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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1296–1298

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Asher, Jeffrey R.

Titel/Untertitel:

Polarity and Change in 1 Corinthians 15. A Study of Metaphysics, Rhetoric, and Resurrection.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2000. XII, 250 S. gr.8 = Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie, 42. Lw. ¬ 84,00. ISBN 3-16-147411-2.

Rezensent:

Frances Back

Ashers Schrift über "Polarität und Verwandlung in 1Kor 15" ist ein Beitrag zur Frage nach dem Streit um die Auferstehung der Toten in Korinth. Im Unterschied zu vielen anderen Untersuchungen zu diesem Thema widmet sich A. dabei nicht dem ersten Teil des Kapitels, 1Kor 15,1-34, sondern der zweiten Hälfte, 1Kor 15,35-57. Hier lenkt er die Aufmerksamkeit der Leser vor allem auf die antithetisch formulierte Passage in 1Kor 15,39 ff. und die Verwandlungsthematik in 1Kor 15,51 ff. Im Zentrum seines Interesses steht die Frage, welche Rolle die in 1Kor 15,39 ff. zum Ausdruck gebrachten kosmischen Gegensätze und der Verwandlungsgedanke im Argumentationszusammenhang spielen. Beides, das Thema der kosmischen Polarität und die Verwandlung, bezieht sich nach A.s Auffassung auf die Auferstehung der Toten und bietet damit einen Schlüssel zum Verständnis des Streits in Korinth.

Wie A. durch eine Analyse des Stils in 1Kor 15 und mit Hilfe von Analogien aus der kynisch-stoischen Diatribe zu zeigen versucht, versteht Paulus die Gruppe der Auferstehungsbestreiter nicht als seine Gegner, sondern als Schüler, die er unterweisen und überzeugen will. Um dieses Ziel zu erreichen, verwendet Paulus nach A. verschiedene didaktische Techniken, wie das Aufzeigen von Unstimmigkeiten, die Anpassung an bestimmte Überzeugungen durch das Hervorheben von Übereinstimmungen und die Korrektur verfehlter Folgerungen der Auferstehungsleugner. Die Korinther stellen, so A., die Auferstehung der Toten auf philosophischer Grundlage in Frage, ausgehend vom Prinzip kosmischer Polarität, das keine Erhöhung irdischer Körper in den himmlischen Bereich erlaubt. Paulus bestätigt die Korinther in ihrer Annahme der Polarität des Kosmos und zeigt ihnen, dass die Lehre von der Auferstehung der Toten mit diesen philosophisch-kosmologischen Voraussetzungen vereinbar ist. In 1Kor 15,39-44a argumentiert er, dass die Lehre von der Auferstehung der Toten im Kontext einer räumlichen Polarität verstanden werden kann. In 1Kor 15,44b-49 zeigt er, dass auch die zeitliche Abfolge, die der Auferstehungsgedanke mit seiner Ausrichtung auf die eschatologische Zukunft impliziert, mit einem System räumlicher Polarität kompatibel ist. In 1Kor 15,50-57 korrigiert er dann die verfehlte Folgerung der Korinther mit dem ihnen bekannten, religionsgeschichtlich in der griechischen Philosophie beheimateten Gedanken der Verwandlung: Die Annahme einer Auferstehung der Toten verletzt nicht das Prinzip kosmischer Polarität, da die Toten wie die bei der Parusie Lebenden bei der Wiederkunft Christi eine plötzliche Verwandlung erfahren werden. Diesen Gedanken bringt Paulus nach A. auch schon in 1Kor 15,36-38 mit dem Bild vom Samenkorn zum Ausdruck, das verdeutlicht, dass in der Auferweckung ein Übergang ("transition") oder eine Verwandlung ("transformation") stattfindet, die Ergebnis göttlichen Schöpfungshandelns sind.

