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Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

21–23

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Schmitt, Hans-Christoph]

Titel/Untertitel:

Theologie in Prophetie und Pentateuch. Gesammelte Schriften. Hrsg. von U. Schorn u. M. Büttner.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2001. X, 376 S. gr.8 = Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, 310. Geb. ¬ 98,00. ISBN 3-11-017188-0.

Rezensent:

Konrad Schmid

Der gehaltvolle Sammelband, herausgegeben von U. Schorn und M. Büttner zum 60. Geburtstag des Vf.s, vereinigt zwanzig Arbeiten aus den Jahren 1977-2000, wobei die Mehrzahl der Beiträge aus den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammt. Gruppiert werden sie in vier Abteilungen: 1. Prophetie, 2. Pentateuch, 3. Spätdeuteronomistische Endredaktion des Pentateuch, 4. Theologie, die das Schwergewicht der Arbeit des Vf.s am Alten Testament adäquat abbilden. Wie das nur bei wenigen Aufsatzbänden der Fall ist, stehen die verschiedenen Untersuchungen nicht bloß nebeneinander, sondern greifen vielfach ineinander. Prophetie und Pentateuch, in redaktionsgeschichtlicher und theologischer Perspektive angegangen, sind die wichtigsten Arbeitsgebiete des Vf.s, die ihn seit seinen Büchern zu Elisa (1972) und der Josephsgeschichte (1980) beschäftigen. Die Interaktion der Aufsätze wird allein schon daran deutlich, dass mancher Text auch unter einer anderen Sparte hätte eingeordnet werden können, als dies die Herausgeber vorgenommen haben: "Tradition der Prophetenbücher in den Schichten der Plagenerzählung Ex 7,1-11,10" (38-58) läuft unter "Prophetie", ließe sich aber auch bei "Pentateuch" einfügen; "Die Erzählung vom Goldenen Kalb Ex 32* und das Deuteronomistische Geschichtswerk" (311-325), unter der Sparte "Theologie" eingereiht, hätte sich auch in den zuvorlaufenden Abschnitt "Spätdeuteronomistische Endredaktion des Pentateuch" eingepasst.

Die im Abschnitt "Prophetie" versammelten Arbeiten (3-18: "Prophetie und Tradition. Beobachtungen zur Frühgeschichte des Nabitums" [1977]; 19-37: "Prophetie und Schultheologie im Deuterojesajabuch" [1979]; 38-58: "Tradition der Prophetenbücher in den Schichten der Plagenerzählung Ex 7,1-11,10" [1989]; 59-73: "Das sogenannte vorprophetische Berufungsformular. Zur geistigen Heimat des Berufungsformulars von Ex 3,9-12; Richt 6,11-24 und 1Sam 9,1-10,16" [1992]; 74- 86: "Erlösung und Gericht. Jes 43,1-7 und sein literarischer Kontext" [1992]) zeigen, dass der Vf. schon früh die redaktionsgeschichtliche Fragestellung namentlich im Deuterojesajabuch zur Anwendung gebracht hat, zu einer Zeit, als sie der Prophetenforschung noch nicht in dem Maß geläufig war, wie dies heute der Fall ist. Besonders hervorzuheben ist, dass der Vf. sich nicht auf das Eruieren unterschiedlicher literarischer Straten im Text beschränkt, sondern auch intensiv auf die redaktionelle Logik und theologische Bedeutung des Fortschreibungsprozesses reflektiert.

Im Bereich der Pentateuchforschung gehört der Vf. zu denjenigen Autoren, die vor gut zwanzig Jahren eine Wende eingeleitet bzw. befördert haben, die das klassische Quellenmodell ("J", "E", "D", "P") jedenfalls in einem solchen Maß erschüttert hat, dass es nicht mehr jeder Auslegung von Pentateuchtexten fraglos zu Grunde gelegt werden kann - es kann nicht mehr als sicherer Ausgangspunkt der Exegese gelten, sondern sich höchstens als deren mögliches, wenn auch nicht wahrscheinliches Ergebnis herausstellen. In seiner Monographie zur Josephsgeschichte (1980) und in weiteren Beiträgen (im vorliegenden Band: 89-107: "Die Hintergründe der neuesten Pentateuchkritik und der literarische Befund der Josefsgeschichte Gen 37- 50" [1985]; 108-130: "Die Erzählung von der Versuchung Abrahams Gen 22,1-19* und das Problem einer Theologie der elohistischen Pentateuchtexte" [1986]; 131-154: "Das Hesbonlied Num 21,27abb-30 und die Geschichte der Stadt Hesbon" [1988]; 155-164: "Die Geschichte vom Sieg über die Amalekiter Ex 17,8-16 als theologische Lehrerzählung" [1990]; 165- 188: "Der Kampf Jakobs mit Gott in Hos 12,3 ff. und in Gen 32,23 ff. Zum Verständnis der Verborgenheit Gottes im Hoseabuch und im Elohistischen Geschichtswerk" [1998]; 189- 199: "Eschatologische Stammesgeschichte im Pentateuch. Zum Judaspruch von Gen 49,8-12" [1999]) hat der Vf. ein - in Grundzügen an F. V. Winnetts und J. Van Seters Forschungen erinnerndes - Modell vorgestellt, das namentlich im Bereich der nichtpriesterlichen Texte eigene Wege geht. Es rechnet mit der Zusammenstellung protojahwistischer Stoffe durch eine elohistische Redaktion, die nachträglich durch spätjahwistische und priesterliche Texte überlagert worden ist. Die Bezeichnungen "Elohist" und "Jahwist" werden zwar beibehalten, doch es handelt sich bei ihnen im Wesentlichen um Redaktoren, nicht Autoren von Quellen, und das herkömmliche "jahwistische" Textgut wird aufgeteilt in frühe Teilüberlieferungen und, hierhin gehört der Hauptteil der traditionellen Zuweisungen, späte Redaktionstexte. Das Bild der Entstehung des Pentateuch, das der Vf. zeichnet, nähert sich also demjenigen an, das üblicherweise für das literarische Werden der Vorderen Propheten vertreten wird: Am Anfang der Literaturwerdung stehen Einzelüberlieferungen, die durch tiefgreifende redaktionelle Maßnahmen zusammengestellt und fortgeschrieben worden sind - keine Urkundenhypothese also, sondern eine kombinierte Quellen- und Ergänzungshypothese ist dem textlichen Befund des Pentateuch am ehesten angemessen.

