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Ausgabe:

Mai/2003

Spalte:

492 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Spickermann, Wolfgang [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Religion in den germanischen Provinzen Roms. Hrsg. in Verbindung m. H. Cancik u. J. Rüpke.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2001. XX, 447 S. m. Abb. gr.8. Kart. ¬ 84,00. ISBN 3-16-147613-1.

Rezensent:

Bernhard Maier

Der Band, hervorgegangen aus einer im Oktober 1998 abge-haltenen gleichnamigen Tagung unter Leitung der Herausgeber, vereint 14 Beiträge, die nach inhaltlichen Gesichtspunkten den drei Themenschwerpunkten "Grundlagen", "Regionale und überregionale Kulte" sowie "Transport- und Ausbreitungswege von Religion" zugeordnet sind.

Im ersten Teil "Grundlagen" gibt zunächst W. Spickermann unter dem Titel "Die germanischen Provinzen als Feld religionshistorischer Untersuchungen" einen Überblick über die historische Entwicklung der germanischen Provinzen von den Anfängen der Romanisierung in der 2. Hälfte des 1. Jh.s v. Chr. bis zum Abzug der letzten reichsrömischen Truppen 406 n. Chr. und behandelt sodann die territorialen Grenzen, die Zusammensetzung der Bevölkerung, die unterschiedlichen Formen kultischer Organisation sowie die Möglichkeiten einer Periodisierung der Religionsgeschichte in den germanischen Provinzen (3-47). Danach vergleicht H. Cancik in seinem Beitrag "Religionsgeschichtsschreibung bei Tacitus" unter besonderer Berücksichtigung der Wirkungsgeschichte die taciteischen Angaben über die Religion der Germanen mit denen über die Religion der Juden (49-69), und J. Rüpke erörtert in seinem Beitrag "Religiöse Kommunikation im provinzialen Raum" anhand ausgewählter Beispiele die Möglichkeiten einer Übertragung von Beobachtungen und Modellen der soziologischen Kommunikationsforschung auf den Gegenstand des Sammelbandes (71-88).

Den zweiten Teil "Regionale und überregionale Kulte" eröffnet Peter Herz mit seiner Studie "Das römische Heer und der Kaiserkult in Germanien", in dem er anhand epigraphischer und literarischer Zeugnisse insbesondere die kultischen Ehrungen für Drusus I. und Germanicus untersucht (91-116). Greg Woolf, "Representation as cult: the case of the Jupiter columns", bietet Erwägungen zur Funktion der Jupitersäulen im historischen Kontext des 2./3. Jh.s, und Marie-Thérèse Raepsaet-Charlier gibt in ihrem Beitrag "Le formulaire des dédicaces religieuses de Germanie supérieure" eine Übersicht über den Zusammenhang zwischen dem Sprachgebrauch der obergermanischen Weihinschriften und den jeweils angerufenen Gottheiten (135-171). Christa Frateantonio, "Kulte des Xantener Raums" (173-191), und Rainer Wiegels, "Zur Götterverehrung in römischer Zeit im unteren Neckarraum. Das Beispiel des Iupiterkultes" (193-221), bieten regional begrenzte Studien aufgrund epigraphischer und archäologischer Quellen.

Die sechs Beiträge des dritten Teils "Transport- und Ausbreitungswege von Religion" umgreifen der Fragestellung entsprechend einen größeren geographischen Rahmen. Hier unternimmt zunächst U. Egelhaaf-Gaiser in ihrer Studie "Träger und Transportwege von Religion am Beispiel des Totenkultes in den Germaniae" anhand ausgewählter Beispiele aus der frühen und mittleren Kaiserzeit eine Rekonstruktion der Diffusion bestimmter Formen des Totenkults vom Mittelmeerraum nach Germanien (225-257). A. Schäfer, "Götter aus dem Rheingebiet in Dakien und Pannonien", untersucht die Bedingungen der überregionalen Ausbreitung des Kults einiger ursprünglich keltischer Götter und Göttinnen (259-284), und N. Beylache, "Les cultes syriens dans les Germanies (et les Gaules voisines)" behandelt vor allem den Kult des Iupiter Dolichenus in Germanien und den angrenzenden Regionen Galliens (285-316). M. Haase, "Überlegungen zum Beginn des Isis-Kults in Germanien", deutet Tacitus' Hinweis auf ein signum in modum liburnae figuratum (Germania 9,1) als frühen Beleg für den Kult der ägyptischen Isis in Germanien (317-338), und I. Huld-Zetsche, "Der Mithraskult im römischen Germanien", erörtert im Hinblick auf neue Forschungstheorien die archäologischen Überreste des Mithraskults in den germanischen Provinzen (339-359). Zum Schluss bietet W. Boppert Erwägungen "Zur Ausbreitung des Christentums in Obergermanien unter besonderer Berücksichtigung der Situation in der Provinzhauptstadt Mogontiacum" (361-402). Ein Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Register der Stellen, Orte, Begriffe, Namen und Sachen runden den Band ab.

Wenn die Autorin des letzten Beitrags gleich im ersten Absatz ihre Studie zu den Anfängen des Christentums in der Provinzhauptstadt Mainz und deren Umland bescheiden als "Mosaikstein" bezeichnet, so darf man diese Metapher vielleicht auch auf die anderen Beiträge des Bandes übertragen: Der Leser findet hier kein umfassendes, in sich geschlossenes, dafür aber holzschnittähnliches Bild, sondern eben nur einzelne Mosaiksteine, die jedoch dank der verarbeiteten Materialfülle einen guten Eindruck von der einstigen Farbigkeit und Leuchtkraft des verlorenen Ganzen vermitteln. Mit seiner Absage an spekulative Rekonstruktionen nicht belegter Vorstufen und Ursprünge, der Konzentration auf die in den Quellen zugängliche Religiosität in ihren jeweiligen Lebenszusammenhängen, der sorgfältigen Auswertung der Denkmäler auf kleinem und kleinstem Raum sowie nicht zuletzt der gebührenden Berücksichtigung religionsgeographischer Gesichtspunkte zeigt der Band den Weg, auf dem die religionsgeschichtliche Forschung weiter fortschreiten kann.