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Ausgabe:

April/2003

Spalte:

444 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Herbst, Michael, u. Matthias Schneider

Titel/Untertitel:

... wir predigen nicht uns selbst. Ein Arbeitsbuch für Predigt und Gottesdienst.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener/Aussaat 2001. 222 S. m. Abb. 8. Kart. ¬ 19,90. ISBN 3-7887-1876-5 (Neukirchener); 3-7615-5187-8 (Aussaat).

Rezensent:

Peter Zimmerling

Das vorliegende Buch stellt in zweierlei Hinsicht eine Besonderheit dar: Zum einen ist es das Gemeinschaftswerk des Praktischen Theologen Michael Herbst und des Kirchenmusikers Matthias Schneider, die beide an der Universität Greifswald lehren. Zum anderen will es bewusst die beiden entscheidenden Bereiche der Gottesdienstvorbereitung, die Gestaltung der Liturgie und der Predigt, miteinander verbinden. Die Autoren verleugnen nicht, dass sie die Grundlage ihrer Konzeption Manfred Seitz aus Erlangen verdanken, der diese bereits vor Jahrzehnten entwickelt hat. Sie selbst haben diese in einer Reihe von homiletisch-liturgischen Seminaren in Greifswald praktisch erprobt und weiterentwickelt.

Wie die Autoren im Vorwort betonen, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um ein "Arbeitsbuch", das nicht den Anspruch erhebt, eine klassische Homiletik und Liturgik zu ersetzen (6). Tatsächlich sind grundsätzliche Überlegungen nur angedeutet. Der Praxisaspekt steht ganz im Vordergrund: "Dieses Arbeitsbuch soll nur eines leisten: es soll helfen, einen geordneten Weg zur Vorbereitung von Gottesdienst und Predigt zu beschreiten" (6). Eine solche Zielvorgabe entspricht zum einen der Überzeugung der Autoren, dass Studierende bereits während des Studiums stärker als bisher regelmäßig Gottesdienste und Predigten vorbereiten sollen, und zum anderen dem breit gefächerten Adressatenkreis des Buches, der neben Theologiestudierenden auch Absolventen von Bibelschulen, Missionsseminaren, Diakonenanstalten, Vikare, Pfarrer und Lektoren, also Männer und Frauen der Praxis, umfasst. Der Charakter des vorliegenden Werkes als Arbeitsbuch wird schließlich daran sichtbar, dass am Ende des jeweiligen Kapitels anhand eines gleich bleibenden Beispiels vorgestellt wird, zu welchem Ergebnis die theoretischen Überlegungen in der Praxis führen können. Dabei handelt es sich um den 3. Sonntag nach Epiphanias mit einer Predigt über Joh 4, 5-14 (Reihe V).

Zu Gliederung und Inhalt: Nach einer kurzen "theologischen Grundlegung" zum Thema Vollmacht (I.), folgt unter II. das eigentliche homiletisch-liturgische Arbeitsbuch mit acht Kapiteln. Im 1. Kap. geht es um die Einordnung des Gottesdienstes in das Kirchenjahr und die zeitliche Planung der Gottesdienstvorbereitung. Kap. 2 hat die persönliche Betrachtung des Predigttextes zum Thema. Es geht für den Predigenden darum, herauszufinden, was der Text ihm persönlich zu sagen hat. In Kap. 3 stehen exegetische Fragen im Vordergrund, der Text soll "diachron" (so wie er dasteht) und "synchron" (von seinem Zusammenhang und seinem Gewordensein her) erschlossen werden. Kap. 4 enthält die sogenannte homiletische Besinnung. Hier wird das Verhältnis vom Eigenrecht des Predigttextes und der Gemeindesituation thematisiert. Den Abschluss des Kapitels bilden eingehende Überlegungen zur Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Das 5. Kap. thematisiert die rhetorische Gestaltung der Predigt und schließt mit "Homiletischen Lasterkatalogen" in Form von zwölf Pleiten, Pech und Pannen. Im 6. Kap. geht es um die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes. Die Autoren plädieren für eine Vorbereitung des gesamten Gottesdienstes im Team. Das 7. Kap. hat die praktische Durchführung der Feier des Gottesdienstes zum Inhalt, wobei Vorschläge zur Form der Präsentation der Predigt im Vordergrund stehen. Thema des 8. Kap. ist schließlich das Gottesdienstnachgespräch. Ein Literaturverzeichnis und eine Musterpredigt über Joh 4, 5-14 schließen das Buch ab.

