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Ausgabe:

März/2003

Spalte:

317–319

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Honnefelder, Ludger, u. Gerhard Krieger [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Philosophische Propädeutik. Bd. 3: Metaphysik und Ontologie.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2001. 358 S. kl.8 = UTB für Wissenschaft, 2081. Kart. ¬ 18,90. ISBN 3-506-99478-6 u. 3-8252-2081-1.

Rezensent:

Michael Wladika

Mit diesem Band wird eine philosophische Propädeutik (vornehmlich für Studierende der katholischen Theologie gedacht) fortgesetzt; Bd. 1 behandelte "Sprache und Erkenntnis" (1994), Bd. 2 "Ethik" (1996).

Ich möchte die Besprechung von Bd. 3: Metaphysik und Ontologie so gliedern: a) der Band als eine Propädeutik insgesamt, b) die einzelnen Beiträge.

a) Anfänger und Fortgeschrittene sollen sich angesprochen finden, es soll Metaphysik "in historischer und systematischer Perspektive" (7) betrieben werden. In erster Linie geht es propädeutisch wohl um Anfänger, in erster Linie wird - und das ist sehr vernünftig - historisch vorgegangen. Dies trifft auf alle fünf Beiträge des Bandes zu. Problematisch ist, dass die fünf Texte nicht aufeinander aufbauen, was, gerade der historischen Anlage in allen Texten wegen, zu Doppelungen führt. Weiterhin fehlt eine Begründung der spezifischen Themenwahl der Beiträge. Weder wird deutlich, dass mit ihnen das Gesamtfeld der Metaphysik in ihrer Geschichte in Grundzügen abgeschritten ist, noch ergibt sich eine klare Linie, eine durchgezogene Auffassung in Bezug auf die Kerninhalte und -lehren der Metaphysik; gerade eine solche aber benötigt der Anfänger zur Orientierung, sonst bleibt alles schwankend. Insgesamt also ist, rein formal betrachtet, der vorliegende Band als Propädeutik problematisch. Viel affirmativer lässt sich zu Momenten der Einzelbeiträge inhaltlich Stellung nehmen.

b) L. Honnefelder eröffnet mit einem Beitrag über "Möglichkeit und Formen der Metaphysik". Man sieht sogleich, was sich auch bei den anderen Autoren zeigen wird: Metaphysik bedeutet hier, historisch gesprochen, primär die aristotelische Metaphysik, näher: diese in ihrer mittelalterlichen Deutungsvielgestaltigkeit. Das ist eine starke, in etlichen Überlieferungssträngen natürlich traditionelle Option, eine gerade für Studenten der katholischen Theologie wohl auch einfach günstige Orientierung (mit einigen Einschränkungen allerdings). Es wird allgemein Wichtiges zu Aristoteles' Metaphysik ausgeführt. Die mittelalterliche Traditionsgeschichte wird dargestellt, vor allem in Explikation stärker ontologischen und stärker theologischen Verständnisses von Metaphysik (der Frage danach also, ob Metaphysik in erster Linie mit dem Seienden als Seiendem oder mit dem in eminenter Weise Seienden sich zu beschäftigen hat): Avicenna, Averroes, Thomas, Duns Scotus, Ockham. Das ist sehr schön. Nur darf man auf der anderen Seite, wenn es um Begriff und Wirklichkeit von Metaphysik gehen soll, neuzeitliche Metaphysik, also vor allem den frühneuzeitlichen Rationalismus nicht (beinahe) ganz vernachlässigen. Noch schlimmer ist, dass Kant nicht verstanden scheint; er wird (auch dies kehrt in anderen Beiträgen wieder) ganz als Metaphysiker gelesen, also verharmlost, brav in die Geschichte der Metaphysik hineingestellt; das, was ihm Revolution der Denkungsart bedeutet, kommt nicht vor. Das Quellenverzeichnis des Beitrags nennt zwei neuzeitliche Texte: die Kritik der reinen Vernunft und den Tractatus logico-philosophicus. Kant und Wittgenstein - die Metaphysiker der Neuzeit?

