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Ausgabe:

September/1998

Spalte:

852–854

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Donegani, Isabelle

Titel/Untertitel:

"A Cause de la Parole de Dieu et du Témoignage de Jésus ...". Le témoignage selon l’Apocalypse de Jean. Son enracinement extra-biblique et biblique, Sa force comme parole de sens.

Verlag:

Paris: Lecoffre/Gabalda 1997. XI, 578 S. gr.8 = Études Bibliques, N.S. 36. Kart. fFr 350.-. ISBN 2-85021-099-4.

Rezensent:

Mathias Rissi

Das Buch ist eine Dissertation der theologischen Fakultät der Universität Fribourg (mit einem Vorwort von Jean Delorme). Die Vfn., eine römisch-katholische Ordensschwester, unternimmt es, alle Aussagen der Apk über Zeugenschaft zu erklären. Ihr sehr gelehrtes Buch verbindet wissenschaftliche Genauigkeit mit theologischer und glaubensmäßiger Begeisterung. Wie schon der Titel des Buches beweist, vereint D. Zeugenschaft mit der Sinnfrage des individuellen Lebens, der Geschichte und der Welt.

Das Thema der Zeugenschaft wird in zwei Hauptteilen entfaltet. Der erste Teil umfaßt 4 Kapitel, deren erstes philosophisch-theologisch ausgerichtet ist. An einigen Beispielen aus Geschichte und Gegenwart soll Zeugentum als Frage nach dem Sinn der Existenz und der Geschichte aufgewiesen werden. Das zweite Kapitel versteht D. als Vorbereitung und Hintergrund des Verständnisses des Zeugenthemas in der Apk: eine Darstellung des Themas im klassischen und hellenistischen Griechentum, gefolgt von einer Untersuchung des AT und frühchristlicher Schriften im dritten Kapitel. Den Schriften der johanneischen Schule gilt das vierte Kapitel.

Erst der zweite Hauptteil (ca. 172 von 496 Seiten) beschäftigt sich mit dem eigentlichen Thema des Buches, der Apk. Abgeschlossen wird die Arbeit von vier Beilagen über verschiedene Probleme hebräischer und griechischer Zeugenbegriffe.

Der Reichtum und die Komplexität der im Buch aufgenommenen und diskutierten Themen und Texte macht es unmöglich, in einer kurzen Besprechung auf Einzelheiten und in eine Auseinandersetzung einzutreten. Es kann sich hier nur um Zusammenfassungen und Anzeigen des vielgestaltigen Inhalts handeln.

Das erste Kapitel des ersten Hauptteils beginnt mit einigen Betrachtungen über Zeugnisse des Suchens nach Sinn und Hoffnung in einer scheinbar sinnlosen Weltwirklichkeit. D. exemplifiziert dies an einigen Beispielen, so am philosophischen Zeugnis des einsam auf sich selbst geworfenen Menschen (Epiktet und Comte-Sponville). Anders die Haltung des Sokrates im Angesicht des Todes und das Zeugnis des Psychiaters Frankl, der in der Mitte seiner tragischen Erlebnisse im Konzentrationslager an der Offenheit des Menschen für eine transzendente Dimension und am Zeugnis der Liebe festgehalten hat. Ihm gilt eine längere, eindrückliche Würdigung. Als theologische Zeugen werden Augustin und G. Marcel besprochen. Das Denken der drei modernen Zeugen "marqe comme autant d’étapes et paliers qui conduisent de l’athéisme à la foi en Dieu" (48).

Im zweiten Kapitel findet D. verwandte Situationen im klassischen und hellenistischen Griechentum. D. untersucht den Gebrauch des Wortfeldes "Zeuge-Zeugnis" und seine Verbindung mit der Suche nach Wahrheit in Historiographie und in juristischen Kontexten. Ein längerer Abschnitt gilt dem Verständnis der Zeugenschaft in Platos Werken, besonders im Prozeß des Sokrates. Als Zeugen der Wahrheit und Freiheit sieht ihn D. als Vorausdarstellung des Christus. D. bezeichnet "les grandes intuitions philosophiques et découvertes spirituelles grecques comme les pierres d’attente de la Révélation" (119).

Das dritte Kapitel führt in das AT und fragt nach dem Verständnis der Zeugenschaft, das sich hier um den Sinn des Lebens müht. Die ausführliche Beschäftigung mit dem AT bildet eine in sich geschlossene Arbeit, die auf zahlreiche Probleme der Interpretation eingeht (oft weit über den Rahmen der Zeugnis-Sinn-Frage hinaus). Das Kapitel wird eingeleitet mit lexikographischen und semantischen Untersuchungen des Zeugenthemas und seiner verschiedenen hebräischen Vokabeln. Behandelt wird der Gebrauch des Zeugenthemas im Rechtsdenken und in der Frage der ethischen Qualitäten der Zeugen.

Als "structure centrale de l’AT" beschreibt D. den Bundesgedanken mit seinen entscheidenden Elementen und den verschiedenen Funktionen seiner Zeugen.

Abgeschlossen wird der Abschnitt über das AT mit einer knappen Einführung in das Zeugenthema in LXX. Für das Verständnis von Apk 15,5 ist der Beitrag über martyrion (Zelt des Zeugnisses statt mo’ed) wichtig. Weitere Probleme der altgriechischen Übersetzung werden nicht diskutiert, so wenig wie das Zeugenthema in griechisch-jüdisch-apokalyptischen Schriften.

