Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

43 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Blaskovic, Goran

Titel/Untertitel:

Johannes und Lukas. Eine Untersuchung zu den literarischen Beziehungen des Johannesevangeliums zum Lukasevangelium.

Verlag:

St. Ottilien: EOS 1999. 264 S. gr.8. Kart. ¬ 17,50. ISBN 3-8306-7019-2.

Rezensent:

Manfred Lang

Die vorgelegte und von Herbert Leroy betreute Arbeit widmet sich einem Teilgebiet des Problemkreises Johannes und die Synoptiker. Dabei soll es darum gehen, "Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem JohEv und dem LkEv zu erkennen, zu klären und zu erklären. Dann erst kann nach der Entstehungsgeschichte des Textes gefragt werden" (8). Es geht dem Vf. darum, "sich auch auf Grund einer eingehenden synchronen Betrachtung, eine Meinung zu den diachronen Auseinandersetzungen zu machen." (ebd.) Dabei bezieht er sich auf folgende Texte: Lk 5,1-11 (Mk 1,16-20; Mt 4,18-22; Mk 2, 13; 4,1 f.) Joh 21, 1-14 mit 1,35-51; Lk 7,36-50; 10,38-42; 16,19-31 und Joh 12,1-11; 11,1-46 (Mk 14,3-9; Mt 26,6-13); Lk 22,54b-71 (Mk 14,53-72; Mt 26,57-75) und Joh 18,12-27. Die These diesbezüglich lautet, dass "Johannes das LkEv kannte, nicht jedoch als Quelle benutzte, sondern mit einem bestimmten Sinngehalt auf die Schrift Bezug nimmt (Intertextualität)" (41).

Nach einem forschungsgeschichtlichen Abriss gelangt der Vf. zu den Exegesen, die in der Regel nach folgendem Schema durchgeführt werden: Textkritik, Abgrenzung und Kontext, Textgestalt (Syntax, Semantik, Pragmatik), Textsorte, Traditionsgeschichte und Quellenkritik. Innerhalb der Einzelexegesen heißt das: Joh 21,1-14 ist als sog. Wiedererkennungsgeschichte von Lk 5,1-11 zu lesen, um den Auferstandenen noch besser verständlich zu machen. Die Salbungsgeschichte wird in ihrer lukanischen Redaktion erhoben und bildet zusammen mit Lk 16,19-31 das Profil für Joh 11,1-46 [!] und 12,1-11. Für die Salbungsgeschichte ergibt sich, dass eine literarische Abhängigkeit des johanneischen Textes vom LkEv annehmbar ist (172). Im johanneischen Passionsbericht ist Joh 18,12-27 von Interesse. Mit Joh 10,24c-25a wird Lk 22,67 f. (vgl. Lk 22, 56ff.) konfrontiert. Dass dabei die Frage nach der Messianität von Johannes aus seinem Passionsbericht vorgezogen worden ist, ist vielfach gesehen worden, wird auch hier bestätigt und führt ebenfalls zu der Vermutung eines literarischen Einflusses auf das JohEv. Die "potenzierte Darstellung der ablehnenden Haltung der Juden" (216) innerhalb von Joh 18,28-19,7 [!] schwächt das Verhör vor den jüdischen Oberen nach Meinung des Vf.s. Als Fazit bleibt jedoch hinsichtlich Lk 22, 54b-71 und Joh 18, 12-27 festzuhalten: "Eine Berührung zwischen beiden Evangelien ist nur in der Verwendung des Namens Hannas noch akzeptabel." (219)

Es bleibt positiv zu vermerken, dass sich der Vf. eines durchaus virulenten Themas angenommen hat und bei dessen Erar-beitung wichtige Beobachtungen bestätigen konnte: Vielfach bestehende Parallelen lassen sich im Sinne einer literarischen Abhängigkeit des JohEv vom LkEv interpretieren.

Kritisch sind jedoch folgende Aspekte zu benennen: 1) Hilft es in der Methodik weiter, wenn ohne weitere Diskussion das Phänomen Intertextualität aufgenommen und in seiner eher traditionsgeschichtlichen Perspektive verwendet wird? In welchem Verhältnis stehen Intertextualität und Traditionsgeschichte - zumal dann, wenn der Vf. mit literarischer Abhängigkeit nicht auf Grund vorgegebener Quellen rechnet? 2) Hinsichtlich der Stoffauswahl bleibt die Frage, warum der Vf. grundlos meint, auf die johanneische Ostergeschichte Joh 20,3-10 verzichten zu können. Es ist hier nicht nur die textkritische Problematik zu nennen, die ausführlich zu bedenken gewesen wäre, sondern darüber hinaus auch die theologische dergestalt, dass im Fall einer vermuteten Abhängigkeit des JohEv von den Synoptikern die Herkunft der Ostergeschichten zu klären wäre. Es wäre ferner zu fragen, in welchem (intertextuellen) Verhältnis Joh 13,1-20 zu Lk 7,36-50 steht. Diese Möglichkeit wird nicht diskutiert. 3) Bleiben die formbildenden Elemente der Wiedererkennungsgeschichte Joh 21,1-14 in sich zu unpräzise, dann wäre weiterhin zu fragen, was es denn bedeutet, dass hier eine poetologische Komponente (das JohEv als Schrift vermittelt Begegnung mit dem Auferstandenen) anzusetzen ist. Dass dies in Joh 20,30 f. bereits angesprochen ist, steht wohl außer Zweifel, die Konsequenzen für die Bestimmung des vom Vf. angesprochenen Problemkreises Johannes und die Synoptiker (resp. LkEv) wären jedoch noch zu entfalten. - Schließlich ist noch auf die hohe Zahl der Trenn-, sowie Akzent- und anderen Tippfehler hinzuweisen. Die kritische Kommentierung der Sekundärliteratur findet nur höchst zurückhaltend statt. So bleiben etwa die Überlegungen von Wolfgang Reinbold, Der älteste Bericht über den Tod Jesu. Literarische Analyse und historische Kritik der Passionsdarstellungen der Evangelien, BZNW 69, Berlin, New York 1994, und Klaus Berger, Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums, Stuttgart 1997, für die Frage nach der Thematik Johannes und die Synoptiker unberücksichtigt. Ferner: Rosel Baum-Bodenbender ist natürlich keine Schülerin Hartwig Thyens (30, Anm. 109), sondern hat ihre Arbeit bei Ludger Schenke in Mainz verfasst!

Es scheint mir zweifelhaft, ob es dem Vf. gelungen ist, dem Problemkreis Johannes und Lukas deutlich näher zu kommen.