Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

34–36

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Davila, James R.

Titel/Untertitel:

Liturgical Works.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2000. XI, 338 S. gr.8 = Eerdmans Commentaries on the Dead Sea Scrolls, 6. Kart. US$ 25,00. ISBN 0-8028-4380-8.

Rezensent:

Matthias Weigold

Bei dem hier zu besprechenden Werk handelt es sich um den ersten Band, der aus der von M. G. Abegg Jr. und P. W. Flint herausgegebenen Reihe Eerdmans Commentaries on the Dead Sea Scrolls (ECDSS) erschienen ist. Diese 16 Bände umfassende Reihe soll erstmals mit Anmerkungen versehene englische Übersetzungen und zeilenweisen Kommentar zu allen in Qumran gefundenen übersetzbaren Handschriften zusammenstellen. Neben wissenschaftlicher Schärfe wird dabei besonderer Wert auf die Zugänglichkeit auch für Nichtfachleute und Studierende gelegt.

Der vorliegende Band ist den liturgischen Texten der Fundorte Qumran und Masada gewidmet. In der Einleitung (1-14) wendet sich der Vf. zunächst der Bibliothek von Qumran und ihren liturgischen Texten zu (I. The Qumran Library and Its Liturgical Texts). Dabei benennt er sein maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung der liturgischen Texte von anderen: "The main criterion for inclusion is that the text show [sic!] evidence of composition for use in the ritual life of ancient Judaism, whether pertaining to the cycle of festivals and holy days, to daily prayer in various situations, to ceremonial purification, or to rites of passage such as marriage" (2). Es folgt eine Erklärung der für die Behandlung des Gegenstandes grundlegenden Begriffe Kult, Bund und Reinheit (II. Cult, Covenant, and Purity). Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklungsgeschichte des rituellen Zyklus in alttestamentlicher Zeit als der Basis des größten Teils der in den Qumrantexten bezeugten liturgischen Traditionen (III. The Ritual Cycle in Ancient Israel) widmet sich der Vf. diesen selbst (IV. Liturgical Traditions in the Qumran Documents). Die Unterscheidung zwischen inner- und außerhalb der als Teil einer breiteren Bewegung verstandenen Qumran-Gemeinschaft komponierten Texten soll in erster Linie mit Hilfe inhaltlicher und terminologischer Kriterien erfolgen. Darüber hinaus wird eine besondere Orthographie zwar grundsätzlich als mögliches Kennzeichen von innerhalb der Qumran-Gemeinschaft verfassten Texten anerkannt, doch findet dieses - höchst fragwürdige - Kriterium mit Recht bei keinem der im Folgenden behandelten Werke Anwendung. Den Parallelen zur jüdischen Liturgie nach der Zerstörung des Zweiten Tempels trägt ein letzter Abschnitt Rechnung (V. The Later Jewish Liturgy). Die Einleitung schließt mit einer Bibliographie.

Den Hauptteil des Buches stellt die systematische Behandlung der einzelnen liturgischen Werke dar: Festival Prayers (1Q34 + 1Q34bis, 4Q507, 4Q508, 4Q509 + 4Q505; 15-40), 4QBerakhot (4Q286-90, 4Q280?; 41-82), Songs of the Sabbath Sacrifice (4Q400-407, 11Q17, Mas 1K; 83-167), Times for Praising God (4Q409; 168-171), Grace after Meals (4Q434a; 172- 176), A Lamentation (4Q501; 177-180), A Wedding Ceremony? (4Q502; 181-207), Daily Prayers (4Q503; 208-238), The Words of the Luminaries (4Q504, 4Q506; 239-266) und Purification Liturgies (4Q512, 4Q414; 267-295). Zu jedem Werk werden eine Einleitung, eine Übersetzung mit erläuternden Anmerkungen und ein zeilenweiser Kommentar geboten. Die Einleitung geht jeweils auf Inhalte (I), Handschriften (II), Struktur und Gattung sowie gegebenenfalls Prosodie und besondere Terminologie (III), Sitz im Leben (IV) und literarischen Kontext (V) ein und enthält eine Bibliographie. Eine Komposition innerhalb der Qumran-Gemeinschaft schließt der Vf. zwar bei keinem der behandelten Werke aus, hält sie aber nur bei 4QBerakhot und 4Q502 für gesichert, während er bei den übrigen Texten teils zu einer außerqumranischen Abfassung neigt (Festival Prayers, 4Q501, 4Q503, The Words of the Luminaries), teils die Frage der Herkunft ganz offen lässt (Songs of the Sabbath Sacrifice, 4Q409, 4Q434a, Purification Liturgies). Die Übersetzung zeichnet sich durch eine sehr informative Gliederung und Strukturierung aus. Die Gliederung erfolgt nicht nur nach Kolumnen und Fragmenten, sondern wo möglich auch nach Sinnabschnitten, wobei die einzelnen Abschnitte durchgehend mit einer Überschrift versehen sind. Überlappende Textpassagen zwischen verschiedenen Handschriften werden kombiniert und grafisch hervorgehoben. Die Anmerkungen zur Übersetzung gehen auf textkritische und sprachliche Detailfragen ein. Der zeilenweise Kommentar liefert im Wesentlichen zusätzliche Hilfen zum Verständnis des Textes sowie eine Fülle biblischer und außerbiblischer Parallelen, während auf eine Diskussion von Sekundärliteratur großenteils verzichtet wird. Am Ende des Bandes finden sich Indizes zu modernen Autoren, Bibelstellen, den Schriftrollen vom Toten Meer und anderen antiken Werken.

