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Ausgabe:

November/2002

Spalte:

1214–1218

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Vasel, Stephan

Titel/Untertitel:

Philosophisch verantwortete Christologie und christlich-jüdischer Dialog. Schritte zu einer doppelt apologetischen Christologie in Auseinandersetzung mit den Entwürfen von H.-J. Kraus, F.-W. Marquardt, P. M. van Buren, P. Tillich, W. Pannenberg u. W. Härle.

Verlag:

Gütersloh: Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2001. 768 S. gr.8. Kart. ¬ 44,95. ISBN 3-579-05315-9.

Rezensent:

Josef Wohlmuth

Die an der Universität-Gesamthochschule Siegen angefertigte Dissertation (unter Begleitung von M. Stöhr und mit Beratung bekannter evangelischer Theologen, die sich dem jüdisch-christlichen Dialog verpflichtet wissen: vgl. Vorwort, 16) befasst sich ausschließlich mit Christologien evangelischer Autoren. Der Schock der Shoah hat die evangelische Theologie früher und intensiver erfasst als die katholische. Eigentlich müsste der Titel dieser umfangreichen Dissertation lauten: Israelbezogene und philosophisch verantwortete Christologien und christlich-jüdischer Dialog; denn die zwei großen Teile der Arbeit tragen die Untertitel: "Israelbezogene Christologien" (= Teil I: Hans-Joachim Kraus, Friedrich-Wilhelm Marquardt und Paul van Buren, 27-368) und "Philosophisch verantwortete Christologien" (= Teil II: Paul Tillich, Wolfhart Pannenberg und Wilfried Härle, 282-710).

Beide Teile werden durch eine zusammenfassende Rückschau einer Beurteilung unterzogen und können neben der Einleitung und dem Schlussteil III zugleich als Orientierung dienen, um sich nicht im Dickicht der Positionen und Argumentationen zu verlieren. So trägt die erste Zusammenfassung (369-377) den Titel: "Tendenzen primär israelbezogener Christologie im Lichte philosophisch verantworteter Theologie". Entsprechend lautet der Titel der zweiten Zusammenfassung "Tendenzen primär philosophisch verantworteter Christologie im Lichte des christlich-jüdischen Dialogs" (711-721).

Diese Einteilung ergibt sich aus dem Programm einer "doppelt apologetischen Theologie". Darunter versteht der Vf. eine "antwortende Theologie" auf Fragen, die sich vor dem gegenwärtigen Judentum aus der Mitte des christlichen Glaubens stellen, und auf Fragen, die sich aus der Beschäftigung mit philosophischen Positionen in der Theologie ergeben. Es müsste möglich sein, "eine doppelt apologetische Theologie zu entwickeln, die sich sowohl gegenüber dem Judentum als auch gegenüber der Philosophie zu verantworten weiß" (21 f.). Alle genannten Autoren werden nach drei Gesichtspunkten untersucht: 1. Christologie in Grundzügen; 2. Israelbezüge; 3. Religionsphilosophische Prämissen. In einem jeweils vierten Punkt werden die Ergebnisse für eine "doppelt apologetische Christologie" zusammengefasst. Von den drei Christologien des ersten Teiles stellt die in der mehrbändigen Dogmatik von F.-W. Marquardt vorgelegte die derzeit konsequenteste israelbezogene Christologie dar. Van Buren wird vom Vf. mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. So ergibt sich etwa aus beider Vergleich, dass das, was des einen Lichtseite ist, des anderen Schattenseite bedeutet (vgl. 367). Dort, wo van Buren am meisten jüdisch denkt, nämlich in der "Fortschreibung" der biblischen Tradition hinein in die Gemeinschaft der Glaubenden ("story"), wirkt er m. E. am meisten "katholisch".

In der Darstellung der einzelnen Positionen ist die Arbeit sehr informativ. Statt ihr nachzugehen, will ich mich der Position des Vf.s selbst zuwenden. Sie zeigt sich gebündelt in Teil III, wo in 45 Punkten eine Resümee des Ganzen gezogen wird. Im Anliegen stimme ich mit dem Vf. in vielen Punkten überein, zumal darin, dass christliche Theologie nicht erst nach Auschwitz israelbezogen sein müsse, oder darin, dass die Neubesinnung die großen theologischen Entwürfe noch längst nicht im ausreichenden Maß geprägt hat und prägt (vgl. 725). Dies gilt wohl für die katholischen Christologien nicht weniger als für die behandelten Christologien aus reformatorischer Tradition. Der Vf. plädiert dafür, dass die Kirchen nach der Shoah ihren Antijudaismus zu verlernen haben, wäre dieser auch biblisch grundgelegt. Das ist eine gehörige Kritik des Axioms sola scriptura. Der Vf. bezweifelt auch, ob es eine radikale Abkehr vom "Metaphysischen" - was immer man unter diesem Terminus in Anführungszeichen verstehen mag - für eine Theologie, die auf Sprache und Argumentation angewiesen sei, geben könne.