Mit seiner These zur Bedeutung der Verwandlung und des Prinzips der kosmischen Polarität für den Streit um die Auferstehung in Korinth lenkt A. die Aufmerksamkeit auf einen Punkt, der in der Forschung zu 1Kor 15 bisher nur am Rande behandelt wurde, über den zu diskutieren sich aber lohnt. Über einige wichtige exegetische Probleme geht A. dabei allerdings etwas zu schnell hinweg: Dies betrifft z. B. die Frage, warum Paulus in 1Kor 15,36 die Notwendigkeit des Todes betont. A. lässt dies offen; das Ziel von 1Kor 15,36-38 besteht nach seiner Sicht darin, die Korinther davon zu überzeugen, dass in der Auferstehung ein Übergang bzw. eine Verwandlung stattfindet (80.168). A. bemerkt die Schwierigkeit auch, wenn er feststellt, dass die Betonung der Notwendigkeit des Todes in V. 36 in Spannung zu V. 50-54 steht, wo davon ausgegangen wird, dass einige verwandelt werden, ohne vorher zu sterben (80). Die sachlich damit verbundene Frage, weshalb Paulus in 1Kor 15, 51f. zwischen Lebenden und Toten unterscheidet, beantwortet A. nicht; er hält sie für nicht so wichtig (161-163). Hier stellt sich die Frage, ob das Thema der Verwandlung wirklich schon in 1Kor 15,35 ff. präsent ist, wie A. voraussetzt. Paulus bringt die Verwandlung ja erst in 1Kor 15, 51 ff. explizit ins Spiel, wo, wie u. a. der Wechsel von der 3. zur 1. Person in 1Kor 15,49 zeigt, nach den Toten nun auch die bei der Parusie Lebenden in den Blick kommen (vgl. auch die Differenzierung zwischen den Toten [3. Person] und den Lebenden [1. Person] in 1Kor 15, 52). Hier hätte A. seine Entscheidung, die Verwandlung nicht nur auf die Lebenden, sondern auch auf die Toten zu beziehen, noch einmal überdenken oder argumentativ besser untermauern müssen.

Auf das in 1Kor 15,35-49 erörterte Thema der neuen Existenzweise der Auferstandenen und der Rolle, die Christus dabei spielt, geht A. nicht näher ein: Bezieht sich die Antwort, die Paulus darauf gibt, in irgendeiner Weise auf das Problem der kosmischen Polarität? Welchen Stellenwert hat die Frage nach der Art der neuen Existenz in der Argumentation von 1Kor 15,35-49, wenn es hier, wie A. meint, primär darum geht, den Korinthern zu zeigen, dass die Auferstehung mit der Annahme einer kosmischen Polarität vereinbar ist? An diesem Punkt hätte er noch mehr in die Tiefe gehen können.

Bei der Frage nach möglichen religionsgeschichtlichen Analogien zu Polarität und Verwandlung in 1Kor 15 macht A. auf die Bedeutung dieser Thematik in der griechischen Philosophie aufmerksam. Die Texte aus den anderen Bereichen der religiösen Umwelt des Neuen Testaments, auf die er am Rande eingeht, behandelt er zum Teil zu pauschal. Besonders die jüdisch-apokalyptischen Texte weist er zu schnell und unbesehen zurück (205). Gerade in diesen Texten, in denen ja die Gegensätzlichkeit von himmlischer und irdischer Welt vorausgesetzt wird, kann das Verwandlungsmotiv genau die Funktion erfüllen, die es auch in 1Kor 15 hat: zu beantworten, wie ein Sterblicher in die mit dem Irdischen unvereinbare himmlische Welt gelangen kann (vgl. z. B. AscJes 7,25 u. a.).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Stärke des Buches in dem neuen Blickwinkel liegt, in dem das oft erörterte Thema der Auferstehungsbestreitung durch die beiden Aspekte der Polarität und der Verwandlung gesehen wird. Besonders positiv ist hervorzuheben, dass es A. gelingt, den Lesern die Lektüre seines Buches durch die klare und transparente Darstellung des Themas leicht zu machen.