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Ausgabe:

März/2003

Spalte:

308 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Anglet, Kurt

Titel/Untertitel:

Der eschatologische Vorbehalt. Eine Denkfigur Erik Petersons.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2001. 186 S. gr.8. Kart. ISBN 3-506-70407-9.

Rezensent:

Peter Amberg

Die Wiederentdeckung des im Jahre 1930 zum Katholizismus konvertierten ehemaligen Bonner Neutestamentlers Erik Peterson spiegelt sich nicht nur in der Herausgabe seiner Schriften durch Barbara Nichtweiß, sondern nun auch durch das Erscheinen einer interessanten Monographie über die von Peterson geprägte Denkfigur des eschatologischen Vorbehalts wieder.

Anglet behandelt in vier Kapiteln Petersons Kritik des modernen Offenbarungsbegriffs, die christologische Präfiguration und die sakramentale und christologische Konzeption des eschatologischen Vorbehalts. Abgeschlossen wird die Monographie mit einer Reflexion über den alten und neuen Äon bei Peterson.

Der eschatologische Vorbehalt gilt nach Peterson für den Zeitraum von der Auferstehung Jesu Christi bis zur leiblichen Auferstehung der Gläubigen am Ende der Zeiten, wenn Jesus Christus wiederkehrt und Gott sein Reich vollendet. Erst von diesem Geschehen her, erst vom Jüngsten Tag her, kommt es zur endgültigen Enthüllung der Geschichte und aller Biographien. Der eschatologische Vorbehalt bestehe auch "gegen den Versuch einer ontologischen Selbstergründung des Seins aus der Geschichtlichkeit menschlichen Daseins" (91), wie sie z. B. von Heidegger vertreten wird. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Zeit. Er wird von A. dahingehend verdeutlicht, dass die kosmische Zeitdimension alle menschliche Vorstellung sprengen würde. Nur im Tod gebe es eine Annäherung, da es unerheblich sei, ob man ein oder hundert Jahre tot sei, "da ihre Dauer angesichts der Ewigkeit, die sich vor uns auftut, einer verschwindenden, asymptotischen kleinen Größe gleicht" (139). Die eschatologische Zeit sei aber durch den Jüngsten Tag begrenzt.

Taufe und Abendmahl, als die wesentlichen Sakramente, stellen die Fundamente der Zeit bis zur Wiederkunft Jesu dar. Damit zeigt sich ein Aspekt, der von Bedeutung auch für das ökumenische Gespräch sein könnte.

A. kennzeichnet Peterson als einen Denker, der in eindrucksvoller Sprachmächtigkeit zentrale Grundsätze des Glaubens gegen den Zeitgeist behauptet und durchgehalten hat. Dabei unterzieht der Autor auch die heutige Verfasstheit der Kirche einer Kritik, die sich natürlich in erster Linie auf den römisch-katholischen Bereich bezieht, jedoch die evangelischen Kirchen ebenso betrifft: "Und ist es nicht bezeichnend, wie wenig in der Kirche heute von Auferstehung die Rede ist? Zerstreiten sich ihre Glieder nicht über alle denkbaren moralischen und politischen Fragen? Immerhin ist im Kreuz Christi das Gedächtnis unserer Erlösung gegenwärtig. Aber wie tröstlich ist es doch, dass bei dem Apostel Paulus der parallelismus membrorum, der das Kreuz Christi mit unserem Kreuz verbindet, mit Blick auf unsere künftige Auferstehung durchbrochen ist" (105). Diese Kritik erfasst einerseits zutreffend den Rückzug der verfassten Kirchen in der Frage der Verkündigung der fundamentalen Glaubensgrundlagen und bietet andererseits leider keinen Hinweis wie das, was Peterson zu sagen hat, heute zu vermitteln ist. Für das Wirken der Kirche in der heutigen Zeit zitiert A. aus einer von ihm transkripierten Vorlesung Petersons zum 1. Korinterbrief: "In der Kirche sind gerade die Unbeachteten von besonderer Wichtigkeit ... Die Kirche kann gerade auf sie nicht verzichten, auf die doch Staat und Gesellschaft unter Umständen verzichten können. Und darum geht dann die Kirche auch in die Gefängnisse, Krankenhäuser und Irrenhäuser ... um sich von ihnen helfen zu lassen, aus der Erinnerung heraus, dass diese Gefangenen, Kranken und Irren zu ihr gehören, soweit sie getauft sind; und dass sie der Kirche so notwendig sind wie alle die anderen, die mit den mannigfaltigen Charismen ausgestattet das Licht jener geistlichen Gaben nicht nur in der Kirche, sondern auch in Staat und Gesellschaft erstrahlen lassen" (159). Diese Entschiedenheit ist einer der wichtigen Anstösse, die von Erik Peterson ausgehen. A. hat mit seinem Buch einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, Petersons Denken heute wieder neu bekannt zu machen.