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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

166–169

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Prasad, Jakob

Titel/Untertitel:

Foundations of the Christian Way of Life According to 1 Peter 1,13-25. An Exegetico-Theological Study.

Verlag:

Rom: Editrice Pontificio Istituto Biblico 2000. XX, 466 S. gr.8 = Analecta Biblica, 146. Kart. ISBN 88-7653-146-7.

Rezensent:

Rainer Metzner

Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung der Dissertation, die bei James Swetnam in Rom entstanden ist. Sie versteht sich als ein Beitrag zu dem in den letzten beiden Jahrzehnten gewachsenen Interesse am 1. Petrusbrief. Untersucht wird der Abschnitt 1,13-25, dem nach Ansicht des Vf.s eine kompositorisch und theologisch wichtige Stellung im Ganzen des Briefes zukommt. Die ersten drei Kapitel diskutieren Einleitungsfragen (Autor und Zeit, Einheit und literarische Gattung, literarische Struktur). Sie bieten eine Grundlage für die eigentliche Exegese des Stückes, die in Kapitel 4-6 erfolgt. Eine Zusammenfassung und theologische Reflexion mit Blick auf die interreligiöse Diskussion des südasiatischen Kontextes schließt das Buch ab.

Die historischen Fragen nach Autor und Zeit des Schreibens (Kap. 1) werden in Diskussion mit der gegenwärtigen Forschungssituation erörtert. Wegen des Fehlens konkreter Hinweise auf staatliche Verfolgungsmaßnahmen plädiert der Vf. für eine Entstehungszeit 65-80 n. Chr. und führt das Schreiben mit Hinweis auf die in 5,12-13 erwähnten Namen auf eine "Petrinische Gruppe" in Rom zurück. Die - auch gut begründbare - Hypothese einer kleinasiatischen Entstehung des Briefes erörtert der Vf. nicht.

In der Diskussion um den literarischen Charakter (Kap. 2) wird zu Recht auf die literarische Einheit des Schreibens und die paränetischen (sowie parakletischen) Merkmale des Briefes ("paraenetic letter") verwiesen.

In Kap. 3 zeichnet der Vf. ein Bild der literarischen Struktur des 1. Petrusbriefes, um den Standort des zu untersuchenden Teilstückes im Ganzen des Schreibens deutlich zu machen. Der Vf. macht einen dreiteiligen Briefkorpus aus (1,13: "The Body-Opening"; 1,14-5,11: "The Body-Middle"; 5,12: "The Body-Closing"), der durch einen Briefeingangsteil (1,1-2: "Letter-Opening"; 1,3-12: "Blessing Period") und einen Briefschluss (5,13-14: "Letter-Closing") gerahmt wird. Innerhalb dieses Aufrisses bildet der untersuchte Text 1,13-25 die Eröffnung (1,13) und den ersten Abschnitt (1,14-25) im ersten Teil (1,14-2,10) des Briefkorpus (1,14-5,11). Die literarische und theologische Bedeutung von 1,13-25 wird in zweifacher Weise begründet: 1. Die in 1,13 mitgeteilte paränetische Briefkorpuseröffnung bildet den Tenor des gesamten Schreibens, da die hier angesprochenen Themen von Hoffnung im Leiden, Bereitschaft zum Handeln, Nüchternheit und Gnade das Ganze des Briefes vorwegnehmen. 2. Der Abschnitt 1,14-25 begründet die Würde christlicher Berufung im Christusereignis. Die für den ganzen Brief kennzeichnende Verknüpfung von Theologie und Paränese, von Lehrbegründung und Ermahnung wird hier fundamental vorgezeichnet: Die christologische Passage 1,18-21 bildet die Lehrbegründung für die Ermahnung in 1,13-17. Die Erinnerung an den ontologischen Status der Christen ist konstitutiv für die Ermutigung und Ermahnung der Christen in der sie bestimmenden Leidenssituation. Der Vf. kann hier ein Grundmuster theologischer Argumentation im 1Petr deutlich machen. Allerdings bleibt kritisch zu fragen, ob nicht die Bedeutung von 1,13-25 für das Briefganze überschätzt wird.

