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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1275–1278

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rupprecht, Hans-Albert [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. Mit Einschluss der griechischen Inschriften, Aufschriften, Ostraka, Mumienschilder usw. aus Ägypten. Supplement 3 (1977-1988). Bearb. von A. Jördens.

Verlag:

Wiesbaden: Harrassowitz 2000. XIV, 541 S. 4. Geb. ¬ 124,00. ISBN 3-447-04366-0.

Rezensent:

Amphilochios Papathomas

Seit ihren Anfängen war die Papyrologie eine der am besten organisierten Disziplinen der Altertumswissenschaft. Schon im frühen zwanzigsten Jahrhundert wurden wichtige papyrologische Hilfsinstrumente wie etwa die Berichtigungsliste, das Namenbuch und das Sammelbuch veröffentlicht, die die Edition unpublizierter sowie die Erschließung und systematische Bearbeitung publizierter Papyri wesentlich förderten. Als das wohl wichtigste Hilfsmittel sollte sich das monumentale Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden mit Einschluss der griechischen Inschriften, Aufschriften, Ostraka, Mumienschilder usw. aus Ägypten erweisen, das von F. Preisigke bearbeitet und nach seinem Tod von E. Kießling vollendet und in zwei Bänden (I: A-K, Berlin 1925 und II: L-V, Berlin 1927) herausgegeben wurde. In jedem Lemma wurden die Bedeutungen des Wortes aufgezählt und mit einer Fülle von kompetent ausgesuchten Belegen beleuchtet. Mit der Veröffentlichung des Wörterbuches war ein unverzichtbares Arbeitsinstrument erschienen, das die Auswertung der bereits edierten und die Bearbeitung der neuen Texte in den nächsten Jahrzehnten wesentlich erleichtern und damit entscheidend zur Erforschung des griechisch-römischen Ägypten beitragen würde. Im Bereich der Theologie wurden die beiden ersten Bände des Wörterbuches unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung im Rahmen des bibelwissenschaftlichen Lexikons von Moulton und Milligan1 exzerpiert und fanden dadurch Verbreitung in theologischen Kreisen.

Gleichzeitig mit der Erscheinung des Lexikons von Moulton und Milligan wurde auch der dritte Band des Wörterbuches veröffentlicht (Berlin 1929-1931), der Material enthält, das von F.Preisigke verzettelt und von E. Kießling bearbeitet und herausgegeben wurde. Der Band, der aus fünfundzwanzig speziellen Wörterlisten bestand, war als Index konzipiert: In den Lemmata wurden keine Bedeutungen, sondern nur die Belegstellen für das jeweilige Wort angegeben.

Der Versuch einer Aktualisierung des Wörterbuches auf der Basis der tausenden nach seiner Veröffentlichung erschienenen Papyri nahm in den kommenden Jahrzehnten zwei verschiedene Wege. Zum einen visierte man die Veröffentlichung einer revidierten Form der beiden ersten Bände an, in der die einzelnen Bedeutungen der Wörter erkannt und mit Übersetzungen und Belegen versehen werden sollten. Im Rahmen dieser Neubearbeitung ist ein vierter Band in fünf Lieferungen erschienen, der die Buchstaben A-Z enthält. Die ersten vier Lieferungen (A - epikopto) wurden von E. Kießling (Berlin 1944-1971) bearbeitet und herausgegeben, während die fünfte Lieferung, die die Lemmata epikouria - zophyteo umfasst, H.-A. Rupprecht zu verdanken ist (Wiesbaden 1993).

Angesichts des sehr schnellen Rhythmus bei der Publikation von neuen Papyri, des langsamen Erscheinens der Faszikel des vierten Bandes und der Tatsache, dass die heutigen elektronischen Hilfsmittel damals noch nicht existierten, wurde schon früh die Notwendigkeit der Abfassung eines Werkes in Indexform erkannt, das die Papyrologen und die anderen Altertumswissenschaftler rasch über die publizierten Belegstellen für jedes Wort informieren würde. Zu diesem Zweck erschienen drei Supplementbände, in denen die Lemmata nach dem bewährten Muster der ersten vier Bände des Wörterbuches eingeordnet sind, aber ausschließlich die Belegstellen enthalten. Das erste Supplement, das Belege aus dem in den Jahren 1940-1966 publizierten Material enthielt, wurde in den späten sechziger bzw. frühen siebziger Jahren von E. Kießling veröffentlicht.2 Anfang der neunziger Jahre erschien der zweite Supplementband, der von A. Jördens bearbeitet und von H.-A. Rupprecht herausgegeben wurde und Material aus den Jahren 1967-1976 enthielt.3 Das vorliegende dritte Supplement, das denselben Papyrologen zu verdanken ist, deckt den Zeitraum zwischen 1977 und 1988 ab. Mit seiner Veröffentlichung ist das gesamte, bis zum Jahre 1988 erschienene papyrologische Material erschlossen.