Seine Stärke liegt zweifellos darin, dass es sich um ein Arbeitsbuch für die Praxis handelt mit klaren Arbeitsvorgaben, die in einer festgelegten Abfolge von Arbeitsschritten durchzuführen sind. Das Buch vermittelt dadurch einen ersten Einstieg in das Handwerk der Gottesdienst- und Predigtvorbereitung. Dazu, dass dieser Einstieg auch gelingt, tragen viele prägnante, den Leser z. T. verblüffende Formulierungen bei, die entweder von den Autoren selbst oder von Theologen und Theologinnen aus Vergangenheit und Gegenwart stammen (z. B. von Ernst Lange, Jürgen Ziemer, Johann Georg Hamann, 83.86.87). Gerade diese Formulierungen und Zitate lassen das Buch zu einem Leseerlebnis werden. Nur am Rande sei bemerkt, dass dazu auch seine ausgezeichnete graphische Gestaltung beiträgt. Dem Charakter des Buches entspricht, dass die "handwerklichen" Kapitel die größten Stärken aufweisen: Kap. 2 Die persönliche Betrachtung, Kap. 3 Die Exegese, Kap. 4 Die Homiletische Besinnung und vor allem Kap. 5 Die rhetorische Gestaltung. Sie bilden auch umfangmäßig die längsten Kapitel. Immer wieder fallen darin hilfreiche Praxistipps auf (z. B. 195 ff. im Hinblick auf das "Allgemeine Kirchengebet"). Inhaltlich-theologisch ist Folgendes positiv hervorzuheben: Das Bemühen der Autoren, den existentiellen Bezug des Predigttextes zum Prediger ins Gedächtnis zu rufen (40 ff.), gegenüber der Betonung der Situation das Eigenrecht des Textes nicht zu kurz kommen zu lassen (85 ff.), und gegenüber der Verharmlosung Gottes in der Predigt die reformatorische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zur Geltung zu bringen.

Zum Schluss möchte ich noch zwei kritische Anfragen formulieren. Zwar wird die liturgische Gestaltung des Gottesdienstes an sich von den Autoren ausführlich thematisiert (z. B. Kap. 6), doch hätte ich mir darüber hinaus häufigere und ausführlichere Hinweise auf die Bedeutung der Liturgie für die inhaltliche Gestalt der Predigt gewünscht. Vorhandene Überlegungen bleiben etwas blass (z. B. 100). Außerdem frage ich mich, ob nicht auch in einem einführenden Arbeitsbuch mehr Raum für die kritischen Punkte sein müsste, die in den gegenwärtigen Diskursen zu Liturgie und Predigt verhandelt werden. Zumindest wünschte ich mir, dass im Buch die potentiellen Anfragen der Anfängerinnen und Anfänger an die landläufige Gottesdienst- und Predigtpraxis stärker aufgenommen würden.

Ansatzweise tun das die Autoren im Zusammenhang des Verhältnisses von Situation und Predigttext. Jedoch fehlen z. B. Hinweise auf die Schwächen der Erneuerten Agende und auf Anfragen an die traditionelle Gottesdienstgestaltung überhaupt. Auch wäre es wichtig gewesen, moderne Schwierigkeiten bezüglich des Verstehens der Rede von der Vergebung der Sünden im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zumindest anzudeuten.

Diese Anfragen sollen den insgesamt positiven Gesamteindruck des vorliegenden Werkes jedoch keineswegs in Frage stellen.