Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2003

Spalte:

425 f

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Byckov, Viktor

Titel/Untertitel:

2000 Jahre Philosophie der Kunst im christlichen Osten. Alte Kirche, Byzanz, Rußland.

Verlag:

Würzburg: Augustinus-Verlag 2001. 447 S. 8 = Das östliche Christentum, Neue Folge, 50. Kart. ¬ 28,00. ISBN 3-7613-0200-2.

Rezensent:

Hans Georg Thümmel

Der Band bietet eine Reihe bereits veröffentlichter Aufsätze oder Kapitel aus Büchern, zumeist solche, die zunächst in Russisch vorlagen und nun ins Deutsche übersetzt sind. Das Auswahlprinzip war die Ästhetik ostkirchlicher Kunst. Der Begriff von Ästhetik ist ein allgemeiner und tendiert eher zur geistigen Schönheit als zur Bildkunst.

In diesem Sinne sind für die ältere Zeit vor allem Plotin, Philon und die entsprechenden Äußerungen der östlichen Kirchenväter behandelt, für Byzanz Nikephoros, die Hesychasten und die Begrifflichkeiten des Bilderstreits. Die Ausführungen über Russland zerfallen in die über die Denker der alten Rus und die über die neueren russischen Denker des 19./20. Jh.s. B.s Ausführungen geben sich als Weiterführung russischer Religionsphilosophie. Ziel ist die Einheit von Religion und Kunst und die religiöse Vertiefung. Soweit B. konkret ist, handelt es sich vor allem um Referate von Ausführungen historischer Denker. Weithin geht es aber darum, eine Philosophie zu entwickeln, wobei der Bezug zum historischen Material peripher ist und manchmal der Korrektur bedarf. Personen werden kaum genannt, Kunstwerke noch weniger. Das gibt den Ausführungen ihren sehr allgemeinen Charakter. Was das für die Sache bedeutet, wird vielleicht am deutlichsten in den Ausführungen zum russischen Mittelalter (336-349). Es geht um ein Ideal, das nur bedingt ästhetisch ist und eher mehr das Leben als Kunstwerk meint (343). Die Prinzipien, die B. entwickelt, sind aus den Werken herausgelesen, schriftliche Zeugnisse sind fast gar nicht überliefert (345). Ob es viele oder nur wenige Werke gibt, die das Ideal spiegeln, wird nicht recht deutlich (348 f.).

Was als Eigenart des Russischen herausgestellt wird, gilt kaum verändert auch - etwas zeitverschoben - für den Westen, was B. wohl weiß (348). Was konkret über das Erleben eines solchen Bildes gesagt wird, geht an der Tatsache vorbei, dass dies unter Übermalungen, Metallbeschlägen u. a. Dekor fast verschwinden konnte. Die Anwesenheit der heiligen Gestalt in ihrer Ikone war den Zeitgenossen wohl doch wichtiger als die Art der ästhetischen Realisierung. Immer wieder wird ein Ideal konstruiert, das die Brille ist, durch die alles gesehen wird. Eine historische Entwicklung ist nicht im Blick, vielmehr das den Russen Wesensgemäße herausgestellt. Und anscheinend gehören dazu alle die Einflüsse seit dem 17. Jh. nicht, die im Kampf zwischen Beharren und Fortschreiten die neuere russische Geschichte so spannungsreich machen.

Diese Zeit kommt mit einem Beitrag, über einen Kroaten, Krizani'c, und einen Moldavier (Rumänen), Spatarul, in den Blick. Beide trafen sich 1675 in Sibirien, der eine bereits in der Verbannung, der andere auf der Durchreise. Beide haben versucht, Westliches in Russland heimisch zu machen.

Wie die russische Religionsphilosophie mit der Wiederentdeckung der altrussischen Ikone (Trubeckoj, Florenskij u. a.) diese zum Ideal erhob, so dass bis heute auch in westlicher Sicht die Geschichte der Ikone im 17. Jh. endet, so konzentriert sich auch B. auf diese Zeit und die der Neuentdeckung im späten 19. und frühen 20. Jh. Die Abwendung von Naturalismus und Materialismus erscheint als Rückwendung zum Göttlichen, freilich auch, soweit sie den Westen betrifft, als Wendung zum Individualismus (368 f.).

Dass ganz andere ästhetische Ideale zur Diskussion stehen, wenn sich Solov'ev auf Puskin, Tolstoj, Dostoevskij bezieht, als diejenigen des Symbolismus oder diejenigen, die das "Altrussische" kennzeichnen, wird nicht recht deutlich. B. unterscheidet zwischen Symbolismus als Kunstrichtung und als Weltbild (366). Im Blick ist Letzteres. Als Theurgie, Sofianismus, göttliche Emanation wie entschlüsselnde Erkenntnis lässt sich Vieles fassen, nur ist das Geistig-Mystische als letzter Sinn von Ästhetik dann wenig festgelegt.

Der Wiederentdeckung der Ikone durch die Religionsphilosophen des 20. Jh. ist ein Aufsatz gewidmet (376-393, vgl. dazu ThLZ 116, [1991], 641-644), weitere Aufsätze weiten das Thema aus. - Eine Würdigung von E. Chr. Suttner und die Bibliographie von V. V. Byckov beschließen den Band.