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Ausgabe:

April/2003

Spalte:

370–373

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Avemarie, Friedrich, u. Hermann Lichtenberger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Auferstehung - Resurrection. The Fourth Durham-Tübingen Research Symposium: Resurrection, Transfiguration and Exaltation in Old Testament, Ancient Judaism and Early Christianity (Tübingen, September 1999).

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2001. XII, 401 S. gr.8 = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 135. Lw. ¬ 99,00. ISBN 3-16-147534-8.

Rezensent:

Marco Frenschkowski

Im Rahmen der seit mehr als zehn Jahren bestehenden Partnerschaft zwischen dem Department of Theology der Universität Durham und der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen dokumentiert der vorliegende Sammelband die Beiträge einer Konferenz aus dem Jahr 1999. Im Einzelnen behandelt Bernd Janowski Psalm 88 in detaillierter Einzelexegese (3-45) als Ausdruck einer tiefen "Kluft zwischen Glaube und Erfahrung" (19), Andrew Chester allgemeiner die inneralttestamentliche Vorgeschichte der Auferstehungshoffnungen bis zum Danielbuch (47-77; eine Spätdatierung der Jes.-Apk. Jes 24-27 auf das 2. Jh. v. Chr. wird dabei ausgeschlossen), weiter Hermann Lichtenberger die in hohem Maße kontroverse Frage nach dem Platz von Auferstehungshoffnungen in der Qumrangemeinde (79-91).

Auf diesen alttestamentlich-jüdischen Teil folgen Studien zum Neuen Testament: Anna Maria Schwemer behandelt in gewohnter Materialfülle und Detailarbeit die Emmausperikope (95-117; s. bes. 100 f. zur Lokalisierung), Martin Hengel weit ausholend das Begräbnis Jesu bei Paulus (gemeint ist 1Kor 15, 4a) und die leibliche Auferstehung (119-183), dann Otfried Hofius den Kolosserhymnus Kol 1,15-20 (185-203), Gerbern S. Oegema die altkirchliche Rezeption jener Passagen der Johannesoffenbarung, welche von Auferstehung sprechen (205- 227), Stephen C. Barton die Verklärungserzählungen bei Mk und Mt in ihrer Spannung zwischen Christologie und Anthropologie (231-246), schließlich Crispin H. T. Fletcher-Louis ebenfalls die mk Verklärungsperikope (247-298), aber unter einer völlig anderen Fragestellung (s. sofort). Ein letzter Teil des Bandes versammelt Studien zu neutestamentlichen Erhöhungsvorstellungen: James D. G. Dunn untersucht die Himmelfahrt Jesu als "test case for hermeneutics" (301-322), Arie W. Zwiep allgemein Entrückungs- und Erhöhungsvorstellungen im frühen Judentum und im lk Doppelwerk (323-349). Last not least sucht Peter Stuhlmacher in Form programmatischer Anfragen das kritische Gespräch mit neueren Tendenzen der Paulusforschung (351-361); gemeint ist die "new perspective" vor allem in der Nachfolge von Ed Parish Sanders. Paulus wird dabei u. a. wieder (m. E. ganz zu Recht) als Apokalyptiker qualifiziert (360). James D. G. Dunns Antwort auf diese knappen, aber sehr weitreichenden Anfragen ist ebenfalls abgedruckt (363-368). Register im bekannten WUNT-Stil schließen den Band ab. Die Preispolitik des Verlages rechnet wie üblich nicht ernstlich mit einem Interesse von privaten Käufern an dem Buch.

