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Ausgabe:

Februar/2003

Spalte:

146–148

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schaper, Joachim

Titel/Untertitel:

Priester und Leviten im achämenidischen Juda. Studien zur Kult- und Sozialgeschichte Israels in persischer Zeit.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2000. X, 352 S. gr.8. Geb. ¬ 89,00. ISBN 3-16-147409-0.

Rezensent:

Antje Labahn

Die Tübinger Habilitationsschrift von Joachim Schaper hat sich die Aufgabe gesetzt, die soziologischen und politischen Rahmenbedingungen, wie sie für Priester und Leviten zur Perserzeit in Juda vorherrschend waren, zu untersuchen. Sch.s Studie zielt damit in ein Zentrum gegenwärtiger alttestamentlicher Exegese, die die Perserzeit als eine Epoche erkannt hat, in der das alttestamentliche Israel wesentlich Gestalt gewonnen hat. Neben den sozialgeschichtlichen Studien, von denen aus neuerer Zeit exemplarisch die Werke von Blenkinsopp, Carter und Davies genannt werden können, stellt es ein reizvolles Unternehmen dar, das kultische Personal dieser Zeit genauer vorzustellen. Eine Gesamtdarstellung wie die vorliegende Untersuchung ergänzt die älteren klassischen Abhandlungen wie z. B. Cody und Gunneweg (s. a. Schulz und Haran) oder auch neuere Studien zu Teilaspekten des Themas von Dahmen und Nurmela. Sch. füllt insofern mit seiner Arbeit ein Desiderat aus.

Um die Entwicklungen der Perserzeit gegenüber der monarchischen und exilischen Epoche abgrenzen und Veränderungen wahrnehmen zu können, bietet Sch. nach einem kurzen, eher selektiven Forschungsüberblick (1-10) zunächst einen recht umfangreichen Überblick über vorausgehende Geschichtsepochen, innerhalb derer er das Verhältnis der Priester und Leviten bestimmt (18-129). Folgende Positionierung beider Gruppen liegt demnach zu Beginn der Perserzeit vor: Während die Aaroniden eine idealisierte, aber unhistorische Größe darstellen, waren die zadokidischen Priester seit der josianischen Reform in Jerusalem tätig. Auf Grund der Kultzentralisation, die alle Priester außerhalb Jerusalems (Abjartiden, Leviten, Priester aus Bethel etc.) ihrer ökonomischen Grundlage beraubt, entsteht trotz nomineller Gleichstellung eine Konkurrenzsituation zwischen diesen Gruppen von "Landpriestern" und den Zadokiden. Mit dem Tempelentwurf in Ez 40-48 festigen die Zadokiden ihre Position und drängen ihre Konkurrenten in eine untergeordnete Position eines clerus minor ab, wie sie vollends von der Priesterschrift entfaltet wird. Historisch gesehen üben die Priester durch die Tempelverwaltung und Tradierung des literarischen Glaubensgutes Israels Einfluss aus; sie gelangen in eine Machtposition, von der aus sie schließlich, gefördert durch die sogenannte (zunehmend hinterfragte) persische Reichsautorisation, mit der achämenidischen Administration zusammen- arbeiten.

Eine Veränderung der Situation tritt unter Nehemia ein, der sich mit Kleinbauern, Tagelöhnern, Schuldsklaven und den Leviten verbündet und damit eine Front gegen Priester und Aristokratie eröffnet. Esra führt die Reformen weiter und propagiert das von ihm erlassene Gesetz, zu dessen Verfechtern und Auslegern die Leviten werden. Die Leviten agieren jetzt als eine polizei-ähnliche Truppe, die Einfluss auf die Geschicke des Tempels ausübt. Die Leviten assimilieren sich schließlich in der spät-achämenidischen Zeit mit den Sängern/Musikern und den Torhütern, wie es die Chronik hinreichend belegt. Durch die von Nehemia und Esra mit Hilfe der Leviten durchgesetzten Reformen wird auch deren Einflussbereich u. a. durch Wahrnehmung administrativer Angelegenheiten beträchtlich erweitert, so dass die Leviten jetzt in einer endgültigen Frontstellung zu den Priestern stehen.

Sch. beschreibt das Verhältnis zwischen Priestern und Leviten als eine sich verschärfende Konfliktgeschichte, die ein geschlossenes gesellschaftliches und historisches Bild vermittelt. Dabei gelingt es Sch., ältere (mitunter auch von der aktuellen Forschung revidierte) wie auch aktuelle Positionen integrativ in sein Konzept aufzunehmen. Freilich kann man einzelne exegetische Entscheidungen oder soziologische Zuordnungen anfragen. Eine Unschärfe scheint mir etwa in der von Sch. gezogenen Verbindung beider Gruppen, d. h. sowohl der Priester als auch der Leviten, zu Verwaltungsvorgängen zu bestehen. Es ist zwar durchaus möglich, dass beide Gruppen Funktionen innerhalb der Reichsverwaltung hatten und in unterschiedlicher Weise oder auf verschiedenen administrativen Ebenen in sie eingebunden waren. Vor allem aus dem Blickwinkel von Esr/Neh scheint sich diese Schlussfolgerung nahe zu legen. Anders ist es allerdings in der Chronik anzutreffen, wenn die Priester allein dem Tempelbezirk zugeordnet werden, während die Leviten jenen Bereich späterhin überschreiten und in Funktionen von Verwaltung und Schreibertum vordringen. Die Identifikation von administrativem Personal mit judäischen Gruppen ist allerdings auf Grund von Textinterpretation zu gewinnen und weniger aus soziologischen Überlegungen anhand von außerbiblischem Material zu erhalten; hieraus wären allenfalls Funktionen zu entnehmen, nicht aber konkrete gesellschaftliche Zuordnungen. Dennoch ist das Gesamtbild der von Sch. rekonstruierten historischen Entwicklung überzeugend. Die entscheidenden literarischen sowie archäologischen Daten, auf denen die Konstruktion aufbaut, werden bisweilen allerdings etwas thetisch eingebracht; eine detailliertere Diskussion des Materials, wie es etwa zu dem wichtigen Text Neh 8 geschieht (265-268), wäre wünschenswert gewesen, um den Lesern und Leserinnen die einzelnen Entscheidungen noch plausibler vor Augen zu führen. In der Tat erscheint das Tempelpersonal vor allem in der Perserzeit nicht als eine einheitliche Gruppe. Vielmehr lassen sich Konkurrenzverhältnisse und Auseinandersetzungen erkennen, die vor allem an einer Frontstellung zwischen Priestern und Leviten aufbrechen. Hierzu geben die Schriften Esr/Neh und die Chronik nicht unbeträchtliche Hinweise, die zwar theologisch unterschiedlich motiviert sind, doch historisch ähnliche Phänomene im Hintergrund haben dürften und letztlich auch mit soziologischen Überlegungen zur persischen Reichsverwaltung konvergieren.