Die christologisch-soteriologischen Grundlagen der Argumentation hat 1Petr bereits früher gelegt (vgl. 1,2.3). 1,13 führt mit den Stichworten von Hoffnung und Gnade keine neuen Gedanken ein. Von der Neugeburt zur Hoffnung hat man bereits in 1,3 erfahren, von der Gnade bereits in 1,10, von der Offenbarung Jesu Christi in 1,7. Ermutigung in der Situation des Leidens haben die Leser bereits in 1,3-5.6-7 wahrgenommen. Die Weichen für die Argumentation des Briefes sind also schon vorher gestellt. Schwierig wird es auch, 1,13 zu einer eigenständigen Briefkorpuseröffnung zu machen, da der Vers mit 1,14 im Partizipialgebrauch, in der paränetischen Abzweckung und in der metaphorischen Redeweise (1,13: Aufschürzen "der Lenden eures Sinnes"; 1,14: "Kinder des Gehorsams") eng verbunden ist und auf den engen Kontext von 1,13-16 hin gelesen werden will.

Die Kapitel 4-6 bieten sehr feine literarische und exegetische Analysen zu den einzelnen Unterabschnitten 1,13-16; 1,17-21 und 1,22-25, die hier nur in der Basisargumentation vorgestellt werden können. Die Funktion von 1,13 erkennt der Vf. darin, die Adressaten zur Hoffnung in ihrer Leidenssituation anzuleiten. Begründet ist die Hoffnung in der Aussicht auf die Gnade, die den Adressaten bei der eschatologischen Offenbarung Christi bereitliegt. 1,14-16 ermahnt die Christen zu einem heiligen Lebenswandel, der sich als Abgrenzung vom alten heidnischen Leben und als Tun des Guten bestimmt. 1Petr bietet hier ein Zusammenspiel von normativer Sprache und Erinnerung an den ontologischen Status der Christen als Berufene Gottes.

In 1,17-21 erkennt der Vf. die christologische Begründung für den in 1,13-16 beschriebenen Status der Adressaten und seiner Anforderungen. Das in Christus erwirkte Erlösungsgeschehen wird auf dem alttestamentlichen Hintergrund der Befreiung und Erlösung des Gottesvolkes gedeutet und in einen kultischen Kontext eingezeichnet. Erlösung ist die durch den Opfertod Christi bewirkte Befreiung und Sühne. Dabei wird mit den Begriffen "Blut" und "unbeflecktes und tadelloses Lamm" die alttestamentliche Opfervorstellung konnotiert (Passalamm, Gottesknecht, allgemein kultischer Kontext des AT). Das - nach Ansicht des Vf.s - in 1,20 aufgenommene hymnische Fragment mit seinen Hinweisen auf Präexistenz und Offenbarungswerk Christi wird in (1,20fin und) 1,21 soteriologisch expliziert, insofern hier Glaube und Hoffnung als Ziel des durch Christus erwirkten Erlösungsgeschehens gesehen werden. Im Ganzen verbinden die Verse 1,17-21 eine "ontologische Christologie" (V. 20) mit einer "funktionalen Christologie" (V. 18-19.20fin.21), die Jesu rettendes Werk für uns umschreibt.