Dies ist ohne Frage ein wichtiger Sammelband zu einem zentralen Thema biblischer Theologie, der unbedingt auf Beachtung hoffen darf. Die Stärken namentlich der "Tübinger biblischen Theologie" (die sich hierin mit den Durhamer Beiträgen trifft) werden sehr deutlich: das Ringen um präzise Textarbeit und die historische Fairness in der Wahrnehmung des antiken Judentums, die Herausarbeitung der inneren Zusammenhänge zwischen alttestamentlicher und neutestamentlicher Literatur, die stete Aufmerksamkeit auf alle historisch-exegetischen Probleme, die nicht einfach modernen Leitfragen untergeordnet werden. Bisher nicht aufgelöste Spannungen der Forschung bleiben bestehen: Welche Rolle spielen z. B. Auferstehungshoffnungen in Texten aus Qumran? Sollte hier wirklich eine Art präsentischer Eschatologie das Interesse an dem Theologumenon "Auferstehung" (das ja zumindest aus Daniel und Henoch bekannt war) vergleichgültigt haben, während die Hoffnung als solche grundsätzlich rezipiert war? Dahin tendiert Martin Hengel (170) vor allem nach É. Puech. Hermann Lichtenberger vertritt dagegen die skeptischere Sicht: dass wir über die Hoffnung der Qumrangemeinde für ihre Toten aus den Quellen nichts Eindeutiges entnehmen können und eine Auferstehungsidee in den theologischen Eigenproduktionen der Gemeinde nirgends klar sichtbar werde (88.91; vgl. bes. 84 f. die Fragen zu dem wohl wichtigsten Text 4Q521). Zur Sache vgl. auch die Übersicht bei George W. E. Nickelsburg, Art. Resurrection, in: Encyclopedia of the Dead Sea Scrolls, Bd. 2, Oxford 2000, 764-767.

Auch sonst wird die Lektüre erwartungsgemäß immer wieder mit wichtigen Einsichten belohnt; vgl. etwa 77 u. ö. A. Chesters Überlegungen zum fließenden Übergang zwischen metaphorischen und "buchstäblichen" Bedeutungen von frühen Auferstehungstexten. Es werden aber doch auch grundsätzliche Probleme sichtbar. Ich nenne nur den m. E. wichtigsten Punkt: Judentum und Christentum treten in einer Weise zusammen, dass die religiöse Umwelt beider antiker Minoritätsreligionen entweder blass und blutarm oder völlig vergleichgültigt wird. Dazu muss ein Beispiel genügen. Die Entstehung der Auferstehungshoffnung im Judentum des achämenidischen und hellenistischen Zeitalters wird (bes. bei A. Chester) sozusagen ganz in einem "biblischen Raum" beschrieben, in dem allenfalls die Texte des außerbiblischen Judentums ein bescheidenes Mitspracherecht haben. Aber auch die staatsbeherrschende Religion des achämenidischen Reiches kennt eine Auferstehungshoffnung; dies ist kein "Einfluss", sondern ein fundamentales religiöses Paradigma der Weltmacht, in deren Schatten sich das nachexilische Judentum entfaltet. Bezeichnend ist (wie leider oft in alttestamentlichen Untersuchungen zur Entwicklung der Auferstehungsidee), dass die einschlägigen iranischen Quellen nicht direkt zitiert werden, sondern nur pauschal auf (überalterte) Sekundärliteratur hingewiesen wird. Chester verweist in der einzigen etwas längeren Anmerkung zum Thema in erster Linie gar noch auf Bousset (65 Anm. 59; sonst zur Stelle nur M. Hengel 150 mit Anm. 115), daneben auf die hier doch sehr knappen kritischen Ausführungen bei R. Martin-Achard, J. Day und M.Hengel (was nicht heißen soll, dass es bei Bousset nichts mehr zu lernen gäbe). Aber die iranistische und sonstige Forschung zur Religionsgeschichte der Achämeniden, zur Traditionsgeschichte hinter den avestischen Texten und (wesentlich) zur iranischen Apokalyptik hat sich in fast 100 Jahren nicht weniger verändert als das, was ehemals die "Wissenschaft vom Spätjudentum" war. Diese Beobachtung trifft sich mit der völligen Ausblendung der einschlägigen avestischen und mitteliranischen (zum Teil auch griechischen) Quellen in Werken wie TUAT, ANET und jetzt "The Context of Scripture" (3 Bände, 1997-2002), obwohl diese bzw. ihr Traditionsgut z. T. unmittelbar in die Nachbarschaft des spätalttestamentlichen Judentums gehören. Das Danielbuch - ein wesentlicher Kronzeuge der Entwicklung - ist bekanntlich von iranischen Vokabeln gesättigt wie heute ein Internet-Dokument vom Englischen (sogar iranische Beamtentitel sind in die babylonische Zeit zurückprojiziert). Es ist daher nicht fraglich, dass wir uns zumindest mit solchen Auferstehungstexten in einem stark iranisch geprägten Kulturraum bewegen, der vom Hellenismus keineswegs völlig überlagert ist. Daher kann die Frage nach einem iranischen Katalysator in der Auferstehungshoffnung m. E. nicht so beiläufig behandelt werden, wie dies hier geschieht. Natürlich gibt es wesentliche innerjüdische Rezeptionsbedingungen, aber die Vergleichgültigung der allgemeinen kulturellen Rahmenbedingungen, unter denen die Rezeption der Auferstehungsidee im antiken Judentum erfolgt, scheint mir eine problematische Beschränkung auf "innerbiblische" religiöse Dynamiken zu implizieren, die doch von grundlegender Bedeutung ist.

