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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

220–222

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Möring-Plath, Burkhard

Titel/Untertitel:

Das Symbol und die unterrichtete Religion. Eine Grundlegung für ein religionspädagogisches Symbolkonzept.

Verlag:

Münster-Hamburg-Berlin-London: LIT 2001. X, 325 S. gr.8 = Symbol - Mythos - Medien, 3. Kart. ¬ 25,46. ISBN 3-8258-5116-8.

Rezensent:

Manfred Pirner

Mit seiner von W. Gräb betreuten, vom Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Bochum angenommenen Dissertation hat sich der Vf. ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: "Wie muß ein Symbolkonzept aussehen, das sich sowohl religions- als auch kulturtheoretisch verantwortet, das also sowohl der inhaltlichen Bestimmung der Religion als auch der Tatsache gerecht wird, daß sich Religion nur im Kontext von Kultur vermitteln kann?" (6) Angesichts der weit verzweigten und teilweise tiefgreifenden symboldidaktischen Diskussion erscheint es nicht leicht, auf diesem Gebiet noch etwas Neues zu erarbeiten, zumal mit den Hauptbezugsgrößen des Vf.s: Friedrich Schleiermacher, Ernst Cassirer und Charles Sanders Peirce, die bereits ausgiebig für die symboldidaktische Theoriebildung herangezogen worden sind. Insofern ist der Leser gespannt, wie der Autor seinen Anspruch einlösen wird.

In einem ersten Teil der Arbeit ("Problemstellung") werden zunächst die beiden bekannten symboldidaktischen Konzepte von Halbfas und Biehl im Kontext des heutigen Religionsunterrichts und seiner Probleme dargestellt und mit einem Akzent auf dem von ihnen verwendeten Religionsbegriff analysiert. Den über zweihundertseitigen Hauptteil ("Durchführung") bilden ausführliche und detaillierte Analysen zu "Kultur, Religion und Symbol bei Schleiermacher, Cassirer und Peirce", worauf abschließend auf rund dreißig Seiten religionsdidaktische "Konsequenzen" folgen.

Inhaltlich geht der Vf. aus von den Widersprüchlichkeiten und Spannungen, die sich in der symboldidaktischen Diskussion, vor allem zwischen Halbfas, Biehl, Hans-Martin Gutmann und Michael Meyer-Blanck, zeigen, obwohl ihre Grundanliegen ähnlich gelagert scheinen. Zentral ist hier insbesondere die unterschiedliche Betonung und Zuordnung von individuell-subjektiven Symbolisierungen und kulturell-objektiven Symbolgehalten sowie deren jeweilige Bestimmung als "religiös". Mit der Intention, die bisherigen Defizite der symboldidaktischen Theoriekonzepte aufzuheben, bemüht sich der Vf. um eine umfassende Verhältnisbestimmung von Kultur, Symbol und Religion, welche eine grundlegende Erfassung der Beziehung zwischen dem Individuellen und dem Allgemeinen im Medium des Symbolischen und im Bezug auf das Religiöse erlaubt. Ansätze dazu findet er zunächst bei Schleiermacher und dessen Theorie des individuellen religiösen Symbolisierens, welche sowohl die Notwendigkeit der Subjektivität des religiösen "Gefühls" - und dementsprechend seine prinzipielle Unübertragbarkeit - beschreibt wie die ebenso notwendige intersubjektive Allgemeinheit des religiösen Gefühls, deren wichtigstes Kommunikationsmedium deshalb die Kunst darstellt. Der Vf. sieht allerdings bei Schleiermacher das Hauptproblem, wie die von ihm behauptete Unmittelbarkeit des religiösen Gefühls mit der notwendigen Sprachlichkeit und Reflexivität der menschlichen Verfasstheit vermittelt werden kann.

Deshalb greift er nun auf Cassirer zurück, der bekanntlich von der Bewusstseinsphilosophie zur Kulturphilosophie überleitete, indem er sich dem "Zwischenreich" zwischen Ich und Welt, dem Reich der menschlichen Symbolisierungen zuwandte. Trotz dessen weiter führenden Untersuchungen zum Verhältnis von Symbol und Kultur stellt der Vf. fest, dass "Religion" bei Cassirer nicht eigentlich als eigenständige symbolische Form gefasst ist; entweder stellt das Symbol die "letzte Wirklichkeit" dar und ist darum Mythos, oder es stellt die Frage der letzten Wirklichkeit bewusst zurück und wird damit zum freien Spiel der Kunst. Cassirer habe "keinen hinreichenden Begriff und keine hinreichende Erklärung dafür, dass das religiöse Bewusstsein mit den gebrochenen Mythen nicht nur umgeht, sondern diese auch dann in Kraft bleiben, wenn sie als Kulturschöpfungen erkannt sind" (221).

