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Ausgabe:

April/2003

Spalte:

367–370

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Schmidt, Werner H.]

Titel/Untertitel:

Verbindungslinien. Festschrift für Werner H. Schmidt zum 65. Geburtstag. Hrsg. von A. Graupner, H. Delkurt, A. B. Ernst u. L. Aupperle.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2000. XI, 436 S., 1 Porträt. 8. Kart. ¬ 39,90. ISBN 3-7887-1813-7.

Rezensent:

Joachim Conrad

Die vorliegende Festschrift ist einem Forscher und Lehrer gewidmet, dem die alttestamentliche Wissenschaft ganz wesentliche Anstöße verdankt und der mit seinem breit gefächerten uvre weit über den Kreis der Fachkollegen hinaus bekannt geworden ist. So haben Schüler und Freunde einen sehr reichhaltigen und umfänglichen Band erstellt, um ihn zu seinem 65. Geburtstag auf eine seinem Lebenswerk angemessene Weise zu ehren.

Der Band enthält die folgenden Beiträge: Stefan Beyerle, Joseph und Daniel - Zwei "Väter" am Hofe eines fremden Königs (1-18) - Hans Jochen Boecker, "Feindesliebe" im alttestamentlichen Recht? Überlegungen zu Ex 23,4-5 (19-25) - Holger Delkurt, Sacharja und der Kult (27-39) - Walter Dietrich, Die David-Abraham-Typologie im Alten Testament (41-55) - Alexander B. Ernst, Karikaturen in der alttestamentlichen Spruchweisheit. Oder warum man den Dummen nicht zu verspotten braucht (57-64) - Gisela Fuchs, Das Symbol des Bechers in Ugarit und Israel. Vom "Becher der Fülle" zum "Zornesbecher" (65-84) - Axel Graupner, Vom Sinai zum Horeb oder vom Horeb zum Sinai? Zur Doppelüberlieferung des Dekalogs (85-101) - Jan Heller, Entmythisierung durch Namendeutung (103-107) - Hans-Jürgen Hermisson, Gibt es die Götter bei Deuterojesaja? (109-123) - Peter Höffken, Das Hohelied und Salomoliteratur (125-135) - Jörg Jeremias, Tradition und Redaktion in Micha 3 (137-151) - Otto Kaiser, Von der Schönheit des Menschen als Gabe Gottes (153-163) - Klaus Koch, Profetenbuchüberschriften. Ihre Bedeutung für das hebräische Verständnis von Profetie (165-186) - Siegfried Kreuzer, "... und der Herr half David in allem, was er unternahm". Die Davidgeschichte in ihrem inneren Zusammenhang und im Licht der westsemitischen Königsinschriften (187-205) - Arndt Meinhold, Zur Rolle des Tag-JHWHs-Gedichts Joel 2,1-11 im XII-Propheten-Buch (207-223) - Martin Metzger, Zodiakos, Tempel und Toraschrein. Verbindungslinien zwischen Bildmotiven auf Mosaikbildern spätantiker Synagogen in Palästina (225-248) - Manfred Oeming, Auf der Suche nach Verbindungslinien - Psalm 19 als Ganzheit betrachtet (249-263) - Rolf Rendtorff, Israels "Rest". Unabgeschlossene Überlegungen zu einem schwierigen Thema der alttestamentlichen Theologie (265-279) - Henning Graf Reventlow, Skepsis und Klage. Zur Komposition des Hiobbuches (281-294) - Lothar Ruppert, Überlegungen zur Überlieferungs-, Kompositions- und Redaktionsgeschichte von Gen 15 (295-309) - Georg Sauer, Der traditionsgeschichtliche Hintergrund von Ben Sira 42,15-43,33 (311-321) - Klaus-Dietrich Schunck, Der Becher Jahwes: Weinbecher - Taumelbecher- Zornesbecher (323-330) - Eckart Schwab, Die doppelt determinierte Konstruktus-Verbindung und ihre Bedeutung für die Interpretation des markinischen Weinwortes (Mk 14,24) (331-349) - Horst Seebass, Zu Numeri 25,1-18 (351-362) - Hermann Spieckermann, Ambivalenzen. Ermöglichte und verwirklichte Schöpfung in Genesis 2f (363-376) - Hans Strauß, Zu Gen 22 und dem erzählenden Rahmen des Hiobbuches (Hiob 1,1-2,10 und 42,7-17) (377-383) - Winfried Thiel, Amos 2,6-8 und der Einfluß Hoseas auf die Amos-Traditionen (385-397) - Siegfried Wagner, Überlegungen zur Klage des Jeremia in Kapitel 20,7-18 (399-412) - Gerhard Wallis, Das Hiobbuch - Komplexität und Kontingenz (413-426). Den Abschluss bilden eine Bibliographie Werner H. Schmidt 1995-1999 (427- 429) und ein Bibelstellenregister in Auswahl (431-436).

