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Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

25–28

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Beck, Martin

Titel/Untertitel:

Elia und die Monolatrie. Ein Beitrag zur religionsgeschichtlichen Rückfrage nach dem vorschriftprophetischen Jahwe-Glauben.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1999. X, 322 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft 281. Lw. ¬ 98,00. ISBN 3-11-016455-8.

Rezensent:

Christian Frevel

"Daß die Jahwe-Monolatrie, da keinen universalen Anspruch erhebend und die Existenz anderer Götter anerkennend, auch polytheistische Kreise und darunter die Baal-Verehrung ohne militante Diskreditierung und Vereinnahmungsversuche akzeptieren konnte, ist religionsphänomenologisch verständlich" (237). Wenn dem so gewesen ist, stellt sich dennoch die Frage, wie und vor allem wann es denn zur Auseinandersetzung mit der Baal-Verehrung kommen konnte, von der die Elija-Literatur Zeugnis gibt. Die von H.-C. Schmidt an der Universität Erlangen-Nürnberg betreute und 1998 angenommene Dissertation "möchte zur Erhellung der israelitischen Religionsgeschichte und insbesondere der des Fremdgötterverbotes beitragen, indem sie die Gestalt des nur schwer zugänglichen vorschriftprophetischen Jahweglaubens genauer zu erfassen versucht" (2). Dazu konzentriert sie sich auf die Auseinandersetzung zwischen YHWH und Baal einerseits und die Elija-Überlieferung andererseits. Während der erste Abschnitt (1-29) neben Begriffsklärungen die These einer polytheistischen Religion im Israel des ersten Jahrtausends überprüft, legt das zweite Kapitel eine literargeschichtliche Analyse der Elija-Überlieferung vor (30-162). Das abschließende Kapitel wendet sich dann den religionsgeschichtlichen Problemen der Elija-Überlieferung zu. Es untersucht den Bezug des YHWH-Glaubens zur Magie (163-188) sowie die frühe Auseinandersetzung zwischen YHWH und Baal am Beispiel der Jehu-Revolution (188-237). Schließlich fragt Beck nach der religionsgeschichtlichen Identität des Baal im 9. Jh. v. Chr. (237-281). Ein theologischer Ausblick, ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Stellenregister beschließen die anregende Arbeit.

Die Weichen für das religionsgeschichtliche Ergebnis werden im ersten Kapitel gestellt, wo B. die Bahnen des "mainstreams" der religionsgeschichtlichen Diskussion verlässt. Hatte diese im letzten Jahrzehnt vornehmlich daran gearbeitet, die frühe Religion Israels als von den syro-palästinischen Nachbarreligionen wenig verschiedene, begrenzt polytheistische Religion zu erweisen und so die Frage aufgeworfen, ob vor dem 7./6. Jh. mit einer breiter durchgesetzten Ausschließlichkeitsforderung YHWHs zu rechnen sei, so setzt sich B. von diesem Nahezu-Konsens deutlich ab. Seiner Meinung zufolge hat man sich in "jahwistisch ausgerichteten Gruppen wohl weitgehend an Jahwe allein gehalten" (29), wenn es auch wenige "polytheistisch orientierte Kreise gegeben hat" (28). Aber polytheistisch war die Religion Israels nach B. selbst nicht, allenfalls "ist nicht auszuschließen, dass im volksreligiösen Kontext sich polytheistische Vorstellungen mit dem Jahwe-Glauben verbunden haben. Ausgangspunkt ist die Annahme, "daß der Anspruch der Alleinverehrung Jahwes schon älter sein muß" (9) als der exilische Monotheismus. Verbunden mit dieser aus dem Vertrauen in das Alter der Texte gewonnenen Einsicht ist bei B. die vehemente Ablehnung der oben erwähnten Polytheismusthese. Allerdings überzeugt seine gegen B. Lang, M. Weippert und E. A. Knauf vorgebrachte Argumentation angesichts seiner kritisch angeführten und durchgehend anders bewerteten biblischen (!) und außerbiblischen (epigraphischen, ikonographischen und archäologischen) Evidenz kaum. Es hängt eben - wie B. sehr wohl selbst zu erkennen gibt- nicht nur an der Interpretation der von ihm zu Recht in ihrer Beweiskraft angezweifelten biblischen Belege Dtn 32,8 f.; Ps 82; Am 9,5 f. u. a. m. Die prophetischen Belege (z. B. Jer 1,16; 2,11; Ez 8; Hos 13,2*) werden von ihm ebenso unterschätzt wie der archäologisch-epigraphische Befund. Natürlich ist jedes der Einzelargumente (z. B. Tell Der 'Alla, Kuntilet 'Agud oder Elephantine) für sich genommen hinterfragbar und die von B. vorgetragene Kritik, wenn auch nicht immer überzeugend, so doch in allen Fällen beachtenswert, doch die kumulative Evidenz der Argumente ist letztlich gegen B. überzeugend. Den polytheistischen Referenzrahmen kann auch die mit J. H. Tigay angeführte jahwistische Tendenz der theophoren Personennamen nicht ins Wanken bringen. B.s Erwartung, von Polytheismus könne nur geredet werden, wenn man ein namentlich differenziertes Götterpantheon nachweisen könne, erscheint angesichts der Fundlage überzogen. Stellen wie 1Kön 15,13; 2Kön 18,4; 2Kön 23 oder die von Ezechiel beschriebenen Zustände im spätvorexilischen Jerusalemer Tempel widerstreiten dem Versuch B.s, Momente des Polytheismus in den Bereich der Volksfrömmigkeit abzudrängen und die nationalreligiöse Ebene im Prinzip für jahwistisch "rein" zu erklären.

