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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1301–1303

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kloppenborg Verbin, John S.

Titel/Untertitel:

Excavating Q. The History and Setting of the Sayings Gospel.

Verlag:

Edinburgh: Clark 2000. XII, 546 S. m. Abb. gr.8. Kart. £ 19,95. ISBN 0-567-08728-X.

Rezensent:

Claus-Peter März

Die Frage nach Q hat in den letzten drei Jahrzehnten in der neutestamentlichen Forschung wachsende Aufmerksamkeit und inzwischen im "Internationalen Q-Projekt" auch ein spezielles wissenschaftliches Forum gefunden, das zur Intensivierung des Bemühens um die Quelle beigetragen hat. In dieser Situation möchte J. S. Kloppenborg Verbin - Ko-Direktor des Internationalen Q-Projekts - über die Forschungslinien informieren und zugleich notwendige Orientierungen und Klarstellungen bieten. Sein Buch ist freilich weit mehr als nur ein Literaturbericht. Es führt vielmehr intensiv in die Synoptische Frage und die sich aus dieser ergebende Begründung der "Redequelle" ein, bilanziert die Q-Forschung, beschreibt die Forschungsgeschichte und ihre theologischen Hintergründe, reflektiert das methodische Vorgehen und bietet Ansätze einer sich trotz vieler Divergenzen abzeichnenden Synthese in der Q-Forschung. Kurz: "... it is a book on how one talks about Q, and why it matters" (IX).

K. ordnet die Darlegungen in zwei große Abschnitte, die zwar einander zugeordnet sind, aber doch unterschiedliche Ziele verfolgen: Der erste Teil - "Text and History" (11-264) - erörtert das synoptische Problem und die Frage nach Q von den Gegebenheiten des Textes und der Geschichte her. Die Argumentation führt dabei stufenweise vom synoptischen Problem zur Annahme einer zweiten Quelle, von deren schriftlich fixierter Gestalt zu ihrer redaktionskritischen Betrachtung, von der Frage nach dem "Trägerkreis" von Q zu dessen Zuordnung zu einem bestimmten soziokulturellen Umfeld. Die Kapitelüberschriften markieren das thematische Gefälle: 1. "Q and the Synoptic Problem", 2. "The Character and Reconstruction of Q", 3. "The Composition and Genre of Q", 4. "The Q Document and the Q People", 5. "Reading Q in Galilee". Der zweite Teil - "Theology and Ideology" (271-444) - stellt die im ersten Teil erörterten Aspekte in einen größeren theologischen Rahmen, der nicht nur die Forschungsgeschichte aufnimmt, sondern auch die theologischen Fragen, die die Arbeit an Q hintergründig reguliert haben. Die für Q im Hinblick auf andere neutestamentliche Schriften reklamierten Besonderheiten werden ebenso untersucht und auf Hintergründe befragt wie die Bestimmung der "Q-Gruppe". Auch hier können die Kapitelüberschriften die thematische Akzentuierung anzeigen: 6. "The Jesus of History and the History of Dogma", 7. "Putting Q on the Map", 8. "Making Difference", 9. "Social Characterizations in Theological Perspective".

Einige Akzente seien besonders hervorgehoben: K. lässt keinen Zweifel daran, dass die Zweiquellentheorie (= 2QT) und damit Q auf einer Hypothese beruht, stellt aber zu Recht fest: "The Synoptic Problem can be addressed only at the level of theory and hypothesis." (54) Entscheidend ist die Evidenz und Effektivität einer Hypothese. In diesem Sinne ist die 2QT zwar kein unanfragbares "Dogma", wohl aber ein Arbeitsmittel, das sich als effektiv und deshalb als brauchbar erwiesen hat. K. verweist dabei m. E. zu Recht darauf, dass sich von der 2QT her auch die Vorgaben für die Gestalt von Q ergeben: "The conclusion, that Q was a Greek document and that it conformed generally to Luke's sequence are not further hypotheses added onto" 2QT (111).

Die Überlegungen zu Komposition und Gattung sind vor allem vom methodenkritischen Ansatz her richtungweisend. Auch hinsichtlich der Frage nach der "Q-Gruppe" und deren sozialgeschichtlicher Zuordnung wird der Leser immer neu mit der Frage nach der angemessenen und vermittelbaren Methodik konfrontiert: "From Text to Social History" (169- 178), "Microtextual Approaches" (179-196), "Sociorhetorical Approaches" (196-213). K. stellt heraus, dass die aus Q zu erhebenden Gegebenheiten gut mit der Situation, die für das Galiläa der Jahre vor 70 n. Chr. bestimmend gewesen sein dürfte, zusammengebracht werden können: "Q seems to cohere with the situation of the Galilee before the First Revolt ... Q is thus engaged in a struggle on two fronts: in support of town and village culture against the encroachments of the cities, and in support of local forms of Israelite religion in the face of pressure from the hierocratic worldview of Judaea" (261).

Die von K. skizzierte Forschungsgeschichte gibt dem Bemühen um Q in besonderer Weise Profil, zeigt sie doch, wie nachdrücklich die literarischen Fragen durch theologische Probleme angestoßen und auch immer wieder gefasst worden sind: "The Synoptic Problem originated not as a literary problem but as a theological one - not as an innocent, antiquarian excursion into the literature of primitive Christianity, but as a response to the theological problem created by Reimarus." (325) Aus den sich immer wieder auch wandelnden Interpretationsmustern hat sich inzwischen eine durchaus differenzierte Sicht herausgeschält, die Q weder als dominant noch als irrelevant für die Erhebung des historischen Jesus ansieht, sondern als einen speziellen literarischen Punkt in der Entfaltung der Jesustradition bzw. als eine Ebene der theologischen Reflexion in der frühen Christenheit. Eingehend befasst sich die Studie mit den Differenzen von Q zu anderen neutestamentlichen Schriften. Auch hier geht es K. um die theologischen Hintergründe, von denen her Q bisweilen sehr nachdrücklich von den Evangelien abgesetzt wird. Er stellt heraus, dass sich Q zwar von anderen Schriften - etwa im Hinblick auf das Verständnis der Passion und das Osterbekenntnis - unterscheidet, aber eben auch an einem anderen geschichtlichen Ort das Zeugnis für Jesus Christus in anderer Form zur Sprache bringt.

Das von K. vorgelegte Buch stellt aufs Ganze gesehen ein kenntnisreiches und für die konkrete exegetische Arbeit außerordentlich hilfreiches Kompendium der Q-Forschung dar, das gleichermaßen in die Begründungszusammenhänge, die Forschungsgeschichte, die theologischen Hintergründe und die neuere Hypothesenbildung einführt. Es ist mit einem scharfen Problembewusstsein konzipiert, sucht den Lesern hinsichtlich der Q-Frage differenzierte Urteile zu vermitteln und stellt m. E. derzeit die eindringlichste und reflektierteste Einführung in die Q-Forschung dar.