Es ist an dieser Stelle unmöglich, auf alle Beiträge einzugehen. So kann nur eine subjektive Auswahl getroffen werden, um doch eine Vorstellung von der Fülle und dem Gewicht der in dem Band enthaltenen Untersuchungen zu vermitteln.

Einen deutlichen Schwerpunkt bilden Beiträge zum prophetischen Schrifttum, die neben anderen Themen vor allem traditions- und redaktionsgeschichtlichen Problemen gewidmet sind. Bei den letzteren werden einerseits kompositorische Zusammenhänge und entsprechende Abhängigkeiten eruiert (Jeremias, Meinhold), andererseits aber auch kritische Fragen zu postulierten Zusammenhängen und Abhängigkeiten gestellt (Koch, Thiel). Als Beispiel sei hier nur der Beitrag von Koch hervorgehoben, demzufolge die Überschriften der Prophetenbücher entgegen verbreiteter Meinung nicht auf deuteronomistische Redaktion, sondern auf weisheitliche Tradition zurückzuführen und damit unabhängig von der ersteren und grundsätzlich älter als diese sind. Er beruft sich dabei auf die ägyptischen Weisheitslehren und zieht weitergehende Schlussfolgerungen zum prophetischen Offenbarungsempfang und zur Redaktion der Prophetenbücher. Daneben sind zwei Themen zu nennen, die in enger Verbindung zum prophetischen Schrifttum stehen. Gleich zwei Beiträge sind der Symbolik des Bechers und der Vorstellung vom göttlichen Zornesbecher gewidmet. Die letztere ist nach Schunck im Zusammenhang mit der prophetischen Umdeutung des Tages Jahwes zu einem Unheilsgeschehen entstanden, nach Fuchs dagegen, die das einschlägige Material in den ugaritischen Texten ausführlich darlegt, schon in der dortigen Mythologie angelegt, jedoch im Alten Testament besonders ausgeprägt, zumal auch nur hier ausdrücklich vom Zornesbecher gesprochen wird. Das andere Thema ist die Vorstellung vom "Rest" Israels, zu der Rendtorff eine sehr beachtenswerte Untersuchung beigesteuert hat, in der er vor allem auf das Jesajabuch eingeht und zeigt, dass die Restvorstellung dieses Buch im Zusammenhang mit dem Thema "Zion" in mehreren Varianten und mit unterschiedlicher Wortwahl durchzieht. Entsprechend sind auch andere Aussagen im Alten Testament, etwa vom Übrigbleiben einer begrenzten Zahl von Personen oder über die Gôla, als Zeugnisse einer breit gefächerten und nicht auf eine bestimmte Terminologie festzulegenden Restvorstellung zu verstehen, die nur erfasst werden kann, wenn man von der Endgestalt der alttestamentlichen Schriften ausgeht.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weisheitsliteratur, wobei auch die Frage nach dem Verhältnis des Salomo zugeschriebenen Hohenliedes zur übrigen "salomonischen" Weisheitsliteratur reflektiert wird (Höffken, Kaiser). So ist nach Kaiser die im Letzteren geschilderte Schönheit des Menschen in Verbindung mit Kohelet als eine der guten Gaben Gottes zu verstehen, die dem Menschen für die begrenzte Zeit seines Lebens vergönnt sind. Im Übrigen sei hier nur noch auf zwei Beiträge verwiesen, die beide dem Verständnis des Hiobbuches als ganzen gewidmet sind und sich im Endergebnis auch sehr nahe kommen, sich aber in Methodik und Akzentsetzung unterscheiden. Während Wallis das Gewicht auf Gottes Freiheit legt, die nicht menschlicherseits durch eine berechnende Weisheit eingeschränkt werden darf, zeichnet Reventlow das Bild eines späten Weisen, der wie Kohelet durch eine in der Undurchschaubarkeit göttlichen Handelns gegründete Skepsis geprägt ist, aber mit den Klagen, die er Hiob in den Mund legt, ein Urvertrauen zu Gott bezeugt, das der Skepsis nicht Recht gibt.

