Kön 25,27-30 einen Zusatz darstelle, sei das DtrG zwischen 586 und 582 entstanden ("The Trouble with Kingship", 286-314). W. Dietrich spürt die Wirkung des Richtergesetzes Dtn 16,18-17,13 und des Königsgesetzes Dtn 17,14-20 in dtr Passagen des Ri-Buches bzw. in dtr Texten über das frühe Königtum auf ("History and Law: Deuteronomistic Historiography and Deuteronomic Law Exemplified in the Passage from the Period of the Judges to the Monarchical Period", 315-342; jetzt auch deutsch in: ders., Von David zu den Deuteronomisten, BWANT 156, 2002, 217-235). Am Rande der Thematik steht der an dtr Redaktionsarbeit wenig interessierte Beitrag von F. Smyth "When Josiah has Done his Work or the King Is Properly Buried: A Synchronic Reading of 2 Kings 22.1-23.28" (343-358).

In dem einzigen Beitrag über "The Sources of Deuteronomistic Historiography" überprüft J. Briend dahingehend Jos 1-12 und eruiert ein literarisches Werk aus Jos 3-9, das durch Jos 10-12, dann durch Kap. 2 vor-dtr erweitert wurde (360-386). Im nächsten Buchteil "The Milieus of the Deuteronomists" reiht sich E. A. Knauf in die Bestreiter der Existenz eines DtrG ein ("Does Deuteronomistic Historiography [DtrH] Exist?", 388-398).

Hingegen beantwortet T. Römer die Frage "Is There a Deuteronomistic Redaction in the Book of Jeremiah?" (399- 421) positiv, begrenzt die Redaktion aber auf Jer 7-35, während er Jer 1-44 (45) einer späteren Redaktion zuschreibt. Der Schlussteil "Deuteronomistic Ideology and Theology of the Old Testament" enthält zwei Beiträge unter diesem Titel. M. Rose (424-455) setzt den Verfasser des (ursprünglichen) DtrG unter der 598 deportierten Elite um König Jojachin in Babylon an und bestimmt 2Kön 24,20; 25,21b als älteren Schluss des Werkes. A. D. H. Mayes (456-480), auf dem Zwei-Schichten-Modell von F. M. Cross fußend, formuliert: "Deuteronomistic Theology is ... an explicit ideology developed in response to the conditions of late-seventh-century and early-sixth-century Judah, as a means by which the newly emerging Israel, the people of Yahweh, might identify itself ... articulating its goals and justifying them through an account of how it related to others and how it overcame its own internal conflicts." (472)

Beide Bände sind mit den üblichen Registern ausgestattet. Sie bieten eine Fülle von Material und von Diskussionsstoff, zeigen aber auch, wie die Kriterien für das, was man "dtr." nennt, immer stärker auseinander treten.