Im letzten Abschnitt 1,22-25 wird die in 1,13-21 begründete vertikale Dimension des christlichen Lebens horizontal entworfen - als Geschwisterliebe, die in der geistlichen Neugeburt durch den Logos begründet ist (V. 23). Der Vf. deutet dabei das griechische Wort logos auf Christus, nicht auf das Evangelium, das in 1,25b mit rhema anders bezeichnet wird. Demnach wird die Wiedergeburt durch Christus als dem "Wort Gottes" (vgl. 1Joh 1,1; 2,14; Hebr 4,12) erwirkt. Entsprechend deutet der Vf. die Wendung "das Wort des Herrn" in V. 25a als Genitivus objectivus im Sinne des Evangeliums über den "Herrn" (= Christus). Der Vf. des 1Petr habe das Jesajazitat bewusst von "Gott" (MT, LXX) zu kyrios verändert, um - wie in 2,3; 3,15 - eine Aussage von Christus zu machen. So wolle er mit Hilfe des Zitates sagen: Während die Menschen vergänglich sind, bleibt das Evangelium von Jesus Christus. Diese christologische Deutung von logos und kyrios - der Vf. spricht von einer "christologising tendency" (379) - kann freilich wenig überzeugen.

Das Zitat in 1,24.25a begründet das Bleiben des Wortes Gottes in 1,23, das nach 1,25b das Evangelium ist. Von 1,25b her kann man in 1,23 daher nur an das verkündigte Wort Gottes denken. Dafür spricht auch der Sprachgebrauch von 2,8 und 3,1, wo logos das Evangelium meint (vgl. 4,17). Außerdem ist das Motiv der Neugeburt im unmittelbaren Kontext von 1,23-25 mit dem Evangelium verbunden, das in 2,2 mit der "vernünftigen unverfälschten Milch" für die neugeborenen Kinder verglichen wird (vgl. den sprachlichen Zusammenhang von logikos [2,2] mit logos [1,23]). Gegen die Annahme, dass V. 25a für den Vf. des 1Petr auf die Botschaft/das Evangelium über den Herrn (= Christus) zu beziehen sei, spricht, dass 1Petr vom Evangelium Christi (so Paulus) bzw. vom Evangelium des Herrn sonst nirgends redet, wohl aber vom "Evangelium Gottes" (4,17). Der Leser muss daher bei "das Wort des Herrn" an das Evangelium Gottes denken (vgl. V. 25b). In dem Abschnitt 1,22-25 kommt Christus nirgends explizit vor, so dass sich eine Christologisierung von 1,23-25 nicht nachweisen lässt.

Die abschließende Zusammenfassung bietet eine Konzentration der Gedanken und versucht eine Aktualisierung des Textes auf den religiösen Kontext des südasiatischen Kulturkreises (Hinduismus, Buddhismus), dem der Vf. selbst entstammt. Dabei wird auf die religiöse Bedeutung von "Erlösung" eingegangen und diese im Kontext der Grundorientierung der Religionen auf Rettung und Befreiung bedacht. In der Logos-Christologie, die der Vf. in 1,23 zu erkennen glaubt (s. o.), sieht er eine Brücke zu nichtchristlichen Denkansätzen: Der Same des Logos (vgl. JustApol II,8.10.13) liegt in den Religionen verborgen, und hier sei der Weg zum Dialog mit ihnen zu suchen.

Im Ganzen bietet die Monographie gründliche Einzelargumentationen, die in intensiver Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Diskussion zum 1. Petrusbrief gewonnen werden. Gemessen an der Kürze des behandelten Textes fallen die Einzelexegesen sehr umfangreich aus. Der Stil fortlaufender Exegese der einzelnen Verse orientiert sich an dem bekannten Muster von Kommentaren. Die intensive Diskussion einzelner Wendungen führt aber nur selten zu einem Erkenntnisgewinn. Das meiste kann man in den Kommentaren und anderswo nachlesen. Die Forschungsüberblicke fallen oft unnötig lang aus (vgl. 47-74.217-227.244-256.351-356) und tragen dazu bei, das Buch in großen Teilen zu expandieren. Die Arbeit macht die Problematik einer ausschließlich an einem Detailtext wie 1Petr 1,13-25 orientierten Monographie deutlich. Die Bedeutung des Abschnittes für das Ganze des Schreibens wird überschätzt. Man fragt sich: Wer liest das Buch und wem nützt es?