Die Lösung dieses bleibenden Problems erwartet sich der Vf. nun von Peirce und seiner Zeichentheorie, der es seiner Meinung nach gelingt zu zeigen, wie Gegenstandsbezogenheit und Subjektbezogenheit gleichsam "nur zwei Seiten einer Medaille" sind (223). Auf der Basis der Peirceschen Semiotik wird eine dreifache Fehleinschätzung zurückgewiesen, nämlich zum ersten jene, eine symbolische Repräsentation verweise bereits per se auf das "objektive" Vorhandensein des Repräsentierten, zum zweiten die andere Fehleinschätzung, "dass Symbole von sich aus, aufgrund ihrer inneren Eigenschaften etwas repräsentieren" (273), und zum dritten jene Fehleinschätzung, welche Interpretation psychologistisch als je individuelle Handlung von Symbolbenutzern in unterschiedlichen Situationen missversteht. Insofern wird für den Vf. im Rahmen einer semiotischen Interpretation auch die traditionelle Alternative zwischen Offenbarungstheologie und Erfahrungstheologie überwindbar, "weil Offenbarung zurückgebunden wird an einen Zeichenprozeß auf der Grenze zwischen sinnlicher Wahrnehmung und schlußfolgerndem Denken" (282). Gott werde nicht hinter oder neben den Zeichenprozessen behauptet, sondern könne in ihnen gedacht werden, ohne dass damit die Wahrheitsfrage suspendiert würde. Für die Symboltheorie bedeute dies, dass ein ontologisch bestimmter Symbolbegriff überwunden werden könne, "ohne die reale Wirksamkeit von Zeichenprozessen zu entkräften und Zeichenprozesse im Spiel der Bedeutungen aufgehen zu lassen" (282).

Dass sich hieraus weit reichende Konsequenzen für eine religionspädagogische Symboldidaktik ziehen lassen, liegt auf der Hand. Nur einige zentrale können noch kurz angedeutet werden. Insofern Religion grundlegend auf der symbolisierenden Tätigkeit des Menschen beruht, ist für den Vf. jede Religionsdidaktik immer auch Symboldidaktik. Im Anschluss an Wilhelm Gräb fasst er das Religiöse in Symbolisierungsprozessen als eine zugleich individuelle und kulturell vermittelte Weltdeutung, die letztinstanzlichen und verhaltensbestimmenden Sinn produziert. Dementsprechend sollen im Religionsunterricht die Schülerinnen und Schüler als "Zeichenproduzenten" ernst genommen werden, "die ganz bestimmte Weltzugänge repräsentieren" (300). Andererseits soll mit den Jugendlichen gemeinsam die Wirksamkeit von Zeichenprozessen in deren Lebenswelt, vor allem in den Massenmedien, untersucht und wahrgenommen werden. Noch einmal grenzt sich der Vf. hier sowohl gegen ontologisierende Tendenzen (Halbfas, Biehl, Gutmann) als auch gegen subjektivistische Tendenzen (Meyer-Blanck) ab: "Wahrheitsfrage und Zeichenprozeß fallen nicht auseinander, sondern die zeichenhafte Verfaßtheit aller Zugänge zur Wirklichkeit, auch der religiösen, wird im Religionsunterricht vorausgesetzt" (302). Insofern sei symboldidaktisch ausgerichteter Unterricht immer ein offener Unterricht mit dem Ziel, dass Schülerinnen und Schüler "eigene religiöse Symbolisierungen vornehmen können", die dann nicht auf ihre theologische Wahrheit und Richtigkeit befragt werden, sondern eher daraufhin, "ob sich in ihnen plausible Deutungen des eigenen Lebenszusammenhanges hinsichtlich der Zerrissenheit des Widerfahrenen finden lassen" (302).

Alles in allem ein kluges Buch, das wichtige Anstöße gibt, allerdings - vor allem in den ausführlichen, nicht gerade einfachen philosophischen Interpretationen - auch einiges an Mühe und Geduld abverlangt. Die Mühe lohnt sich aber jedenfalls auch dann, wenn man nicht mit allen Folgerungen des Autors im Schlussteil einverstanden ist. Insbesondere wird zu diskutieren sein, ob er den "linguistic turn", dem er sich mit Cassirer und Peirce verschrieben hat, wirklich bis zum Schluss durchgehalten hat.