Zu den neutestamentlichen Studien seien zwei kritische Bemerkungen erlaubt. C. H. T. Fletcher-Louis schlägt in den Fußstapfen von Harald Riesenfeld und (anders gelagert und vorsichtiger) George W. E. Nickelsburg wieder eine kultgeschichtliche Interpretation des mk Zyklus um Verklärung und Messiasbekenntnis vor. Im Hintergrund steht nach ihm die kosmologische und mythologische Symbolik eines Neujahrsfestes bzw. Versöhnungstages, die bereits vormk am Hermon hafte. Die etwas rätselhaften 6 Tage aus Mk 9,2 z. B. werden als chiffrierter Reflex des Zeitraumes zwischen Versöhnungstag und Laubhüttenfest im Monat Tischri gedeutet (295 f.). Ohne dies hier weitergehend besprechen zu können, kann diese These m. E. nicht überzeugen und widerspricht in ihrer vorausgesetzten raffinierten Verschlüsselung kultischer Bezüge der narrativen Kultur, der wir das Markusevangelium verdanken. Sollte ein Buch, das seinen Lesern das jüdische Händewaschen und andere elementare Reinheitsvorschriften erklärt (7,3 f.), in Bezug auf die jüdischen Feste und ihre priesterliche Symbolik detaillierte Kenntnisse voraussetzen, auf die dann in extrem verschlüsselter Form angespielt werden kann? Sehr viel plausibler (und wegweisend) für die regionalen (und politischen) Bezüge des Messiasbekenntnisses bei Cäsarea Philippi scheinen mir die Erwägungen bei Gudrun Guttenberger, Why Caesarea Philippi of all Sites? Some Reflections on the Political Background and Implications of Mark 8:27-30 for the Christology of Mark, in: M. Labahn u. J. Zangenberg (Hrsg.), Zwischen den Reichen: Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen u. Basel 2002, 119-131. Überzeugend ist hingegen Fletcher-Louis' Nachweis, dass die Verklärung nicht traditionsgeschichtlich aus Auferstehungs- und Ostererzählungen abgeleitet werden kann.

Martin Hengels Studie versucht zu zeigen, dass Paulus Traditionen vom leeren Grab sachlich voraussetzt. Ergänzend zu dieser (nach wie vor spekulativen) These ist m. E. vor allem zu bedenken, dass sich die Tradition über die Grablegung Jesu im Grab eines reichen Mannes und Sympathisanten der eschatologischen Hoffnungen der Jesusbewegung (Mk 15,42-47) gegen die zunehmende Bedeutung von Jes 53 (V. 9!) nur deshalb halten konnte, weil sie (gegen den Schriftbeweis!) als historisches Faktum vorgegeben und allgemein bekannt war. Wenn aber die Tradition über die Grablegung historisch ist (da sie dem Schriftbeweis widersprach), fällt ein weiteres Indiz dafür dahin, Mk16, 1-8 sei ausschließlich späte Legendenbildung. Man wusste sehr genau, wo Jesus bestattet gewesen war. Damit ist freilich Hengels These zu Paulus noch nicht bewiesen, aber sie gewinnt weiter an Wahrscheinlichkeit.

Alles in allem ist "Auferstehung - Resurrection" eine wichtige Sammlung mit Beiträgen zu einem Thema, dessen bibeltheologische und etwa auch judaistische Aktualität sich nicht zuletzt darin dokumentiert, dass es auch im Mittelpunkt weiterer jüngerer Aufsatzsammlungen steht: Stanley E. Porter u. a. (Hrsg.), Resurrection (JSNT.SS 186), Sheffield 1999; Jacob Neusner u.a. (Hrsg.), Death, Life-after-death, Resurrection and the World-to-come in Judaisms of Antiquity (Judaism in Late Antiquity 4), Leiden 2000.