Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1266–1268

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Sperber, Jutta

Titel/Untertitel:

Christians and Muslims. The Dialogue Activities of the World Council of Churches and their Theological Foundation.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 2000. X, 484 S. gr.8 = Theologische Bibliothek Töpelmann, 107. Geb. ¬ 138,00. ISBN 3-11-016795-6.

Rezensent:

Johannes Triebel

Die vorliegende Arbeit ist ursprünglich in deutscher Sprache geschrieben und wurde 1996 an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau als Dissertation angenommen. Eine Kurzfassung liegt in dem Band "Dialog mit dem Islam" Kleine Reihe V&R 4015. Göttingen 1999 vor. Um die Arbeit einem größeren Publikum vor allem auch in den Ländern, in denen der christlich-islamische Dialog eine wichtige Rolle spielt, zugänglich zu machen, entschied sich die Autorin zur Übersetzung ins Englische. Der berechtigte Wunsch, das Buch Theologen und theologischen Institutionen in der südlichen Hemisphäre zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung zu stellen, hat sich leider nicht verwirklichen lassen, weil sich kein entsprechender Verlag fand. Der jetzige, unverhältnismäßig hohe Preis ist selbst in westlichen Ländern für viele Institutionen ein Hindernis zur Anschaffung. Deshalb kann nur die dringende Bitte geäußert werden, möglichst bald eine preisgünstige Studienausgabe zur Verfügung zu stellen. Denn das hier vorgelegte Material verdient eine weite Verbreitung gerade auch in Afrika und Asien.

Sp. widmet sich der Frage, was der vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) seit 1966 initiierte christlich-islamische Dialog mit seinen vielen Konsultationen und Konferenzen in dreißig Jahren erbracht hat. Dazu hat sie das reiche Material im Archiv des ÖRK und das, was an den verschiedensten Stellen dazu veröffentlicht wurde, akribisch ausgewertet, worüber die ausführlichen Anmerkungen (353-441) Rechenschaft geben.

Nach einer kurzen Einführung in die Forschungslage und den Aufbau der Arbeit werden alle seit 1955 vom ÖRK veranstalteten Treffen zum interreligiösen Dialog im Allgemeinen, vor allem in der Arbeitseinheit "Dialogue with Men of Living Faiths", zusammengestellt und kurz kommentiert (7-25), gefolgt von den Veranstaltungen, die sich dem christlich-islamischen Dialog im Besonderen widmeten (25-50). Damit liegt hier die historische Folie für die nachfolgenden systematischen Querschnitte vor. Dazwischen findet sich eine knappe Einführung in den Islam unter den Stichworten Faith, Obedience und Law. Unter Letzterem werden die verschiedenen Rechtsbereiche vorgestellt und auch auf die dhimma-Regelungen hingewiesen, die die Rechtsstellung der Christen in islamischen Staaten betreffen.

Für den Dialog des ÖRK mit dem Islam war der Sechs-Tage-Krieg 1967 ein wichtiger Impuls, um intensiver in das Gespräch miteinander einzutreten. Durch das Gesprächsangebot fühlte sich die islamische Seite ernst genommen, und sie sah darin zugleich eine Anerkennung ihrer Religion. Um Polemik und Missachtung weitestgehend zu vermeiden, einigte man sich als Ausgangsbasis auf den Grundsatz, den anderen jeweils so zu verstehen, wie er sich selbst versteht (84.228 u. ö.).

Alle Dialogtreffen waren auch immer mit von den Problemen geprägt, die die inneren Auseinandersetzungen auf beiden Seiten bestimmen. Für die Muslime war es die Frage, wie repräsentativ die Dialogteilnehmer sind und für wen sie sprechen können. Für den ÖRK ging es hier um die sehr unterschiedliche Beurteilung der Beziehungen zu anderen Religionen allgemein und zum Islam im Besonderen durch die Mitgliedskirchen und damit das Mandat, das den Gesprächspartnern mitgegeben werden kann. Trotz der oft diskutierten und dann auch verabschiedeten Richtlinien für den christlich-islamischen Dialog blieben letztlich die entscheidenden theologischen Fragen ungeklärt, nämlich wie der ÖRK als Ganzer zum Dialog steht, wie der Islam zu beurteilen ist und welche Theologie der Religionen die Arbeit bestimmen soll (z. B. 319).

