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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

180–182

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Winkelmann, Friedhelm

Titel/Untertitel:

Der monenergetisch-monotheletische Streit.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-Bruxelles-New York-Oxford-Wien: Lang 2001. XVIII, 307 S. 8 = Berliner Byzantinistische Studien, 6. Lw. ¬ 50,10. ISBN 3-631-37377-5.

Rezensent:

Klaus Fitschen

Der Streit um die Einung der Energien und der Willenskräfte der göttlichen und menschlichen Natur Jesu Christi im 7. Jh. mag im allgemeinen dogmengeschichtlichen Bewusstsein in die Zeit nach dem Abschluss des christologischen Streites gehören. Diese Sichtweise, inzwischen unübersehbar durch das von Alois Grillmeier begründete und von Theresia Hainthaler fortgeführte Standardwerk "Jesus der Christus im Glauben der Kirche" aufgebrochen, kann sich allerdings noch nicht einmal dadurch rechtfertigen, dass sie scheinbar "westlich" geprägt ist. Vielmehr hat der monenergetisch-monotheletische Streit auch den Westen erschüttert, denn Rom war zu dieser Zeit ein byzantinisches Bistum, und auch im Westen blieben Maximus der "Confessor" und die "Honoriusfrage", also die abschließend erfolgte Verurteilung des römischen Bischofs Honorius als Parteigänger der Monenergeten und Monotheleten dem kirchengeschichtlichen Bewusstsein präsent. Andererseits verstellt die tatsächlich seit Leo dem Großen immer wieder gern behauptete exklusive westliche Deutungskompetenz der Beschlüsse des Konzils von Chalkedon 451 den Blick auf die dramatischen Ereignisse im christlichen Osten, die unmittelbare Folgen für das Schicksal des christlichen Orients, aber auch für das mittelalterliche Verhältnis von römischer und byzantinischer Kirche hatten.

Der 1. Teil des Buches bietet auf 44 Seiten eine knappe und aus der Fülle der Forschung gespeiste Darstellung des Ablaufs und der Hauptprobleme dieses nicht nur theologischen Konfliktes. Dass die Theologiegeschichte ein unentbehrlicher Bestandteil der Byzantinistik ist und andererseits auch nicht von politikgeschichtlichen Fragen getrennt werden kann, zeigt also auch dieser Band der "Berliner Byzantinistischen Studien". Im Zusammenhang der Klärung der Forschungs- und Quellen- lage (1.1.) wird auch die übliche Wahrnehmung dieser Phase als eines ausschließlich byzantinisch-innenpolitischen Machtkampfes problematisiert. Es zeigt sich ferner wie so häufig, dass viele Quellen nur durch die späteren Sieger, also Maximus Confessor und seine Anhänger, überliefert sind.

In einem weiteren Teilkapitel wird "Das theologische Streitobjekt" vorgestellt (1.2.): Die neuen Streitigkeiten, formell, wenn auch nicht theologisch befriedigend beendet durch die auf dem VI. Ökumenischen Konzil von 680/81 festgeschriebene Lehre von den zwei Willen in Christus und der Unterordnung des menschlichen unter den göttlichen, vollzogen sich innerhalb der seit Justinian geförderten neuchalkedonensischen Bewegung, waren also kein Kampf der "Orthodoxen" gegen die "Monophysiten". Die Verlierer mussten sich dann allerdings ganz typisch unter die älteren Ketzer wie Apollinaris, Eutyches und Dioskoros einreihen lassen. Die Streitigkeiten fügen sich also ein in die byzantinischen Versuche, dem Chalkedonense gerade im Dialog mit den orientalischen Kirchen durch eine weiterführende Interpretation neue Geltung zu verschaffen. Diese Versuche waren, so die Nachzeichnung der politischen Aspekte und Hintergründe (1.3.), ein Beitrag zur inneren Einheit des Reiches, die nach dem Sieg über das persische Sassanidenreich 628 neu befestigt werden sollte und die durch die arabische Expansion, aber auch durch Abspaltungstendenzen in Italien und Nordafrika alsbald zur Überlebensfrage wurde. Die Protagonisten des Antimonenergismus und Antimonotheletismus waren Mönche, die durch die arabische (bzw. wie Maximus Confessor schon durch die persische) Expansion aus dem Orient, vorwiegend aus Palästina, vertrieben wurden und im byzantinischen Nordafrika und Italien eine neue Heimat fanden. In ihren Augen waren die Konstantinopler Patriarchen den Kirchen im Orient, zuletzt durch einen Unionsversuch im Jahre 633, zu weit entgegengekommen. Nach dem Verlust des Orients an die Araber wurde dieser Kampf mit römischer Beteiligung als Kampf des Westens um die Unabhängigkeit von Byzanz weitergeführt, und Maximus Confessor wurde zum Vorkämpfer dieser Bestrebungen: "Ich liebe die Römer, weil ihr Glaube der meine ist; ich liebe die Griechen, weil ihre Sprache die meine ist" (242 f.).

Grundlegende Fakten werden im Teilkapitel "Der historische Ablauf" (1.4.) dargeboten. Hier zeigt sich, dass die Verurteilung der Monenergeten und Monotheleten zwar eine (wenn auch nur vorläufige) Versöhnung mit dem Westen ermöglichte, dass aber neben dem Konstantinopler Patriarchen auch die von Alexandria und Antiochia ins Abseits gerieten und dadurch der Graben zu den Christen im inzwischen arabisch dominierten Orient nur noch tiefer wurde.

Die Quellenregesten in Teil 2 sind sorgfältig nach den Rubriken Texteditionen, Fragmente, Testimonien, Forschungsliteratur, Inhaltsangabe, Datierung und Bemerkungen dokumentiert; teilweise werden neusprachliche Übersetzungen zitiert und Echtheitsfragen diskutiert. - Die prosopographischen Hinweise in Teil 3 enthalten instruktive Kurzbiogramme und schlüsseln zusammen mit einer Zeittafel und einem Glossar die Darstellung in Teil 1 weiter auf. Ein Stellen- und ein Sachregister erschließen die Darstellung und das beigegebene Material. Grundlegende Literatur ist im Abkürzungsverzeichnis zu finden, spezielle an der entsprechenden Stelle.

Friedhelm Winkelmann, seit langen Jahren als evangelisch-theologischer Vertreter einer sozusagen ökumenischen Mediävistik bekannt, hat nach einigen Vorarbeiten hiermit nicht nur einen bündigen und sachkundigen Überblick über diese letzte Phase der spätantik-frühbyzantinischen christologischen Streitigkeiten vorgelegt, sondern durch die Präsentation der Quellenregesten und des übrigen Materials auch ein unentbehrliches Hilfsmittel zusammengestellt. Das Buch leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erhellung einer dramatischen Epoche der Kirchengeschichte, in der die Weichen für das Verhältnis der Kirchen im Westen, in Byzanz und im Orient gestellt wurden.