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Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

39 f

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

VanderKam, James C.

Titel/Untertitel:

An Introduction to Early Judaism.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2001. XII, 234 S. m. 4 Abb. gr.8. Kart. US$ 18,00. ISBN 0-8028-4641-6.

Rezensent:

Roland Bergmeier

Die hier zu besprechende Einführung ins Frühjudentum ist ein Sachbuch, das nicht für die Fachwelt, sondern für interessierte Laien geschrieben ist (XI). Es nimmt in drei Kapiteln zu drei Themenfeldern das Wort: "1. The Time of the Second Temple" (1-52), "2. Jewish Literature of the Second Temple Period" (53-173), "3. Synthesis: Leaders, Groups, and Institutions". Eine kleine Bibliographie (219-223) und ein Index (225-234) beschließen die Publikation.

1. Über die Geschichte des Judentums in der Zeit des zweiten Tempels informiert VanderKam weitgehend durch Nacherzählen der Quellen, die auf uns gekommen sind: Esra, Nehemia, Josephus (Antiquitates), Aristeasbrief, 1. u. 2. Makkabäerbuch. Den ersten jüdischen Aufstand (66-73 n. Chr.) beschreibt er nach Josephus, De bello Iudaico. Die traumatische Wirkung von dessen Ende mit Schrecken verdeutlicht er mit Blick auf das 4. Esra-Buch und die syrische Baruch-Apokalypse. Eine entsprechende Wahrnehmung der Visionen Dan 7-12 im Blick auf die seleukidische Verfolgungszeit war nicht erfolgt. Mit "The Bar Kokhba Revolt (132-135 CE)" (48 f.) und "Appendix on Egyptian Judaism" (49-52) beschließt V. den geschichtlichen Überblick. Das babylonische Judentum wird nicht in die Betrachtung einbezogen, überhaupt wird die Bedeutung der jüdischen Diaspora insgesamt nicht genügend gewürdigt. Entsprechend unreflektiert ist der Gebrauch von "Jews" und "Judeans", z. B. "the friendship and alliance between the Jews and Romans" (28) und, von den Römern gesagt, "the allies of the Judeans" (32).

2. Den Schwerpunkt, aber auch die Stärke des Buchs bilden die Einführungen in das jüdische Schrifttum aus hellenistisch-römischer Zeit, wobei gilt: "In view of the difficulties involved in employing the categories Apocrypha and Pseudepigrapha, it seems wiser to survey the Jewish literature of the second temple period in chronological order" (58). Dieses freilich auch nur bedingt mögliche Vorgehen wird nur jeweils innerhalb des Systems folgender Literaturtypen angewendet: "Narrative Works", "Rewritten Scripture", "Apocalypses", "Wisdom Literature", "Poetic Works", "Mockery of Idols". Was dabei aufgenommen bzw. nicht aufgenommen wurde, beruht auf sorgfältiger Entscheidung, wie dem Leser, ohne Begründung versteht sich, versichert wird (XII). Die beiden letzten Abschnitte bilden "Philo and Josephus" und "Great Archaeological Discoveries". Von den übrigen jüdisch-hellenistischen Historikern und Exegeten findet man die Namen Demetrius, Aristobulus, Artapanus und Ezechiel (der Tragiker) am Ende der geschichtlichen Einführung (50 f.). Den Philosophen Aristobulus führt der Index fälschlich unter "Aristobulus III (35 BC)", s. S. 226. Die Zitate aus Hekataios schreibt V. dem griechischen Schriftsteller von Abdera um 300 v. Chr. zu (194). Die Konzeption des Buchs bringt es mit sich, dass mehrere Sachverhalte doppelt referiert werden wie z. B. bei der Vorstellung von 1. (=3.) Esra-Buch (60 f., vgl. 2 ff.), 1. u. 2. Makkabäerbuch (62 ff., vgl. 17ff.), Aristeasbrief (81 ff., vgl. 13 f.) oder der Masada-Geschichte (166-170, vgl. 44 f.).

Nach der Vorstellung der Elephantine-Papyri gibt V. eine Übersicht "The Dead Sea Scrolls" (150-166), erläutert die Bedeutung der biblischen Handschriften und ihrer Textformen und gibt einen Überblick über den Bestand der vielseitigen Textfunde, wobei er Exzerpt-Texte, Tefillin und Mezuzot, Targume, Pescharim und thematische Midraschim, Apokryphen und Pseudepigraphen insgesamt mit unter "Biblical Texts" und alles Übrige unter "Non-biblical Texts" abhandelt.

Diese Einteilung ist nun allerdings nicht sinnvoll. S. 151 schreibt der Vf.: "For the period with which we are dealing we must recognize that the word biblical is anachronistic, since there was, as far as one can tell, no fixed canon of scripture for the men of Qumran." Aber zweifellos setzen die genuin qumranischen Texte ein dezidiertes Verständnis von Heiliger Schrift voraus, ohne das ja die typischen Zitationsformeln gar nicht vorhanden wären. Zum anderen ist der Satz "The final category consists of eschatological texts" (158) förmlich deplaziert, denn die Rede von "der letzten Zeitepoche" und Schriftauslegung gehören in der Qumrangemeinde von Anfang an und prinzipiell zusammen. Empfehlenswert ist der Abschnitt "(3) The Qumran Community and Its History". Ohne ihn beim Namen zu nennen, bezieht V. zu Recht Position gegenüber H. Stegemann: "The sectarian writings from Qumran offer a consistent picture that accords well with ancient descriptions of the Essenes ... In the face of such evidence, it is highly unlikely that the scrolls represent the views of a broad spectrum of Jewish society at the time" (162 f.).

3. In diesem Kapitel informiert der Vf. vor allem über die Priesterschaft, den Sanhedrin, über die bekannten drei Gruppen des Josephus: Pharisäer, Sadduzäer und Essener, apostrophiert die so genannte "vierte Philosophie", erwähnt Zeloten, Sikarier, Therapeuten und Samaritaner.

Unter der Überschrift "Gottesdienst" behandelt er die Themen Tempel und Synagoge, bespricht im Einzelnen Tempelanlage und Opfer, Feste, Musik und Gebete. Trotz der Hinweise auf Lev 23 und Num 28 fehlt bei den Festen der Tag, der alle Feste überragt, der Sabbat. Heutigen Juden, die "more information about a formative stage in the long history of Judaism" wünschen (XI), wird bei "Groups" zumindest ein Hinweis auf die Hachamim oder Weisen, im Abschnitt "(2) Prayer" ein solcher auf Shema', Achtzehnbitten- und Kaddisch-Gebet fehlen. Und nicht nur ihnen.