Was die Beiträge zu anderen Themen betrifft, so seien noch die folgenden hervorgehoben. Nach Boecker geht es in Ex 23,4 f. um Fürsorge für das Tier, die selbst durch menschliche Feindschaft nicht beeinträchtigt werden darf. Das übliche Verständnis im Sinne von Feindesliebe ist durch den Kontext bedingt, in den die Verse wohl erst später eingefügt worden sind. Mit sehr beachtlichen Gründen setzt sich Graupner dafür ein, dass die Exodusfassung des Dekalogs mit Ausnahme der priesterschriftlich beeinflussten Begründung des Sabbatgebots die ältere ist und samt ihrem Kontext in Dtn 5 aufgenommen und verarbeitet wurde, um auf diese Weise das deuteronomische Gesetz an die Sinaioffenbarung anzubinden und dem Bundesbuch gleichzustellen. Zur Komposition der Davidüberlieferungen steuert Kreuzer eine anregende, im Einzelnen freilich noch genauer zu bedenkende Studie bei. Danach ist die jetzt vorliegende Darstellung auf einen in 1 Sam 13-2 Sam 8 zu suchenden Grundbestand zurückzuführen, an den später mehrere Erzählungsblöcke wie 2 Sam 10-12, 2 Sam 15-20 und 1 Kön 1 f. angefügt wurden, wobei sich erst mit der Anfügung des letztgenannten ein Gesamtwerk ergab, dessen Skopus die Sicherung des Bestandes der davidischen Dynastie ist. Die Anlage dieses Werkes entspricht einem in Israels Umwelt verbreiteten thematischen Muster, wie ein Vergleich mit den westsemitischen Königsinschriften zeigt. Eine sehr instruktive Untersuchung zu Mk 14,24 bietet Schwab. Nach gründlicher Auswertung des einschlägigen Vergleichsmaterials weist er nach, dass tes diathekes hier kein späterer Zusatz ist, da die in der hebräischen oder aramäischen Urform des Abendmahlswortes vorauszusetzende Form der doppelt determinierten Konstruktus-Verbindung (mein Blut des Bundes) auch sonst bezeugt ist und deren erstes Glied (mein Blut) hier dazu dient, die alttestamentliche Vorstellung vom Bundesblut ausdrücklich auf Jesus als den, der einen neuen Zugang zum Gottesbund eröffnet, zu beziehen. Schließlich sei der Beitrag von Metzger genannt, der den alttestamentlichen und außeralttestamentlichen Hintergründen der einzelnen Elemente synagogaler Fußbodenmosaiken nachgeht und deutlich macht, dass jeweils ein geschlossenes Bildprogramm vorliegt, durch das die Zusammengehörigkeit von Schöpfung, Kult und Tora als die heilvolle Ordnung der Welt versinnbildlicht werden soll.

Insgesamt kann nur gesagt werden, dass die Lektüre dieser Festschrift sehr lohnend ist und dass das auch für die Beiträge gilt, die hier nicht eigens angezeigt werden konnten.