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Ausgabe:

April/2003

Spalte:

450–452

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Woodward, James, and Stephen Pattison [Eds.]

Titel/Untertitel:

The Blackwell Reader in Pastoral and Practical Theology.

Verlag:

Oxford: Blackwell 2000. XVIII, 338 S. m. 2. Abb. gr.8. Kart. £ 16,99. ISBN 0-631-20745-7.

Rezensent:

Christian Grethlein

Der von den beiden englischen Praktischen Theologen Woodward und Pattison unter Beteiligung des Pastoraltheologen John Patton, USA, herausgegebene Sammelband gibt einen guten Einblick in die Entwicklung und gegenwärtige Situation von Pastoraltheologie und Praktischer Theologie im angelsächsischen Raum. Wobei schon das Ineinander beider - in der deutschen Diskussion in der Regel unterschiedenen - Begriffe typisch für die dortige Diskussion ist; in der sehr instruktiven Einleitung der beiden Herausgeber heißt es dazu lakonisch: "The difference between them seems ... to be more one of emphasis than substance." (3) Die insgesamt - neben der Einleitung - 23 Beiträge verteilen sich auf 14 aus dem Vereinigten Königreich, acht aus den USA und eine aus Ghana stammende Autorinnen und Autoren, wobei diese - ohne dass dies Anlass zu expliziten Unterscheidungen gäbe - den unterschiedlichsten Konfessionen, von den Methodisten über Presbyterianer, Anglikaner bis hin zu den römischen Katholiken angehören. Christliche Ökumene ist auf diesem Forschungsfeld also offensichtlich bereits eine Selbstverständlichkeit.

Acht der Beiträge sind Reprints von schon veröffentlichten Texten. Dadurch werden "Klassiker" wie Seward Hiltners Kapitel "The Meaning and Importance of Pastoral Theology" aus "Preface to Pastoral Theology" (1958), mit dem Herausstellen der "shepherding perspective" und damit der Psychologie als grundlegend für Pastoraltheologie, und Don Brownings "Pastoral Theology in a Pluralistic World" (1983), ein Plädoyer für eine auf der Ethik basierende Pastoraltheologie, zugänglich gemacht. Die anderen Aufsätze, jeweils etwa zehn Seiten umfassend und schon von daher für den akademischen Unterricht sehr geeignet, wurden für das Buch verfasst.

Insgesamt ist der Band in vier Teile gegliedert: Ein erster Teil präsentiert "Modern Pastoral and Practical Theology in Historical Perspective", wobei neben dem schon erwähnten programmatischen Aufsatz Hiltners John Patton "Pastoral Theology" in den USA und Paul Ballard "Pastoral and Practical Theology" in Britannien vorstellen. Dabei tritt bei allen Unterschieden im Einzelnen deutlich die große Bedeutung des "Pastoral Counseling" und damit der Psychologie für die Entwicklung des Fachs im angelsächsischen Bereich hervor.

Der zweite, sechs Beiträge umfassende Teil widmet sich den grundsätzlichen Ansätzen und Methoden pastoraltheologischer und praktisch-theologischer Forschung. Dabei begegnet eine große Vielfalt, wobei meistens die enge Verbindung, z. T. Gleichsetzung mit Ethik auffällig ist.

Am ausführlichsten ist der dritte, 12 Aufsätze umfassende Teil "Relating Theory and Practice to Perspectives and Issues in Pastoral and Practical Theology". Hier tritt zunehmend ein engerer Praxisbezug hervor; fast durchgehend werden Fallbeispiele erörtert, meist aus befreiungstheologischer Perspektive. Zuerst werden als wichtige Bezugsgrößen Soziologie, Politologie, Ekklesiologie, Ethik sowie "Spirituality" genannt. Es folgen Aufsätze zu einzelnen Handlungsfeldern, vor allem im Bereich der pastoralpsychologischen Beratung, aber auch des Management, sowie zu einzelnen Grundproblemen (Gender-Frage; Dialog mit anderen Religionen und Kulturen).

Ein knapper vierter Teil, in dem in zwei Beiträgen erste Überlegungen zu einer möglichen Evaluation von "Pastoral Care" bzw. der Theorie hierüber angestellt werden, beschließt das Buch.

Eindrucksvoll ist auf jeden Fall die geschickte didaktische Gestaltung des Bandes: angefangen bei den knappen, gleichwohl sehr instruktiven Einführungen in jeden Aufsatz über die jeweils am Ende beigegebenen Fragen zur Weiterarbeit bis hin zu komprimierten Literaturverzeichnissen. Als Leser bekommt man so ein durchaus differenziertes, aber eindrückliches Bild der pastoraltheologischen und praktisch-theologischen Diskurse im angelsächsischen Bereich. Die große Bedeutung der pastoralpsychologischen Fragen, die Ausrichtung auf konkrete Praxisprobleme sowie die Bedeutung allgemein gesellschaftlicher Diskurse (Gender-Frage, Rassismus u. ä.) treten klar hervor, allerdings auch die weitreichende Unbestimmtheit in Terminologie und Gegenstandsbeschreibung. Für den deutschen Leser ist es ernüchternd, dass zwar eingangs Deutschland als Ursprungsort der Praktischen Theologie genannt wird, dann aber in knappsten Hinweisen lediglich Schleiermacher und Thurneysen (sowie Tillich) als deutsche Autoren auftauchen. Praktische Theologie scheint jenseits des Kanals bzw. des Atlantiks - nach Impulsen bei James - mit Boisen und Hiltner zu beginnen und sich von daher vor allem auf Fragen von "Pastoral Care" bzw. "Pastoral Counseling" zu konzentrieren. Vielleicht hängt mit diesem reduzierten historischen Bezug auch das den Rez. irritierende Ineinander von theoretischen und praktischen Überlegungen zusammen (wie umgekehrt wohl eine Lektüre zünftiger deutscher praktisch-theologischer Literatur durch ihre theoriebezogenen Bemühungen erstaunlich wirken dürfte). Dass religionspädagogische sowie homiletische und liturgische Perspektiven bei dieser Präsentation von Pastoral- bzw. Praktischer Theologie (weithin) fehlen, ist - neben der fehlenden historischen Tiefenschärfe - wohl Ausdruck der anderen Wissenschaftsorganisation des Fachs, systematisch gleichwohl bedauerlich, nicht zuletzt weil dadurch traditionell kontroverstheologische Problemstellungen verloren gehen. Diese kritischen Anfragen zeigen aber zugleich, wie wichtig die Lektüre und Diskussion dieses Bandes auch in Deutschland sein könnte, nicht zuletzt um den eigenen Beitrag zu dem offensichtlich doch erst noch bevorstehenden internationalen Austausch zu profilieren.