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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

148–150

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schipper, Bernd Ulrich

Titel/Untertitel:

Israel und Ägypten in der Königszeit. Die kulturellen Kontakte von Salomo bis zum Fall Jerusalems.

Verlag:

Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999. XI, 359 S. gr.8 = Orbis Biblicus et Orientalis, 170. Pp. SFr 98,00. ¬ 64,45. ISBN 3-7278-1265-6- u. 3-525-53728-X.

Rezensent:

Manfred Görg

Vor mehr als hundert Jahren bereits hat der Ägyptologe W. Max Müller eine bemerkenswerte Feststellung getroffen, ohne freilich dafür Anerkennung zu erhalten oder eine seriöse Diskussion auszulösen. In seinen Studien zur vorderasiatischen Geschichte (Berlin 1900) bemerkt er zur biblischen Tradition der "Tochter Pharaos" im Harem Salomos: "Es gehört die ganze Naivität eines späteren Tempelschreibers oder manches modernen Theologen dazu, zu glauben, der Pharao habe seine Tochter an ein palästinisches Königlein gegeben" (40). Dennoch ist erst nach einer langen Periode weithin unbefangener Rezeption der biblischen Nachricht über ein Elementarereignis ägyptisch-israelitischer Beziehungen bereits zur Zeit Salomos eine augenfällige Ernüchterung eingekehrt. Im Rahmen einer grundsätzlichen Revision der bisher für die Salomozeit beanspruchten Informationen hat nunmehr B. Schipper im ersten Kapitel seiner Dissertation den Versuch unternommen, allen einschlägigen Spekulationen den Boden zu entziehen. Im Unterschied zur biblischen Perspektive sollen sich vom außerbiblischen Material her demnach Kontakte nach Ägypten für den politischen und ökonomischen Bereich nicht nachweisen lassen, so dass auch für die Annahme einer Fürstenhochzeit mit den Nachrichten aus Ägypten keine Grundlage zu schaffen wäre. Überdies biete das AT selbst keine Legitimation zu einer historisierenden Interpretation, da die einschlägigen und voneinander teilweise abhängigen Hinweise (1Kön 3,1; 7,8; 9,16.24; 11,1) bestenfalls einen Zusammenhang der Tradition von der Tochter Pharaos mit einer Baumaßnahme in Jerusalem für die fremde Prinzessin nahelegen. Dennoch könne man "generell" im Beziehungsfeld Ägypten-Israel mit "verschiedenen Kontakten auf personaler Ebene" rechnen.

Diese für den biblischen Befund zutreffende Kombination der "Tochter Pharaos" mit Baumaßnahmen in der Davidsstadt hat der Verfasser in der Folgezeit näher präzisiert (vgl. BN 102, 2000, 84-94; vgl. schon M. Görg, GM und BN), während er weiterhin - in besonderer Auseinandersetzung mit K. Jansen-Winkeln (BN 103, 2000, 23-29) - darauf insistieren möchte, dass sich eine etwaige Heirat Salomos mit der Tochter eines zeitgleichen Pharao "anhand des ägyptischen Materials nicht wahrscheinlich machen läßt" (BN 111, 2002, 90-98). Dieser Skepsis ist erst jüngst, wie nicht anders zu erwarten, K. A. Kitchen entgegengetreten, um seinerseits allzu forsch auf einer historischen Verifizierbarkeit zu bestehen. Die offenbar jeweils unterschiedliche Interessenlage auf israelitischer und ägyptischer Seite mahnt jedoch zu zurückhaltender Beurteilung, zumal sowohl die Lokalisierung und Geschichte der sog. Davidsstadt wie auch die Facetten der außenpolitischen Ambitionen des Ägypten der 21. Dynastie gegenüber dem Neuen Reich noch nicht erschöpfend geklärt sind. Die historische Möglichkeit einer Heirat Salomos mit einer ägyptischen Prinzessin kann nach wie vor nicht definitiv ausgeschlossen werden, wenn man auch die bereits von W. Max Müller geäußerte Ansicht, dass vielleicht nur an eine Art "Geschenk" der Ägypter zu denken sei, im Blick behalten darf.

Unabhängig von der Problemlage einer historischen Rekonstruktion ist gleichwohl der Topos der "Tochter Pharaos" gewichtig genug, um eine genuine Dimension mit weittragender Auswirkung nach wie vor für wahrscheinlich zu halten. Insofern stellt sich die Frage nach den Beziehungen zur frühen Königszeit auch auf dem Hintergrund einer weitaus älteren und länger anhaltenden Erinnerung, nämlich der Beziehung des Pharaos der Pharaonen, Ramses II. zur Tochter des Hethiterkönigs Hattusili, die noch in der Ptolemäerzeit reflektiert wird (Bentreschstele). Im Schatten und in Umkehr dieser Verhältnisse wird Salomo zum exemplarischen Pharao stilisiert. Auch mit einer innerisraelitischen Wirkungsgeschichte des Topos sollte man m. E. weiterhin ernsthaft rechnen.