Auf dem Hintergrund dieser "Klärungen" wendet sich B. in dem literargeschichtlichen Hauptteil der Elija-Überlieferung zu. Auf der Grundlage des Göttinger Schichtenmodells (ohne DtrP und mit Auflösung von DtrN in mehrere spätdeuteronomistische Bearbeitungen unter dem Siglum DtrS) analysiert B. gründlich zunächst den Fall Nabot 2Kön 21, dann die Dürrekomposition 1Kön 17-18, Elija am Horeb 1Kön 19,1-18 und schließlich die Befragung des Baal-Zebub durch Ahasja in 2Kön 1,2-17. Im Ergebnis stellt sich B. das Werden der Elijaüberlieferung grob in sieben redaktionsgeschichtlichen Stufen vor (vordtr Überlieferung, vordtr Komposition, dtrG, spätdtr Erweiterungen, nachexilisch-dtr Lehrerzählungen, nachexilische Feindschaftsbearbeitung, Enneateuch-Bearbeitung).

Am Beginn der Überlieferung stehen Personensagen über den paranormal begabten Elija in 1Kön 17,5b-6; 17,10aba.11bb.12-13.14abb.15; 18, 41-45.46abb. Ein Konflikt mit dem Königshaus existiert nicht. Im ausgehenden 8. Jh. wurden die Sagen durch 17,1.7.10bb.11aba und 18,1aa.2a zu einem Dürrekranz zusammengearbeitet. Aus der gleichen Zeit stammt die Prophetenerzählung 2Kön 1,2.5-8.17aa. Etwas später datiert die ursprünglich nicht mit Elija verbundene Naboterzählung in 1Kön 21, 1ab-16. DtrH, der die vorgegebene Überlieferung aufnimmt, hat dann der Elijagestalt weitestgehend das Gepräge gegeben, das sie heute hat. Elija wird vom paranormalen Ekstatiker zum wortgeleiteten Propheten umgestaltet und YHWH zum Regenspender (1Kön 17,2-8 f.14aab.16; 18,1abgb.46aa; 1Kön 21,1aa). Erst jetzt wird das Königshaus wegen religiöser Verfehlungen angeklagt (1Kön 16,29-33*; 1Kön 21,17-19.20bb-24.27-29). Erst aus nachexilischer Zeit stammen die Lehrerzählungen von der Opferprobe (1Kön 18,21-30.33-35a.36aa.37.38aa.39-40) und von Elijas Flucht zum Gottesberg (1Kön 19,3ab-18), in denen Elija als Vorkämpfer des Monotheismus stilisiert werde. Neu im Kontext der Elijaforschung ist die Annahme, diese Stücke seien von einer "Feindschafts-Bearbeitung" mittels 1Kön 18,17-20; 19,1-3aa (sowie 1Kön 17,17-24; 18, 2b-16; 21,20aba; 2Kön 1,9-14.15b-16) in den vorgegebenen Erzählzusammenhang eingearbeitet worden. Am Schluss der Redaktionsgeschichte stehen spätdtr Einschreibungen, die den gesamten Enneateuch (Gen- 2Kön) im Blick haben (1Kön 18,31-32.35b.36agdb.38abb; 21,25-26; 2Kön 1,3 f.15a).