Der Band besteht aus zwei Teilen, nämlich einer allgemeinen Liste mit allen papyrologisch bezeugten Wörtern (1-365) und sechsundzwanzig speziellen Wörterlisten (367-541), in denen die Lemmata in thematischen Kategorien nach ihrer inhaltlichen Verwandtschaft zusammengetragen sind. Diese nach dem Muster des 3. Bandes des Wörterbuches von Preisigke strukturierten Listen sind folgende:

1. Lateinische Wörter, 2. Könige, Kaiser und sonstige Herrscher, 2a. Regierungsjahre, 3. Konsuln, 4. Indiktionen, 5. Aeren, 6. Monate, 7. Tage, 8. Ämter, Beamte und ähnliche Bezeichnungen, 9. Ehrentitel u. ä., 10. Militär, 11. Abgaben, Steuern, Zölle u. ä., 12. Gebäude, 13. Ortsbewohner, 14. Völker, 15. Bürger- und Ständewesen, 16. Phylen, Demen, Tribus, 16a. Geographie, 17. Münzen, 18. Maße, 19. Gewichte, 20. Heidnischer Kultus, 20a. Götter, 21. Christlicher Kultus, 22. Stadtteile, Gassen, 23.Flurnamen und sonstige Grundstücksbezeichnungen. Um Vereinheitlichung bei der Zitierweise in allen Bänden des Wörterbuches zu erreichen, werden im Band nicht die heute gebräuchlichen Abkürzungen der Checklist4, sondern die alten Abkürzungen Preisigkes verwendet. Da diese aber nur leicht von den Abkürzungen der Checklist abweichen und fast immer leicht verständlich sind, bereitet ihre Verwendung dem Leser keine nennenswerte Schwierigkeit.

A. Jördens und H.-A. Rupprecht gebührt Dank und Anerkennung für die Vorlage eines hervorragenden und in jeder Einzelheit hochqualitativen Bandes. Eine Stichprobe des Rez. bestätigte die gewissenhafte und akkurate Arbeitsweise beim Sammeln und bei der Aufarbeitung des Materials. In den ca. 550 kleingedruckten Seiten findet man kaum Fehler. Das einzige nennenswerte Problem, das jedoch den hervorragenden Eindruck des Bandes auf keinen Fall beeinträchtigt, betrifft die nicht konsequente Berücksichtigung der Berichtigungsliste (BL)5.

Obwohl viele in der BL aufgenommene Korrekturvorschläge nachweislich berücksichtigt worden sind,6 scheinen viele andere außer acht gelassen worden zu sein. Vier Beispiele dafür: J. Gascou hat anstelle von Ì"ÂÈ in P. Mich. XV 738, 5 die Lesung mempseis vorgeschlagen. Seine in BL X 127 aufgenommene Korrektur ist nicht berücksichtigt worden; vgl. entsprechend Suppl. III s. v. memphomai (202-203) und pempo (264). Anstelle von s(ympan) hat J. Shelton in P. Freib. IV 53, 18 to (pan) vorgeschlagen (BL X 77), eine Berichtigung, die im Suppl. III nicht erscheint; vgl. s. v. sympas (310) und pas (260-261). Ähnlich scheint man die für SB XVI 12326, 9 vorgeschlagene Lesung tribakon (editio princeps: ... kon), die in BL X 213 aufgenommen wurde, außer acht gelassen zu haben; in Suppl. III findet man kein Lemma für das Adjektiv tribakos. Schließlich wurde die in P. Oxy. LVIII 3960, Anm. zu Z. 1 vorgeschlagene und in BL X 84 verzeichnete Korrektur zu P. Haun. III 64, 11.17.22 (tou tes peribleptou mnemes anstelle von tou tes eukleous mnemes der editio princeps) nicht berücksichtigt; vgl. Suppl. III s. v. euklees (442 und 445) und peribleptos (445).

