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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

206–208

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

McGrath, Alister E.

Titel/Untertitel:

A Scientific Theology. Vol. I: Nature.

Verlag:

Edinburgh-New York: Clark 2001. XX, 325 S. 8. Geb. £ 25,00. ISBN 0-567-08791-3.

Rezensent:

Hans Schwarz

Dieser erste Band einer Trilogie, die der Autor 1976 begann, will das Verhältnis zwischen christlicher Theologie und den Naturwissenschaften ausloten, um zu sehen, inwieweit die Grundvoraussetzungen naturwissenschaftlicher Arbeit für die Theologie dienstbar gemacht werden können. Dabei ist diese Untersuchung keine Arbeit in der Systematischen Theologie, sondern "eine systematische Arbeit der Theologie", die sich eher mit Grundsatzfragen als mit Inhalten beschäftigt (XIX).

Für dieses interdisziplinäre Projekt ist McG. vozüglich vorbereitet. Als Professor der Historischen Theologie an der Universität Oxford in England hat er sowohl in Theologie promoviert als auch in Philosophie mit einer Arbeit in Molekularbiophysik. Dieser erste Band ist Thomas F. Torrance gewidmet, der als "Barthianer" eine wissenschaftliche Theologie propagierte. Wissenschaftlich ist hier im Sinne der Wissenschaftlichkeit in Analogie zu den Naturwissenschaften zu verstehen. Der Autor ist überzeugt, dass "die Naturwissenschaft heute der christlichen Theologie genau die Rolle anbietet, die der Platonismus unseren patristischen und der Aristotelianismus unseren mittelalterlichen Vorfahren anbot" (7). Die christliche Theologie hat sich immer philosophischer Hilfsmittel bedient. Dies ist nach McG. auch heute für die Theologie geboten. Dabei nimmt McG. allerdings Anstöße der Naturwissenschaften auf, denn, wie viele fanden, "gibt die Objektivität, die von den Naturwissenschaften gesucht wird, ihren Überlegungen Stabilität und einen gesunden Menschenverstand" (18). Der Autor, der von einer "evangelical perspective" her schreibt und darauf besteht, dass "theology must be nourished and governed at all points by Holy Scripture" (XIX), bedient sich bei seiner Argumentation der ganzen Bandbreite der christlichen theologischen Tradition, wobei die Kirchenväter und Calvin besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Zur Herausarbeitung eines positiven Bezugs zwischen Theologie und Naturwissenschaften beginnt McG. bei der Lehre von der Schöpfung, wobei er Schöpfung nicht theistisch, sondern trinitarisch versteht. Hier wird deutlich, dass er die "traditionelle bekenntnisgebundene christliche Orthodoxie betont, deren grundlegende Ideen in den klassischen Bekenntnissen der Christenheit bezeugt und die als lebendig erfahrene Wirklichkeiten durch die großen Traditionen der christlichen Theologie verteidigt wurden, des Katholizismus, der Orthodoxie und des Evangelikalen" (35). Er betont, dass es an der Zeit ist, den Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften von der "babylonischen Gefangenschaft" der Prozesstheologie zu befreien, die in der "scientific community" im engeren Sinne unglaubwürdig ist (41).

Der Autor geht von einer realistischen Perspektive in der Theologie und den Naturwissenschaften aus, denn wahre Erkenntnis ist "eine wirkliche Enthüllung dem Geist gegenüber von dem, was objektiv wirklich ist" (76). Es kann in beiden Bereichen zu wirklicher Erkenntnis kommen, obwohl der Autor betont, dass "sowohl die naturwissenschaftlichen Theorien als auch die christlichen Lehren eine Entwicklung durchgemacht haben" (64). Diese Entwicklung zeigt der Autor am Naturverständnis auf, ausgehend vom allgemeinen Verständnis der Natur in der klassischen griechischen Antike bis hin zum naturalistischen Ausschluss der Transzendenz in der Moderne. Er betont dabei, dass unser Verständnis der Natur auch gesellschaftlichen und kulturellen Einflüssen unterliegt. In scharfer Unterscheidung von Wolfhart Pannenberg bleibt er theologisch nicht bei der Natur stehen, sondern beginnt mit dem christlichen Verständnis der Schöpfung. Von den Genesis-Berichten über die prophetische Tradition, die Weisheitsliteratur, das Neue Testament und die christliche Tradition spannt er den Bogen, um bei T. F. Torrance zu enden. Dieser betont anhand der creatio ex nihilo, dass die Ordnung des Universums eine göttliche Rationalität reflektiert. Damit zeigt sich, dass Gott im Akt der Schöpfung keinen externen Einflüssen ausgesetzt war.

Im nächsten Kapitel zieht McG. diese Linien noch weiter aus. Er entgegnet auf Feuerbachs Projektionshypothese, dass das Sehnen des Menschen nach Gott selbst ein Werk Gottes ist und "als ein Aspekt der Heilsökonomie angesehen werden muß" (209). Andererseits weist er auf die Regelmäßigkeit und Verständlichkeit der Welt hin, die von den Naturwissenschaften und der christlichen Theologie aufgezeigt werden. Mit Emil Brunner versteht er die Naturgesetze als Ordnungen Gottes für die Schöpfung, und er sieht die Schönheit der Natur, wie sie in den naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten und auch in der Verherrlichung der Schöpfung in der Theologie (bes. Calvin) betont wird (vgl. 236). Schade, dass der Autor die lutherische Tradition mit Paul Gerhardt unerwähnt lässt, wie er auch sonst weit mehr den Calvinismus als das Luthertum in seine Überlegungen einbezieht.

Schließlich fragt sich McG., wozu eine natürliche Theologie dienen soll, auf die seine ganze Untersuchung hinausläuft. Wenn "sich eine natürliche Theologie mit der menschlichen Sehnsucht befaßt, Gott mit den Mitteln der Menschheit finden zu wollen" (270), dann würde er in Übereinstimmung mit Barth solch ein Unterfangen ablehnen. Doch findet er mit Calvin, dass der Mensch etwas von Gott aus der Natur erkennen kann. Dies ist aber kein von Gott unabhängiger Weg der Gotteserkenntnis, sondern McG. betont mit Torrance, dass "eine natürliche Theologie selbst als ein untergeordneter Aspekt einer geoffenbarten Theologie" angesehen werden muss (281). "Eine legitime christliche natürliche Theologie interpretiert die Natur in einer christlichen Weise - nämlich als Gottes Schöpfung" (295), ist das Fazit McG.s. Dabei kommt diese natürliche Theologie innerhalb dessen zu stehen, was man als geoffenbarte Kenntnis Gottes bezeichnen kann. Außerhalb dieser Grenzen gibt es keine autonome Disziplin einer natürlichen Theologie. Eine solche natürliche Theologie ist jedoch wichtig, denn als wissenschaftliche Theologie "besitzt sie die Fähigkeit, Fragen außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen anzusprechen" (304). McG. will mit seinem Projekt, eine christliche natürliche Theologie zu erarbeiten, die Theologie aus der Ghetto-Existenz herausführen und sie in der Öffentlichkeit wieder zur Sprache kommen lassen. Wer die britische intellektuelle und gesellschaftliche Lage kennt, weiß, dass dies dort dringend nötig ist und auch bei uns immer unverzichtbarer wird.

Beeindruckend ist an dem vorliegenden Werk die Sorgfältigkeit der Argumentation und die akribische Dokumentation in den Anmerkungen mit einer Fülle relevanter neuer Literatur. Man darf gespannt sein, wie der Autor die nächsten zwei Bände gestaltet.