Das zweite Kapitel gilt der Beziehungsgeschichte in der Zeit der beiden Reiche, in deren Mittelpunkt der Feldzug des Pharao Schoschenq (Schischak) I. steht. Sch. möchte die bekannte Liste des Pharao am Bubastidentor in Karnak "nicht als Kopie eines älteren Textes und für historisch wertlos" halten (125) und wendet sich ausdrücklich gegen eine Formulierung des Rez., der die Liste als "eher kläglichen Abklatsch der Großzeit der Völkerlisten" bezeichnet hat.

Angesichts der offenbar bewusst redundanten und gelängten Fassung, die sich bestenfalls auf eine kleine Sektion Palästinas beschränkt und keinen Vergleich mit den weiträumig dimensionierten Listen des Neuen Reichs aushält, möchte ich bei meiner Charakteristik bleiben, die geographische Teilidentifikationen nicht ausschließt. Auch die Lesung der Liste nach dem Boustrophedon-Prinzip habe ich lediglich konditional erwähnt, nicht strikt behauptet, wie Sch. anzunehmen scheint (125, Anm. 57). Sch. stellt jedoch überzeugend klar, dass die außenpolitischen Interessen der Libyerzeit an Palästina nicht über Schoschenq I. hinauszureichen scheinen, da bis Osorkon IV. keine sicheren Indizien greifbar sind, dass aber wohl ökonomische Kontakte über den Handel mit Phönikien auch den Süden partizipieren ließen, der von der Mitte des 8. Jh.s an auch in direkte Handelsbeziehungen mit Ägypten eingebunden ist. Auch für die Libyerzeit werden mit Recht personale Kontakte wahrgenommen.

In der Zeit des Königreichs Juda während der ägyptischen 25. und 26. Dynastie liegen nach Sch.s Ausführungen im dritten Kapitel nun die Voraussetzungen vor, "daß erstmals in der israelitischen Königszeit die historische Grundlage für einen umfassenden Kulturkontakt und -austausch gegeben war" (228). Mit dem politischen Interesse der kuschitischen und saitischen Herrscher korrespondieren die ökonomischen und personalen Kontakte, die eine qualifizierte Periode in den beidseitigen Beziehungen profilieren. Dass es sich um ein primäres Faktum handele, ist natürlich durch das kritische Urteil Sch.s über frühkönigszeitliche Beziehungen bedingt, die freilich noch nicht apodiktisch eliminiert werden können. Das Kapitel wendet sich mit Recht u. a. auch besonders der zeitgenössischen Architektur zu, die mit dem wohl aus dem 7. Jh. stammenden "Grab der Pharaonentochter" in Silwan ein signifikantes Merkmal ägyptischen oder (eher) ägyptisierenden Stils vermittelt. Ob man sich eine ähnliche Konstellation von ägyptisierender Konstruktion im Palastbereich und fiktiver Namengebung schon für die frühkönigliche Zeit vorstellen darf, mag weiterhin zur Debatte stehen. Nicht verwunderlich ist dagegen das Spektrum von Personennamen ägyptischer Etymologie, die nicht immer auch auf eine ethnische Herkunft aus Ägypten schließen lassen dürfen. Unter den diversen Bezugnahmen prüft Sch. auch die Notiz über die "Pharaonentochter" Bitja (1Chr 4,18), die vielleicht nur auf eine möglicherweise tradierte "königliche Abstammung" zurückgeht. Es ist jedenfalls deutlich, dass sich die Titulatur "Tochter Pharaos" in später Zeit auch noch einer relativ unbelasteten Akzeptanz erfreuen konnte. Man könnte meinen, die "Tochter Pharaos" spaziere keck durch die Überlieferungsgeschichte der Beziehungen zwischen Ägypten und Israel gerade so, als wenn sie als paradigmatische Figur das Pro und Contra im Meinungsbild Israels auf sich gezogen hätte.

Insgesamt legt Sch. ein sorgsam erstelltes Kompendium der teilweise verstreuten Nachrichten samt einer kritischen Gewichtung vor, der man weitgehend zustimmen kann, wenn sich auch vor allem für den eigentlichen Beginn der ägyptisch-israelitischen Beziehungen weiterhin Diskussionsbedarf anmelden lässt.