Die neben seinen Büchern forschungsgeschichtlich wichtigsten Aufsätze des Vf.s finden sich im dritten Großabschnitt des Buches, der etwas zu kleinräumig mit "Spätdeuteronomistische Endredaktion des Pentateuch" überschrieben ist: Tatsächlich betreffen wichtige Beiträge in dieser Abteilung den Enneateuch (Gen-2Kön) insgesamt (203-219: "Priesterliches und prophetisches Geschichtsverständnis in der Meerwundererzählung Ex 13,17-14,31. Beobachtungen zur Endredaktion des Pentateuch" [1979]; 220-237: "Redaktion des Pentateuch im Geiste der Prophetie. Beobachtungen zur Bedeutung der Glaubens-Thematik innerhalb der Theologie des Pentateuch" [1982]; 238-254: "Der heidnische Mantiker als eschatologischer Jahweprophet. Zum Verständnis Bileams in der Endgestalt von Num 22-24" [1994]; 255-276: "Die Suche nach der Identität des Jahweglaubens im nachexilischen Israel. Bemerkungen zur theologischen Intention der Endredaktion des Pentateuch" [1995]; 277-294: "Das spätdeuteronomistische Geschichtswerk Genesis I-2 Regum XXV und seine theologische Intention" [1997]; 295-308: "Die Josephsgeschichte und das Deuteronomistische Geschichtswerk. Genesis 38 und 48-50" [1997]). Die hier versammelten Texte samt dem Aufsatz "Die Erzählung vom Goldenen Kalb Ex 32* und das Deuteronomistische Geschichtswerk" (311-325 [2000]), der unter "Theologie" eingereiht ist, fügen sich zu einem in sich stimmigen Bild zusammen, das sich durch die Betonung der prophetischen Ausrichtung des fertigen Pentateuch sowie die Rückführung dieser Ausrichtung auf eine nachpriesterliche Redaktionsschicht auszeichnet.

Dem Vf. gebührt namentlich wegen der epochemachenden Studie "Redaktion des Pentateuch im Geiste der Prophetie" das Verdienst, nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass der Pentateuch nach der Einarbeitung der Priesterschrift noch nicht beendet war, sondern vielmehr noch bedeutsame theologische Akzentuierungen erfahren hat - von besonderer Bedeutung ist hier die "Glaubens"-Thematik, die der Vf. auf die "Redaktion des Pentateuch im Geiste der Prophetie" zurückführt. Hinzu tritt, dass der Vf. dezidiert Gen-2Kön insgesamt als Horizont der Forschung an Pentateuch und Deuteronomistischem Geschichtswerk berücksichtigt und die herkömmliche, problematische Trennung beider Überlieferungsbe- reiche für die späten Redaktionsstufen wieder zurücknimmt, ohne jedoch die - in sich variationsreiche - These des Deuteronomistischen Geschichtswerks als solche kritisch zu revidieren, was nach Auffassung des Rez. allerdings nötig wäre.

Der Band wird beschlossen durch Beiträge zur Theologie des Alten Testaments (326-345: "Die Einheit der Schrift und die Mitte des Alten Testaments" [1994]; 346-366: "Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments" [1995]), die vor allem Wert auf die Eigenständigkeit einer Theologie des Alten Testaments im Rahmen einer Biblischen Theologie legen, die einerseits das Gespräch mit dem Judentum ermöglicht (339), andererseits aber auch der christlichen Rezeptionsgeschichte des Alten Testaments Rechnung trägt.