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Ausgabe:

Januar/2003

Spalte:

19–21

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Macchi, Jean-Daniel, et Thomas Römer [Eds.]

Titel/Untertitel:

Jacob. Commentaire à plusieurs voix de/Ein mehrstimmiger Kommentar zu/A Plural Commentary of Gen 25-36. Mélanges offerts à A. de Pury.

Verlag:

Genève: Labor et Fides 2001. 399 S. 8 = Le Monde de la Bible, 44. Kart. sFr 60,00. ISBN 2-8309-0987-9.

Rezensent:

Harald Wahl

"Jacob" - das ist ein bunter Blumenstrauß, den 32 Alttestamentler weit über die frankophone Exegese hinaus Albert de Pury, Neuchâtel, zu seinem 60. Geburtstag überreichen.1

Methodisch hebt sich die vorliegende Ehrengabe innovativ von den zahlreichen Festschriften ab. Anknüpfend an die vor über einem Vierteljahrhundert erschienene zweibändige Dissertation Purys Promesse divine et légende culturelle dans le cycle de Jacob. Genèse 28 et les traditions patriarchales, Etudes bibliques, Paris 1975, machen es die beiden Herausgeber Jean-Daniel Macchi, Genf, und Thomas Römer, Lausanne, den beitragenden Exegeten im ersten Teil der Festgabe zur Pflicht, die Jakobserzählungen der Genesis fortlaufend auszulegen (11- 300).

So werden dann die Jakobserzählungen weitgehend sinnvoll in ihre Erzählabschnitte eingeteilt (25,19-34; 26,1-14a; 26, 14b-25; 26,26-35; 27,1-40; 27,46-28,8, 28,10-22; 29,1-14; 29,15-30; 29,31-30,24; 30,25-43; 31,1-24; 31,25-42; 31,43-32,1; 32,2-22; 32,23-33; 33,1-11; 33,12-20; 34; 35, 1-5; 35, 6-15; 35,16-22a; 35,22b-29; 36,1-43) und entsprechend der kanonischen Komposition fortlaufend behandelt. Dabei werden die Texte je nach hermeneutischer, philologischer und methodischer Provenienz der Autoren und je nach ihrer vorgegebenen literarhistorischen sowie theologischen Eigenart im doppelten Sinne individuell gewürdigt. Die gegenwärtig virulenten redaktionsgeschichtlichen Fragen der Pentateuchforschung werden bisweilen maßvoll in die Auslegung eingebunden.

Greifen wir exemplarisch drei Blumen aus dem Bouquet heraus: Jacques Vermeylen beispielsweise legt seiner Deutung von Gen 26,14b-25 ein dreigliedriges Schema zu Grunde (34-50). "Le commentaire de la péricope sera développé en trois temps: une première reconnaissance du texte, phrase par phrase, un essai d'interprétation synchronique et enfin une lecture dans la perspective de l'exégèse historico-critique" (34). Auf diese Weise gelangt er zu der Deutung, dass der wiederholt deuteronomistisch überarbeitete Text die exilische Hoffnung Israels auf die Restauration des Gottesvolkes ausdrückt (49-50).

Ganz anders Jean-Georges Heintz, der den Bund zwischen Jakob und Laban (Gen 31,43-32,1) im Lichte verwandter protobiblischer Texte vor allem aus Mari und Ugarit liest und so den auf der literarischen Ebene dargestellten Vertrag zwischen dem Patriarchen und dessen Schwiegervater aus der Mittelbronze II-Zeit bzw. Spätbronzezeit kontextuell erhellt (163-180).

John Van Seters schließlich versucht bei seiner Auslegung der umfangreichen Dina-Erzählung eine literarhistorische und kontextuelle Lesart zu verknüpfen (239-247). "First, this combination of J and P does not result merely in ambivalence or a balance of viewpoints, but in contradiction and incoherence. ... Second, the most effective way of understanding this account in Genesis 34 is intertextual and I have tried to bring to bear on this text a number of related texts from elsewhere in the Old Testament" (247). Diese drei Beispiele mögen genügen, einen Eindruck von der methodischen und exegetischen Vielfalt der einzelnen Beiträge zu vermitteln.

Doch damit nicht genug. In einem kürzeren zweiten Teil - Jacob dans la littérature et l'art überschrieben - würdigen dann sieben Autoren die Wirkungsgeschichte der Jakobserzählungen (303-396): Den natürlichen Auftakt bestimmt Christoph Uehlinger, der sich dem Thema Fratrie, filiations et paternités in der Josephserzählung widmet (303-328). Horst Seebass geht den Spuren Jakobs außerhalb der Genesis im Pentateuch nach (329- 338), Steven L. McKenzie beleuchtet seinen Weg in der prophetischen Literatur (339-357). Am Beispiel von Philo von Alexandrien beschreibt Petra von Gemünden wie Jakob als literarische Figur in der hellenistisch-römischen Epoche dargestellt wird (358-370). Jan Alberto Soggin beschäftigt sich mit der Deutung Jakobs in Hebr 11,17-19 (371-372), Esther Starobinski-Safran widmet sich übersichtlich der Interpretation Jakobs in der (proto)-rabbinischen Literatur von Philo bis zu Maimonides (373- 393). Mit der ältesten bildlichen Interpretation des Traumes von Bethel (28,10-17) in der Synagoge von Dura Europos beschließt Gabrielle Sed-Rajna die bunte Festgabe (394-396). Leider vermisst der Leser einen Beitrag zu den Jakobserzählungen der Jubiläen (c. 19,13-39,1), die nicht nur eine der umfassendsten Rezeptionen, sondern gleichsam kompositorisch und theologisch auch eine der bedeutendsten und frühesten Interpretationen der Genesis darstellen.

Überflüssig ist der umfassende Bestand an basaler Literatur, der in jedem Artikel immer wieder neu zitiert wird. Hier hätte ein Literaturverzeichnis der wichtigsten Literatur von Hermann Gunkel über Gerhard von Rad und Martin Noth, von Claus Westermann über Erhard Blum bis zu Christoph Levin sowie der klassischen Beiträge zu den einzelnen Perikopen zur Effizienz beigetragen. Auf Register haben die Herausgeber völlig verzichtet. - Dennoch ist das Buch schon wegen seiner Konzeption leserfreundlich gestaltet und überaus anregend für die Auslegung der Jakobserzählungen. "Jacob" - das ist ein Prisma der kontemporären Exegese. So erfreut der liebevoll gebundene Blumenstrauß nicht nur den verehrten Jubilar, über den einer der Kollegen preisgibt, dass "Albert de Pury one of the treasures of the field of Hebrew Bible/Old Testament studies - a renowned scholar, a cultured gentleman, a gifted cartoonist, and a charming host" ist (339).

Fussnoten:

1) Die einzelnen Autoren sind Michaela Bauks, Alain Bühlmann, Erhard Blum, Jacques Briend, Bernd Jörg Diebner, Walter Dietrich, Félix Garcia López, Petra von Gemünden, Pierre Gibert, Philippe Guillaume, Jean-Georges Heintz, Elena Jurissevich, Ernst Axel Knauf, André LaCocque, Jean-Daniel Macchi, Steven L. McKenzie, Alfred Marx, Hans-Peter Mathys, Thomas Naef, Thomas Römer, Martin Rose, Adrian Schenker, Konrad Schmid, Gabrielle Sed-Rajna, Horst Seebass, Jean Louis Ska, Francoise Smyth, Esther Starobinski-Safran, John Van Seters, Jan Alberto Soggin, Christoph Uehlinger, Jacques Vermeylen.