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Ausgabe:

Dezember/2002

Spalte:

1263 f

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Maier, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die Religion der Kelten. Götter - Mythen - Weltbild.

Verlag:

München: Beck 2001. 251 S. m. 10 Abb. u. 3Ktn. gr.8. Lw. ¬ 34,90. ISBN 3-406-48234-1.

Rezensent:

Hartmut Zinser

Religiöse Vorstellungen der Kelten haben in den letzten Jahrzehnten eine große Verbreitung gefunden, die sogar an einzelnen tatsächlichen oder fingierten Orten keltischer Heiligtümer zu kultischen Inszenierungen geführt haben. Einige Kritiker bezeichnen diese Keltenfaszination nicht zu Unrecht sogar als Keltomanie (A. Demandt). Diese Keltenrezeption erweist sich bei näherer Prüfung als Resultat von Konstruktionen einer keltischen Religion seit der Renaissance bis hin zu einigen Religionswissenschaftlern des 19. Jh.s. Die unter dem Namen Keltoi und Galli bezeichneten Völker bildeten freilich bereits in der Antike eine Folie für negative und positive Projektionen, die sich bis in die Moderne und die rezente Rezeption fortgesetzt haben.

M. unternimmt es auf der Grundlage eines präzisen Studiums der Nachrichten antiker Autoren, von Inschriften, Kultstätten und Gräbern, der archäologischen Funde, der ältesten irischen Sprachzeugnisse und Dichtung und der mittelalterlichen Berichte von Mönchen über die vorchristliche Zeit sowie schließlich der immer wieder herangezogenen volkskundlichen Überlieferungen darzustellen, was begründet über die keltische Religion gesagt werden kann. Ein "Gesamtbild der keltischen Religion" von der vorrömischen Zeit bis zum christlichen Mittelalter ist auf Grund der Lückenhaftigkeit der Überlieferung kaum auszumachen; zu deutlich ist die Überlieferung der gallo-römischen Zeit von der interpretatio romana und die spätere von der christlichen Klostergelehrsamkeit des Mittelalters geprägt. (Ich hätte es vorgezogen, von keltischen Religionen konsequent im Plural zu reden, auch da die Kelten niemals in ihrer Geschichte ein einheitliches politisches oder religiöses Gemeinwesen gebildet haben, so dass bei jeder Aussage zu keltischen Religionen die zeitlichen und lokalen Verhältnisse zu berücksichtigen sind, wie M. deutlich herausarbeitet.) Er trägt die Informationen zum Weltbild, den Göttern und mythischen Erzählungen zusammen, die keine einheitliche Mythologie wie die der Griechen ergeben. Er stellt die Kulte, Riten und Kultstätten sowie die aus Begräbnissen zu erschließenden Jenseitsvorstellungen dar und diskutiert die kaum lösbare Frage, welche Stellung, Qualifikation und Aufgaben den Druiden übertragen waren. Er erörtert die häufig berufenen sakralen Herrschaftsformen bei den Kelten. M. ist außerordentlich vorsichtig mit Aussagen und berücksichtigt jeweils die historische Schichtung und Tragfähigkeit der Quellen und kommt zu dem Resultat: "Für sich allein betrachtet, sagen die meisten archäologischen, epigraphischen und literarischen Zeugnisse der keltischen Religionsgeschichte geradezu verblüffend wenig aus" (174) und "über die Funktion der Religion innerhalb der keltischen Kultur [können] ... nur wenig gesicherte Aussagen getroffen werden". Vor allem ist die unterstellte "ungebrochene Kontinuität" keltischer Vorstellungen allenfalls in Einzelfällen nachweisbar und dies mag andere Ursachen haben, als in der Auszeichnung als keltisch unterstellt wird. "Was heute als typisch keltisch gilt, ist in vielen Fällen nur Produkt neuzeitlicher oder bereits antiker Keltenideologie" (178). M. erwartet vor allem von der in den letzten 30 Jahren rasch fortschreitenden Archäologie neue Aufschlüsse über die keltischen Religionen.

Der Band ist allen, die sich mit den Religionen der unter dem Namen Kelten zusammengefassten Völker und Kulturen und Epochen befassen, als kritisches Erinnern daran, was wir wirklich über die Kelten wissen, dringend zu empfehlen.