Das vierte Kapitel befaßt sich mit den Schriften des NT, in denen das Zeugenvokabular eine besondere Rolle spielt: die Schriften der "johanneischen Schule" (Johannesevangelium und Briefe), die nach D. "préparent et inspirent à plus d’un titre la théologie de l’auteur de l’Apocalypse" (211). D. stützt sich in ihrer Auslegung der johanneischen Schriften hauptsächlich auf französische Beiträge; man vermißt wichtige deutsche und englische. Das Johannesevangelium erhält nur eine synchronische Erklärung. - Zum Zeugenthema werden systematisch die Subjekte und Objekte der Zeugnisse besprochen (der Vater als Grund und Quelle aller Offenbarung über den Sohn, Johannes der Täufer, die Schriften, Jesu Werke, der Heilige Geist). Jesus ist nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Zeugnisse. Er zeugt für sich selbst und damit für die Wahrheit, durch die er König ist. Neben Jesus als Zeugen treten seine Jünger. In einem längeren Exkurs wird der eine Hauptzeuge, der "Jünger, den Jesus liebte", besprochen als "personnalité corporative du croyant, type et modèle de tout témoin" (255).

Was der Titel des Buches als Hauptsache anzeigt, wird erst jetzt im zweiten Hauptteil aufgenommen: die Zeugnisaussagen der Apk. In der Auslegung dieser Schrift zeigt sich, wie wenig aus den beiden "Monographien" über die griechische und alttestamentliche Zeugenschaft als Hintergrund der Zeugenaussagen der Apk verstanden werden kann.

Einführend gibt D. einen Überblick über die wesentlichsten historischen Fragen, der nichts Neues enthält und in traditionellem Rahmen gehalten ist. Für das Problem der Struktur des Buches hält sich D. besonders an Vanni und Gourgues (Verbindung von linearer Entwicklung des dargestellten Geschehens mit Rekapitulation in verschiedenen Bildern).

Das Thema der Zeugenschaft wird in zwei Kapiteln entfaltet: das Zeugnis Jesu und der Christen. Alle Zeugenstellen der Apk werden im Rahmen des Kontextes erklärt.

Jesus erscheint zum ersten Mal im "liturgischen Dialog" 1, 4-8.(Einen liturgischen Dialog möchte D. auch in 22,6-21 finden, aber ihre Aufteilung auf verschiedene Stimmen scheint mir völlig ungenügend).

Mit guten Gründen werden die in 1,5 erscheinenden 7 Geister als Bildform des Gottesgeistes verstanden (nicht als Engel, wie oft behauptet wird). Sie sind zusammen mit dem Allumfassenden und dem treuen Zeugen Jesus die Quelle der eschatologischen Gottesgaben. Bestätigend könnte auch auf die Besonderheit des Bildes der Geister in 4,5 hingewiesen werden (was bisher, auch von D., nicht beachtet worden ist): Auch dort bilden die 7 Geister mit dem Thron Gottes eine Einheit. Darum gehören sie in der Apk nie zum Hofstaat des Himmels, wo immer dieser Hofstaat der Engelmächte genannt wird! Apk unterscheidet den innersten Kreis der Gottheit, zu dem die 7 Geister gehören, von den sie umgebenden Ältesten und Wesen (abgetrennt durch die Manifestationen der göttlichen Herrlichkeit und Gerechtigkeit (4,5a) sowie durch die Nennung des Kristallmeeres (4,6a).

Die Prädikationen des Christuszeugen in 1,5 und 3,14 werden sorgfältig exegesiert. Sie geben Anlaß zu einer allgemeinen Erforschung der Bedeutung des Christus in den sieben Briefen.

Besondere Beachtung findet die Formel "das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu". Die Bedeutung der Genetive und ihr kontroverses Verständnis in der Auslegungsgeschichte wird in längeren Ausführungen überdacht. D. entscheidet sich in allen Fällen für subj. Gen.

Das Zeugnis der Christen sieht D. in Apk 10,1-10,13 modellartig dargestellt. Diese Verse enthalten eine ganze Theologie des christlichen Zeugendienstes. 10,1-11,13 ist (wie 7,1-17) Zwischenstück, das den Fluß des eschatologischen Geschehens aufhält. 11,1-13 bildet den Inhalt des Büchleins von 10. Die Erzählung der zwei Zeugen hat zeit- und übergeschichtliche Bedeutung. Die Stadt ist Jerusalem und gleichzeitig Rom, der Tempel die Kirche und die beiden Zeugen sind Bild der prophetischen Mission der Kirche in der Welt. Was die prophetische Verkündigung sein soll, wird nicht aus der Geschichte der zwei Zeugen herausgelesen, sondern allgemein bestimmt: "selon le sens biblique du terme, de donner au monde une parole de sens qui éclaire la marche de l’homme et lui permet de discerner les événements présents à la lumière de Dieu" (458).

Es gelingt D. sehr schön zu zeigen, daß das Zentrum der Botschaft der Apk der Urzeuge Jesus ist, Ursprung und Kraft des christlichen Zeugnisses. Das Thema, das schon am Anfang des Buches angeschlagen wird, ist die Frage nach dem Sinn in Anfechtungen und schwer verständlichen Ereignissen. Das prägt mehr oder weniger die ganze Arbeit und so auch die Darstellung der Zeugenschaft in der Apk. "Jean veut donner sens au présent" (470). Ob das richtig ist? Die Märtyrer von 6,9-11 fragen nicht "warum?", sondern "wie lange?". Die Sorge des Johannes kreist nicht um die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Geschichte, sondern - wie die sieben Briefe beweisen - um die notwendige Treue im Zeugnis und Leben der Gemeinde in einer verführerischen hellenistischen Kultur. Aber diese Frage mindert nicht die Bedeutung des Buches mit seiner Fülle von Beobachtungen.