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Ausgabe:

Februar/2003

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kinet, Dirk

Titel/Untertitel:

Geschichte Israels.

Verlag:

Würzburg: Echter 2001. 239 S. gr.8 = Die Neue Echter Bibel: Ergänzungsband zum Alten Testament, 2. Kart. ¬ 24,50. ISBN 3-429-02315-7.

Rezensent:

Jens Kamlah

Die Monographie behandelt in zwei Teilen die "Geschichte Israels" im Zeitraum von 1200 v. Chr. bis 331 v. Chr. Teil A (21-63) umfasst die ersten 200 Jahre ("Der Prozeß der Volkwerdung [1200-1000 v. Chr.]"), Teil B (65-204) die restliche Zeit ("Die Königreiche Israel und Juda [1000-331 v. Chr.]"). Die Aufteilung des Stoffes in zwei ungleiche Teile und die Überschrift von Teil B mit ihrer Zeitangabe überraschen. Teil B ist dann aber sachgemäß - wie die von H. Donner verfasste "Geschichte des Volkes Israel und seiner Nachbarn in Grundzügen" (ATD Ergänzungsreihe 4/1-2; Göttingen; 3. Aufl. 2000/ 2001) - nach den verschiedenen politischen Konstellationen gegliedert, die in Palästina während des 1. Jt.s v. Chr. vorherrschten: "I. Das Syrisch-Palästinische Kleinstaatensystem" (65-125), "II. Das Neuassyrische Zeitalter (9.-7. Jh. v. Chr.)" (125-173), "III. Israel im babylonischen Zeitalter und im Exil" (173-187) und "IV. Israel unter achämenidischer Herrschaft" (187-204).

Das oben erwähnte Werk H. Donners diente nicht nur für die Gliederung als Vorbild, sondern insgesamt als "Inspirationsquelle", wie K. in einer Danksagung (Juli 2000) ausdrücklich hervorhebt (239). Angesichts dieser Wertschätzung verwundert es, dass die 1. Aufl. von Donners Werk verwendet wurde - und nicht die zweite, 1995 erschienene Auflage, die inhaltlich und in methodischer Hinsicht wesentliche und weiterführende Ergänzungen enthält. Überhaupt beeinträchtigen veraltete Literaturangaben an vielen Stellen die Nutzung des zu besprechenden Buches. Als Beispiel sei hier nur das israelische Standard-Lexikon zu Ausgrabungsstätten im Heiligen Land genannt, auf das der Vf. mehrmals verweist (z. B. 36, Anm. 50, 47, Anm. 81). Anstelle der "Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land" (EAEHL; Jerusalem 1975-1978) ist in jedem Fall die "New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land" (NEAEH; Jerusalem 1993) zu Rate zu ziehen. Auf Register, Zeittabellen und Landkarten verzichtet der Band. Ebenso fehlen Klärungen zur archäologischen Chronologie sowie zur Umschrift der Namen von Gottheiten, Personen und Orten, deren Schreibweise in zahlreichen Fällen zu vereinheitlichen oder zu korrigieren ist.

Die Teile A und B sind umrahmt von einer Einleitung mit methodischen Überlegungen (11-19) und einem Anhang, dessen Stellung am Ende des Buches sich aus den methodischen Erörterungen erklärt. Aus der Einsicht, für die Vorgeschichte Israels keinen "festen historischen Boden entdecken" zu können (14), und aus dem Grundsatz, dass "eine Sage nur insoweit als historische Quelle einzusetzen" ist, "als sie etwas aussagt über die Auffassungen und Vorstellungswelt der Verfasser" (17), ergibt sich, dass die "Patriarchenüberlieferungen" (205-218), "Exodus und Befreiung aus Ägypten" (218-226) sowie "der Sinai, die Wüstenwanderung und die Gestalt des Mose" (226- 230) nicht in der eigentlichen "Geschichte Israels" behandelt werden, sondern innerhalb eines Anhangs. Es gehört zu den Stärken des Buches, dass der Vf. den Schwierigkeiten nicht aus dem Weg geht, die "die historisch-kritische Erforschung der Geschichte Israels" (14 f.) mit sich bringt, sondern versucht, sie innerhalb einer stringenten Darstellung zu berücksichtigen.

Ein näherer Blick auf Teil A ("Der Prozeß der Volkwerdung") zeigt exemplarisch die dabei auftretenden Probleme. Die Kernaussage lautet, "daß es beim Vorgang der Landnahme kein einheitliches Israel gab" (35 u. ö.). Diese zutreffende Einschätzung tritt jedoch öfters in den Hintergrund, nämlich dann, wenn die deuteronomistisch gefärbte Sicht in den Vordergrund tritt, "Israel" sei als Gegenüber von "Kanaan" zu definieren (z. B. 33 und 49). Auch die methodischen Aussagen zu Teil A sind widersprüchlich. Einerseits wird die Archäologie als "die wichtigste zuverlässigste Quelle" bezeichnet (12). Andererseits ist das AT "für diesen historischen Abschnitt nahezu die einzige uns verfügbare Quelle" (17). Tatsächlich werden "die Ergebnisse der Archäologie" (38 f.) zur Frage der Entstehung Israels nur in Ausschnitten wahrgenommen und kommen in der historiographischen Darstellung dementsprechend zu kurz (vgl. die Bewertung archäologischer Quellen zur Entstehungsgeschichte Israels bei: J. Kamlah, Der Zeraqon-Survey 1989-1994, Wiesbaden 2000 [ADPV 27,1], 166-180).

Es ist keine einfache Aufgabe, beim gegenwärtigen Stand der Forschung eine "Geschichte Israels" zu schreiben. Dem Vf. gebührt Dank und Respekt dafür, dass er die Schwierigkeiten nicht gescheut und die alttestamentliche Reihe der "Neuen Echter Bibel" um diesen 2. Ergänzungsband erweitert hat.