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Ausgabe:

September/1998

Spalte:

861 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Augustijn, Cornelis

Titel/Untertitel:

Erasmus der Humanist als Theologe und Kirchenreformer.

Verlag:

Leiden-New York-Köln: Brill 1996. IX, 375 S. gr.8 = Studies in Medieval and Reformation Thought, 59. Lw. hfl. 190.50. ISBN 90-04-10496-8.

Rezensent:

Helmut Feld

Der Vf., der bereits 1986 eine kurzgefaßte, kenntnisreiche Biographie des Erasmus von Rotterdam veröffentlichte, legt hier nun seine gesammelten Aufsätze zu Leben, Schriften und Wirkung des niederländischen Humanisten vor, die von 1969 bis 1992 in verschiedenen Zeitschriften, Festschriften und Kongreßakten erschienen sind. Es entsteht daraus ein differenzierteres und genaueres Bild von der Denk- und Vorstellungswelt des Erasmus, als es in der erwähnten Biographie der Fall ist. Ebenso sind die Wege der sich über ein Vierteljahrhundert hinziehenden Auseinandersetzung des Vf.s mit Erasmus und seinen bedeutendsten Zeitgenossen dokumentiert.

Jeder einzelne der Beiträge, die hier nicht alle gewürdigt werden können, vermittelt dem Leser einen klaren und präzisen Durchblick in der jeweils behandelten Frage. Das wichtige Kapitel: "Die Stellung der Humanisten zur Glaubensspaltung 1518-1530" gibt sowohl eine treffende Charakteristik des "Bibelhumanismus" um das Jahr 1520 wie auch eine Beschreibung des Fortlebens von dessen Idealen im Bereich der Reformation. Im anschließenden Kapitel über die "Humanisten auf dem Scheideweg zwischen Luther und Erasmus" kommt der Vf. zu einer genaueren Analyse des Verhältnisses der Humanisten zu Erasmus und Luther sowie der Gründe, die sie schließlich veranlaßten, sich entweder der Position Luthers, der oberdeutsch-schweizerischen Reformation oder dem Reformkatholizismus zuzuwenden. In diesen Problemkreis gehört auch der umfangreiche Beitrag über "Zwingli als Humanist", in dem der Vf. die geistige Entwicklung des Zürcher Reformators nachzeichnet und, im Gegensatz zu der bislang in der Forschung verbreiteten gegenteiligen Annahme, zu dem Ergebnis kommt, daß Zwingli lebenslang Erasmusschüler geblieben ist - was letztlich zu der eigenen, von der lutherischen verschiedenen Sicht von Gott und Mensch im reformierten Protestantismus führte.

Der Kundige wird hier vielleicht den im Rahmen des Internationalen Calvin-Kongresses in Debrecen (1986) gehaltenen Vortrag A.s über Calvin vermissen (Calvin und der Humanismus, in: W. H. Neuser [Hrsg.], Calvinus Servus Christi ..., Budapest 1988, 127-142). In den vorliegenden Band wurden weiterhin fünf Aufsätze aufgenommen, die das Verhältnis von Luther und Erasmus behandeln. Zusammen stellen sie die bisher wohl eingehendste Erörterung dieses diffizilen Komplexes dar.

Die Hauptergebnisse der Studien des Vf.s sind bis heute nicht überholt. Wer sich näher mit dem Bereich Humanismus und Reformation befaßt, wird deshalb dankbar für die Versammlung dieser wichtigen Arbeiten zwischen zwei Buchdeckeln sein.