Den Hauptteil der Arbeit bildet ein thematischer Querschnitt zur inhaltlichen Dialogarbeit. Neben den vertrauensbildenden Maßnahmen (100 ff.) standen zunächst theologische Themen im Vordergrund, bald kamen aber die Fragen des praktischen Zusammenlebens und der Ethik mehr in den Blickpunkt, z. B. das Problemfeld interreligiöser Gebete (109 ff.) und religionsverschiedener Ehen (210 ff.). Politische Fragen und der Streit um die Mission (die von Muslimen als größtes Hindernis für den Dialog angesehen wird) sind wichtige Kontroversthemen, bei denen (wie auch sonst) besonders die jeweiligen regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Aber der eigentliche Scheidepunkt für den Dialog liegt in der Beurteilung des islamischen Rechts, das für Muslime die Lösung aller Probleme zu enthalten, aber für Christen viele Aspekte der Menschen- und Bürgerrechte in Frage zu stellen scheint.

Sp. gelingt es, die vielen verschiedenen Fäden und Aspekte der einzelnen Themenbereiche nachzuzeichnen und dabei auch Äußerungen aufzunehmen, die nicht im Mittelpunkt der Diskussionen standen. Damit erhält der Leser die Möglichkeit, den oft verwirrenden Diskussionsgang zu verfolgen und zu sehen, wie viele praktische und kirchenpolitische Faktoren den Dialog mitbestimmen. Das gleiche gilt für den zweiten Abschnitt dieses Hauptteils, der die Treffen zum interreligiösen Dialog im Allgemeinen darstellt und dabei auch auf das Verhältnis zur Römisch-Katholischen Kirche in Bezug auf diese Fragen eingeht. Hier zeigt sich, dass der Vatikan vor den gleichen Problemen stand. Die Herausforderung zum interreligiösen Dialog und der Wunsch, als Einheit zu erscheinen, zwang zur Zusammenarbeit. Deshalb ist in diesem Bereich die Gemeinsamkeit zwischen ÖRK und Vatikan am größten und damit die Zusammenarbeit am intensivsten (315.351).

Das abschließende Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und bringt die Problemlage auf den Punkt. Der eilige Leser findet hier die wichtigsten Aussagen in (notwendigerweise pointierter) Kurzform. Auf einen Teil der Resultate wurde oben bereits hingewiesen. Wichtig ist hervorzuheben, dass die Frage nach gemeinsamen Gebeten in der Praxis zwar oft im Vordergrund steht, dass aber wegen der damit verbundenen theologischen Fragen hierfür keine Leitlinien erarbeitet werden konnten. Wenn es aber um humanitäre Aktionen ging, konnte man sich schnell auf eine praktische Zusammenarbeit einigen. Hier waren es dann in besonderer Weise die Frauen, die die Hauptlast der Arbeit getragen haben. Aber in die offizielle Dialogarbeit ist davon kaum etwas eingeflossen, weil da die Frauen fast nie vertreten waren (325).

Für die gegenwärtige Diskussion ist ein Ergebnis besonders wichtig: "But the fundamental question, whether one can have Islamic Law without a Muslim state, or whether there can be a Muslim state with full citizenship for Christians, continued to be unanswered. The gulf between a religion that thinks legally and one that does not, between a religion with a unity of state and society under religious law and a religion which separates these two realms, is so profound that it will perhaps never be possible to do justice to both at the same time" (333).

Das Hauptergebnis der Dialogarbeit des ÖRK besteht sicherlich darin, dass der Dialog als vertrauensbildende Maßnahme Vertreter beider Religionen zusammengebracht hat und man sich gegenseitig kennen lernen konnte. Auf der Sachebene gab es wenig greifbare Ergebnisse. Das ist ein nüchternes, unverschönt dargelegtes Ergebnis, das manchen enttäuschen mag. Aber der Weg, auf den man sich begeben hat, um zunächst gegenseitige Vorurteile abzubauen, mag hier schon das oder zumindest ein Ziel sein. Für den weiteren Weg des Dialogs formuliert Sp. abschließend Desiderate und Aufgaben, die zeigen, in welche Richtung man sich gemeinsam bewegen soll (345- 351). Für diese Aufgabe ist das vorliegende Werk eine wichtige Arbeitsgrundlage, die gerade wegen ihres theologischen Augenmaßes, ihrer Nüchternheit und Sachlichkeit besticht. Für alle, die mit Fragen des interreligiösen Dialogs, der christlich-islamischen Beziehungen und der diesbezüglichen Arbeit des ÖRK zu tun haben, ist das Buch eine Fundgrube, die es nun für die und in der Praxis auszuwerten gilt.