Im Vorwort teilt H.-A. Rupprecht mit, dass der vorliegende Band der letzte dieser Reihe von Supplementa sein wird. Die Entscheidung, keine indexartigen Supplementa mehr zu publizieren, ist angesichts der neuen EDV-Entwicklungen im Bereich der dokumentarischen Papyrologie zweifellos korrekt. Die wichtige Aufgabe der Supplementa kann in der Zukunft von zwei elektronischen Hilfsmitteln erfüllt werden, nämlich von der Duke Databank of Documentary Papyri, die zum ersten Mal in den späten achtziger Jahren erschien und nun in der CD-Rom PHI 7 benutzbar ist,7 und von den seit November 2000 von D. Hagedorn im Internet herausgegebenen Wörterlisten aus den Registern von Publikationen griechischer und lateinischer dokumentarischer Papyri und Ostraka.8 In ihrer aktuellen Version erlaubt die Duke Databank flexible Recherchen nach Wörtern, Wortbestandteilen und Phrasen im gesamten Korpus der bis zum Beginn des Jahres 1996 erschienenen Editionen. Die Papyrusbelege, die nach diesem Zeitpunkt erschienen und in der Duke Databank noch nicht elektronisch erfasst sind, werden in Indexform in den Wörterlisten gesammelt. Ihre Publikation im Internet hat im Vergleich zu den gedruckten Supplementa den Vorteil der schnellen Aktualisierung in regelmäßigen Zeitabständen.9 Durch die beiden elektronischen Werke ist die Gesamtheit aller edierten Papyrusurkunden elektronisch erfasst worden, was die weitere Abfassung von gedruckten Indizes unnötig macht.

Ein dringend zu behebendes Desiderat bleibt dagegen die Aktualisierung der ersten drei Bände des Wörterbuches, d. h. die Abfassung eines zeitgemäßen Lexikons, in dem alle papyrologisch bezeugten Bedeutungen der Wörter souverän erkannt, beschrieben und mit zahlreichen Belegstellen illustriert werden. Ein solches Wörterbuch wäre ein dringlich benötigtes Arbeitsinstrument sowohl für den Editor von neuen Papyri, der heute jedesmal erneut die Bedeutungen der Wörter seiner Papyri erforschen muss, als auch für den Nicht-Papyrologen, der die edierten Papyri selbständig verstehen und auswerten will. Ein Versprechen für die Fortsetzung der Neubearbeitung des Wörterbuches gibt H.-A. Rupprecht im Vorwort des vorliegenden Bandes, in dem er einen fünften und sechsten Band für die allgemeine Wörterliste (H-V) und einen siebten Band für die besondere Wörterliste ankündigt. Die Konzentration aller Kräfte auf die schnelle Vollendung dieses Vorhabens sollte m. E. eine der ersten Prioritäten der Papyrologie werden. Zu diesem Zweck könnte man sich sogar eine breitere Kooperation von verschiedenen papyrologischen Zentren vorstellen, die die Verwirklichung des großen Unternehmens beschleunigen würde. Von dieser Stelle aus möchte ich den Wunsch äußern, dass die von H.-A. Rupprecht angekündigten Bände nicht nur bald erscheinen werden, sondern auch ein genauso hohes wissenschaftliches Niveau wie das vorliegende dritte Supplementum besitzen.

Fussnoten:

1) J. H. Moulton, and G. Milligan: The Vocabulary of the Greek Testament. Illustrated from the Papyri and Other Non-Literary Sources, London 1930 (Nachdruck 1963).

2) E. Kießling: Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. Mit Einschluss der griechischen Inschriften, Aufschriften, Ostraka, Mumienschilder usw. aus Ägypten. Supplement 1 (1940-1966), Amsterdam 1969-1971.

3) H.-A. Rupprecht [Hrsg.], A. Jördens [Bearb.]: Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden. Mit Einschluss der griechischen In-schriften, Aufschriften, Ostraka, Mumienschilder usw. aus Ägypten. Supplement 2 (1967-1976), Wiesbaden 1991.

4) J. F. Oates, R. S. Bagnall, S. J. Clackson, A. A. O'Brien, J. D. Sosin, T. G. Wilfong, and K. A. Worp: Checklist of Greek, Latin, Demotic and Coptic Papyri, Ostraca and Tablets,

http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html, April 2002.

5) F. Preisigke (fortgesetzt v. P. W. Pestman und H.-A. Rupprecht): Berichtigungsliste der Griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten, Berlin-Leipzig 1922 ff.

6) Um ein Beispiel zu nennen, vgl. die Erwähnung von P. Col. VII 188, 18 auf S. 73 des Bandes (s. v. dermatinos), wo man auf die in BL X 41 verzeichnete Korrektur aufmerksam macht.

7) The Packard Humanities Institute CD ROM #7: Greek Documentary Texts (1) Inscriptions (Cornell, Ohio State, et al.) (2) Papyri (Duke, U. of Michigan), U.S.A. 1996.

8) Das Dokument ist als PDF-Datei in folgender Adresse herunterzuladen: http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak8/papy/WL/WL.pdf.

9) Die vierte und neueste Version stammt vom 15. Februar 2002.