B.s Analyse des Textes ist anspruchsvoll, differenziert und in gründlicher Auseinandersetzung mit der Forschung entworfen. Nicht immer überzeugt dabei seine komplexe Auflösung der Erzählspannungen. So ist z. B. zu fragen, ob der Bezug auf die Götter in 1Kön 19,2 plausibel nachexilisch datiert werden kann, ob nicht die Wiederaufnahme des Knaben aus 1Kön 18,43 f. in 19,3 für eine literargeschichtliche Zusammengehörigkeit spricht oder ob es plausibel ist, den Anredewechsel zwischen 1Kön 18,21 und 18,23a zu überspielen. Wenn die nachexilische "Feindschaftsbearbeitung" auch Erzählstücke wie 1Kön 17,17-24 oder 2Kön 1,9-14 aufgenommen haben soll, scheint sie zum literargeschichtlichen "Entsorgungsunternehmen" missbraucht. Letztlich überzeugt es den Rez. nicht, dass sowohl 1Kön 17 und 21 als auch 2Kön 1 einen vorexilischen Kern haben, die kaum überzeugend als monotheistisch eingestufte Opferprobe in 1Kön 18 jedoch komplett in die Nachexilszeit verschoben wird.

Wenn die Erzählung von der Opferprobe auf dem Karmel erst nachexilisch Elijas Rolle im Kampf um den Monotheismus stilisiert, stellt sich die Frage nach den historischen Wurzeln der Auseinandersetzung zwischen YHWH und Baal. Dazu kann B. nur auf den Namen Elija und auf 2Kön 1 verweisen: "Eine Erzählung wie II Reg 1,2-17aa* hätte man sich kaum erdacht, wenn die Tradition über Elija nicht gewisse Erinnerungen über dessen dezidierte Jahwe-Verehrung enthalten hätte" (159). Für die Auseinandersetzung zwischen YHWH und Baal untersucht er nun die Erzählung von der Revolution Jehus. Den Grundstock der Erzählung sieht er in einer vordtr Komposition von Einzelszenen, die durch 2Kön 9,21bbgd.22bb.25-26; 10,15 f. 23a* zusammengebunden werden. DtrH hat dann die dort erkennbare Tendenz, die Revolution als gegen den Baalglauben gerichtete Maßnahme zu legitimieren, weiter ausgebaut. Wenn sich B. auch scheut, dem in 2Kön 10,18-27* berichteten militanten Vorgehen überregionale und umfassende Bedeutung zuzumessen, so will er das Geschehen doch historisch als "eine lokal sehr begrenzte Aktion" (215) mit zu den Revolutionsereignissen zählen.

Der hier erstmalig religionspolitisch fassbare Widerstand gegen den Baalkult wurzelt nach B. in einer Distanzierung Jehus von der omridischen Religionspolitik. Die Last muss schließlich wieder einmal Isebel tragen: "Sicherlich hat Isebel ihren heimatlichen Glauben auch in Samaria praktiziert, so dass ihr (samt den vermutlich von ihr mitgebrachten Hofbediensteten) die Ausübung ihres Kultes ermöglicht werden mußte" (216). Diese Hypothese, die auf den tendenziösen und xenophoben Perhorreszierungen deuteronomistischer Autoren fußt, macht B. nun noch zum Ausgangspunkt für die Suche nach einer religionsgeschichtlichen Identität des Baal im 9. Jh. Nach gründlicher und kritischer Überprüfung von Baal-Karmel, Baal-Schamem, Melkart sowie dem ugaritischen Baal plädiert B. für einen Neuansatz, den er im sidonischen Baal-Eschmun gefunden zu haben glaubt. Dessen Spuren als "Heilgott" findet er in Hos 2,7; 11,1-6; Jer 6,13 f. und nicht zuletzt in der historisch ausgewerteten (sic!) Erzählung 2Kön 1*. Der abschließende religionsgeschichtliche Gedankengang überzeugt wenig, nicht nur wegen der schwachen historischen Basis, sondern auch wegen der zu einfachen Gleichsetzung von Heilkompetenzen mit dem Gott Baal-Eschmun für das 9. Jh. Gerade jene These macht noch einmal ein Grundproblem der Arbeit deutlich, die schon relativ geringe Spuren historisch auszuwerten bereit ist und die außerbiblische externe Evidenz nur als Argumentationshilfe in Anspruch nimmt, aber nicht eigens analysiert. Dadurch verliert die von ihrer Fragestellung ausgesprochen anregende, religionsgeschichtlich notwendige und diachron insgesamt gesehen ohne Zweifel weiterführende Arbeit an Überzeugungskraft.