Dem Vf. ist mit dem vorgelegten Band eine solide Zusammenstellung von Übersetzung und Kommentierung der liturgischen Werke aus Qumran und Masada gelungen. Besonders hervorzuheben ist neben der Vielzahl hilfreicher Parallelstellen die nicht nur für Spezialisten zugängliche Gestaltung. Damit wird der Band dem Anspruch der neuen Reihe ECDSS gerecht, über ihren eigentlichen Gegenstandsbereich hinaus Hintergrundwissen für das Verständnis des Neuen Testamentes und des rabbinischen Judentums zu liefern. Der Beitrag zur Erforschung der liturgischen Texte aus Qumran und Masada selbst bleibt allerdings weitgehend auf den bisherigen Forschungsstand beschränkt. Darüber hinaus weisende Einsichten wie der Rekonstruktionsvorschlag einer Kolumne von 4Q512 (4Q512 1-3, 13 I, 14 I, 15 I-16, 29-30) finden sich leider nur selten. Zu erwähnen ist auch die Auslegung von 4Q502, die durch diverse Einzelbeobachtungen Baillets Verständnis einer Hochzeitszeremonie zu erhärten sucht, ohne dabei den Anspruch zu erheben, die von Baumgarten und Satlow postulierte Verbindung mit dem Laubhütten- bzw. Neujahrsfest ausschließen zu können. Der Band behandelt ferner die erst während oder nach seiner Fertigstellung offiziell publizierten Handschriften bzw. Fragmente 4Q280, 4Q409, 4Q414 und 4Q434 2a,b. Die von B. Nitzan (DJD XXIX, 1-8) als 4QCurses edierte Handschrift 4Q280 versteht der Vf. als Version von 4QBerakhot, während er bei dem von E. Qimron (DJD XXIX, 63-67) als Liturgical Work A edierten Text 4Q409 Qimrons vorläufiger Edition (Times for Praising God. A Fragment of a Scroll from Qumran [4Q409], JQR 80 [1989-90] 341-347) folgt. Die Interpretation von 4Q434 2a,b schließt sich an die in der vorläufigen Publikation von M. Weinfeld (Grace After Meals in Qumran, JBL 111 [1992] 427-440) vertretene These einer Frühform des aus rabbinischen Quellen bekannten häuslichen Tischgebetes für Trauernde nach der Mahlzeit an, die in der offiziellen Publikation von M. Weinfeld und D. Seely (DJD XXIX, 267-286) insofern modifiziert wird, als die Fragmente 2a,b nicht mehr als eigenständiges Werk, sondern als Teil von 4QBarkhi Nafshia (4Q434) verstanden werden. Bei der Behandlung von 4Q414 konnte bereits vorab die Edition von E. Eshel (DJD XXXV, 135-154) berücksichtigt werden. Neuerdings ist im Bereich der Reinigungsrituale zudem die von J. Baumgarten (DJD XXXV, 123-129) herausgegebene, ursprünglich als Serekh verstandene Handschrift 4QPurification Liturgy (4Q284) zu nennen.

Besonders angesichts der in Qumran bezeugten nichtessenischen liturgischen Texte hätte ein ausführlicherer Überblick über die jüdische Liturgie zur Zeit des Zweiten Tempels erwartet werden dürfen. Um der Vollständigkeit willen wäre schließlich eine Auflistung aller Texte wünschenswert gewesen, die zwar anderen Bänden zugewiesen wurden, sich aber auch als liturgisch klassifizieren lassen. Hierzu gehören die sich auf Bundeszeremonien beziehenden 1QS I 11-III 12 par. und 1QSb, die Exorzismen 4Q444, 4Q510-511, 6Q18, 8Q5 und 11Q11 (vgl. 2, Anm. 2) sowie der kalendarische Text 4Q334.