J. P. Beckmann schreibt über "Das Allgemeine". Der Text ist sehr einführend, schön doxographisch zum Universalienstreit, zu dem Problem jedenfalls antiken und weitgehend auch mittelalterlichen Denkens, dem Verhältnis zwischen dem Allgemeinen und dem Einzelnen. Boethius, Abaelard, Thomas von Aquin, Ockham werden abgehandelt und Bezüge zu neuzeitlichen "platonistischen", konzeptualistischen und nominalistischen Auffassungen hergestellt.

G. Krieger geht nochmals die Geschichte durch, unter dem Titel "Selbständigkeit und Identität. Die Substanz als Gegenstand der Metaphysik". Dieser Beitrag ist derjenige, für den sich der Fortgeschrittene am meisten interessieren wird. Krieger gibt nämlich nicht nur die gründlichste Aristoteles-Darstellung in diesem Band (die Lehre von den Kategorien, von Form und Materie, von Potenz und Akt usf. ausbreitend), sondern er führt auch eine eigenständige, interessante, wenngleich problematische Interpretation der Aristotelischen Lehre von der Substanz durch. Sie ist Entfaltung dieser These: "Die Frage nach der Einheit der Vielheit selbständig existierender Einzeldinge [mündet] in Aristotelischer Sicht in die Frage nach der gemeinsamen und auf diese Weise einheitsstiftenden Existenz der vielen selbständigen Wesensgehalte" (135). Man wird, in Bezug auf das starke Auseinandernehmen von Existenz und Wesensgehalt, sagen müssen, dass eine Rückübertragung hochmittelalterlicher Auffassungen vom Verhältnis zwischen existentia und essentia vorliegt. Und man wird, in Bezug auf die Rede von der einheitsstiftenden Existenz, fragen müssen, ob damit nicht die Aristotelische Substanzlehre doch - für Aristoteles - zu stark theologisiert ist, wie denn diese Theologisierung in der Folge mit mittelalterlichen Denkern weiter dargestellt wird. Aber es ist erfreulich, diese systematisch relevante historische Darstellung zu lesen. Hier haben wir die klare Linie, die dem Band insgesamt abgeht. Problematischer sind die Ausführungen, die Krieger zu Descartes' und Lockes Substanzbegriff folgen lässt; das ist zu kurz, um wirklich gründlich sein zu können, im Einzelnen fragwürdig: Locke wird zu nahe an Descartes herangerückt, Substanz wird in Bezug auf Descartes primär von der res extensa her interpretiert, vor allem aber: Die Diskussion um das Verhältnis zwischen Substanz und Subjekt wird nicht wirklich aufgemacht.

In N. Fischers Text "Die Gottesfrage als Aufgabe der Metaphysik" wird Gott als das Unbegreifliche bestimmt; der Autor sorgt sich darum, Gottes "Unbegreiflichkeit nicht zu beschädigen" (225). Dort, wo das Problematisieren weggegeben wird, in der "Skizze der überkommenen Wege zum philosophischen Aufweis des Daseins Gottes" (246-258), ist der Text doxographisch vorgehend und propädeutisch hilfreich.

Schließlich betrachtet M.-Th. Liske "Das Theodizeeproblem". Es ist dies über weite Strecken eine schöne Abhandlung, zunächst systematisch ausgerichtet das Problem einer Vereinbarkeit von Allmacht sowie Güte Gottes und des Bösen sowie des Leidens entwickelnd, dann historisch orientiert "das klassische Theodizeemodell" (Privatiolehre, Willensfreiheit, uns nicht sichtbare Harmonie) darstellend. Bedauerlich ist nur, dass, nachdem dieser doch nicht ganz unbedeutende Autor zuvor nicht vorgekommen war, auf drei Seiten Unrichtiges zu Hegel erzählt wird und somit jenen Anfängern, die sich an diesem Band orientieren, weitere Erkenntnischancen verbaut werden. Eine wichtige Bemühung dieses Textes allerdings gehört zu demjenigen, was auch für den Fortgeschrittenen interessant ist: die Verteidigung von Leibnizens Lehre von der Theodizee gegen die Lachenden unter seinen Kritikern.