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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1318 f

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Arnold, Gottfried

Titel/Untertitel:

Die Erste Liebe. Hrsg. von H. Schneider.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2002. 212 S. 8 = Kleine Texte des Pietismus, 5. Kart. ¬ 12,00. ISBN 3-374-01913-7.

Rezensent:

Marcel Nieden

Im Jahr 1696 veröffentlichte der dreißigjährige Gottfried Arnold ein kirchengeschichtliches Großwerk mit dem Titel "Die Erste Liebe Der Gemeinen Jesu Christi/Das ist/Wahre Abbildung Der Ersten Christen/Nach Jhren Lebendigen Glauben Und Heiligen Leben" (Frankfurt a. M.: Gottlieb Friedeburg). Darin beschreibt der gelehrte Pietist in deutlich kirchenkritischer Absicht die Zeit des antiken Christentums als eine Idealzeit, in der die Christen unter dem Kreuz und ohne feste kultische Formen, Gebäude und Ämter lebten, bis die Konstantinische Wende und die verführerische Protektion des Staates diese christlich-mystische Existenzweise beseitigten. Das Werk markiert einen bedeutenden Abschnitt in der historiographischen Entwicklung Arnolds hin zur "Unparteyischen Kirchen= und Ketzer=Historie" (1699/1700), indem hier bereits ein überkonfessioneller Standpunkt bezogen und die Basis zu einer speziell pietistischen Verfallstheorie gelegt wird.

Hans Schneider gebührt das Verdienst, diesen wichtigen Text in einer zuverlässigen und preiswerten Ausgabe wieder zugänglich gemacht zu haben. Für die Publikation im Rahmen der "Kleinen Texte des Pietismus" kam selbstverständlich nur eine Auswahlausgabe des voluminösen Werks (rund 1100 Folio-Seiten) in Frage. Die programmatischen Rahmentexte ("Zuschrifft", "Vor=Rede", "Nach=Rede") hat der Herausgeber ungekürzt ediert. Aus dem umfangreichen "Vor=Bericht", in dem Arnold über seine Quellenverwendung Rechenschaft ablegt, wurden die zentralen Passagen aufgenommen, ebenso fand das Inhaltsverzeichnis Aufnahme, das die Überschriften der einzelnen Kapitel aller acht Bücher der "Ersten Liebe" enthält. (Es fehlen freilich die Kap. 10-12 des vierten Buches.) Was die Auswahl der Texte aus den einzelnen Büchern angeht, so hat Schneider die begrüßenswerte Entscheidung getroffen, lieber wenige Kapitel vollständig als viele Kapitel auszugsweise abzudrucken. Von dem argumentativen Vorgehen Arnolds lässt sich dadurch ein genauerer Eindruck gewinnen. Aus dem ersten Buch hat der Herausgeber drei Kapitel ausgewählt (Kap. 1, 8 und 12), in denen Arnold anhand zahlreicher Kirchenväterzitate wesentliche Züge seines pietistischen Bekehrungs-, Buß- und Heiligkeitsideals entfaltet. Das zweite Buch, das den kollektiv-gemeindlichen Glaubensvollzug thematisiert, ist durch das gerade in heutiger Gender-Perspektive aufschlussreiche sechste Kapitel "Von denen Christlichen Weibs=Personen in den ersten Gemeinen" vertreten. Aus dem umfangreichen und gewichtigen achten Buch, das die unter Konstantin verstärkt einsetzende Ab-wendung von der ersten Liebe beschreibt, hat der Herausgeber das grundlegende zweite Kapitel "Von dem Verfall der Christen unter dem äußerlichen Wohlstand/dessen Ursachen und Umständen" in seine Edition aufgenommen.

Der Text wird (mit einigen Einschränkungen) diplomatisch getreu nach dem Erstdruck von 1696 wiedergegeben und im Anhang durch einen doppelten Kommentar gut erschlossen: Ein Stellenkommentar weist vor allem biblische Zitate und Anspielungen nach, identifiziert Personen, erläutert kirchengeschichtliche Sachverhalte und Begriffe und macht auf einige Besonderheiten des pietistisch-mystischen Wortschatzes aufmerksam; ein Quellenverzeichnis verifiziert die von Arnold so zahlreich zitierten theologischen Autoren und Werke - wenn möglich nach den im "Catalogus Bibliothecae B. Godofredi Arnoldi" genannten Ausgaben. Auf exakte Stellennachweise in kritischen Werkausgaben wurde verzichtet. Abgerundet wird die Edition durch eine Auswahlbibliographie zur "Ersten Liebe" sowie durch ein fundiertes Nachwort, das den biographischen Kontext umreißt, Fragen der äußeren Quellenkritik behandelt und einen kurzen wirkungsgeschichtlichen Ausblick gibt.

Folgende Corrigenda sind auf Grund der Einsichtnahme in den Erstdruck (Exemplar der Universitätsbibliothek Eichstätt, Signatur: BO 2050 A754; Teil 2, Bl. [*** 3b]) nachzutragen: S. 20, Z. 23 f.: "Auslegungen"; S. 32, Z. 27: "Labbéi", "Saussay"; S. 47, Z. 3: nach "August." ergänze "Confessiones"; S. 51, Z. 10: "setzt"; S. 62, Z. 21: "unterschieden"; S. 69, Z. 16: "sucht"; S. 72, Z. 24: ergänze "(r) Erasmus Not. ad. Ep. 2. Hieron."; S. 78, Z. 15: "fassen"; S. 81, Z. 3: "ämsig". Darüber hinaus sei noch genannt: S. 73, Z. 14: streiche "wir".