Scharf ins Gericht geht der Vf. (in Punkt 10) mit Marquardts These von der Suspension der Vernunft (727). Dabei stehen fundamentale erkenntnistheoretische Probleme an. Spätestens hier hätte es sich gelohnt, die behandelten Theologien mit jüdisch inspirierten Philosophien zu konfrontieren. Marquardt gehört zu den Autoren, die sich dem Phänomen des Bruches am intensivsten gestellt haben. Wird aber die Vernunft bei ihm wirklich suspendiert (727 f.)? Oder wird sie nur einer fundamentalen Kritik unterzogen? Für meine Begriffe stellt sich an sein umfassendes Werk die Frage, ob man noch so inhaltsbezogen von Gott sagen kann, er sei von Auschwitz tödlich betroffen, oder ob man nicht besser mit Tillich von der Beschädigung der Symbole sprechen müsste (vgl. 454). Ich frage den Vf. auch, ob z. B. das Kohärenzpostulat für die christliche Theologie das letzte Wort sein kann. Wird nicht durch das Widerfahrnis der Transzendenz auch noch die Kohärenz gesprengt? Der Vf. vertritt die allseits bekannte These, dass das Christentum auf das Judentum angewiesen sei, nicht aber umgekehrt das Judentum auf das Christentum. Historisch ist diese These verständlich. Ist sie es auch systematisch? Der Vf. parallelisiert die bleibende Erwählung Israels mit dem Ostergeschehen, "das allein den christlichen Glauben zu begründen vermag" (728). Entsprechend werden die behandelten Autoren auch danach bemessen, ob und in welchem Maße sie Ostern von frühjüdischer Tradition her verstehen (728 f.).

Die Punkte 19-21 sprechen ein hermeneutisches Grundproblem an. Heidenchristlich sei es, für den Primat der Schöpfungstheologie einzutreten, judenchristlich hingegen müsse man für die Priorität der Erwählung eintreten. Entsprechend sei nicht der Kosmos, sondern das jüdische Volk der Kontext der Christologie; Gott sei primär israelgebunden und steht erst sekundär in Beziehung zu den christusgläubigen Nichtjuden. Partikularität trete vor Universalität. Die Vorstellung, dass Gott keine Partikularität zukomme, sei eine heidenchristliche Vorstellung. Woher kommt ein so sicheres Wissen von der Partikularität Gottes, da doch auch vom Judentum Universalität postuliert wird, die nicht ein Prärogativ der Kirche sein dürfe? Wenn Partikularität theologisch grundsätzlich in universaler Perspektive zu deuten ist, wie geht dann damit zusammen, dass "Universalität an sich" "ein Signal inhaltlichen Substanzverlustes" ist? Mir scheint, hier ist einiger Klärungsbedarf. Bei Emmanuel Levinas wäre z. B. zu lernen, dass Partikularität, ja Einzigartigkeit der Erwählten, nicht gegen Universalität (der geschöpflichen Verantwortung) ausgespielt werden darf.

Wenn, wie der Vf. mit Recht fordert, nicht nur eine Christologie von unten, sondern auch die von oben jüdisch zu profilieren ist (Punkt 24), dann fragt sich doch, wie dies anders möglich sein soll, als die universalsten Aussagen, die im NT in den christologischen Hymnen vorliegen, mit den alttestamentlich-frühjüdischen Schöpfungstheoremen und den rabbinischen Thesen von der Präexistenz der Tora ins Gespräch zu bringen. Der Vf. scheint vom Postulat der Partikularität so erfasst zu sein, dass Aussagen über das Menschsein Jesu durch das Jüdischsein bestimmt werden müssen und nicht umgekehrt. Dies scheint mir eines der Hauptprobleme darzustellen, mit denen der Vf. selbst zu ringen hat. Ist es nicht utopisch, wenn der Vf. meint, die Besinnung auf die gemeinsame jüdische Wurzel sei "die einzig tragbare Basis für eine ökumenische Einung der Christenheit" (730)? Wäre dann nicht der umso heftigere Streit vorprogrammiert, wie der Vf. in Punkt 18 selbst einräumt? Ist das Judentum seinerseits nicht gerade stolz auf die innere Vielfalt? Was heißt in diesem Zusammenhang "eine positive Israelbindung", die zu den signa ecclesiae zählen soll, genauer? Der Vf. spricht wiederholt vom "jüdischen Volk", ohne recht zu klären, was darunter zu verstehen ist. Ähnliches gilt für die Verwendung von "Israel". Wenn er schreibt, die Wahrheitsfähigkeit der christlichen Theologie hänge auch damit zusammen, "ob sie dem jüdischen Volk Frieden bringt" (730), scheint er vornehmlich an Israel zu denken. Oder wenn er von einer "weitgehend exklusiven Israelbindung Jesu" (734) spricht, ist m. E. nicht deutlich, ob das zeitgenössische Judentum in Palästina, das gesamte Judentum der Zeit Jesu oder das Judentum aller Zeiten gemeint ist.

Aber auch manche Prämissen und Thesen des Autors bezüglich der im engeren Sinn christologischen Fragen sind aufschlussreich. Der Vf. stellt die Forderung auf, heidenchristliche Theologie sei so zu entfalten, "als würde dem christlichen Theologen ein Judenchrist über die Schulter schauen" (729). Theologie müsse zum Ausdruck bringen, "dass sich ihr [sic] in Jesus Christus wirklich Gott erschließt", wobei zu zeigen sei, "dass ihr Gott wirklich der Gott Israels und nicht eine heidenchristliche Gottesprojektion ist" (729). Ist diese Gegenüberstellung nicht problematisch? Soll nur der Judenchrist, nicht der Jude selbst als Gesprächpartner gelten? Wie soll das Heidenchristentum seine Glaubenssätze jüdisch nachvollziehbar formulieren, wenn es mit dem Judentum gar nicht im Gespräch ist (vgl. 728 und 730)? S. 733 heißt es: "Wem als Juden die Messianität Jesu nicht einleuchtet, der fällt ebenso wenig aus seiner Gottesbindung heraus wie ein Jude, dem die Messianität Menachem Mendel Scheersons oder Sabbatai Zwis nicht einleuchtet" (733). Ich frage christlich-theologisch, ob hier nicht ein Allgemeinbegriff "Messianität" auf die genannten Anwärter übertragen und somit Universalität vor Partikularität gestellt wird, was sonst doch gerade unter Kritik steht. Reißt man Jesus nicht gerade aus der jüdischen Tradition heraus - was der Vf. doch durchgehend verhindern möchte -, wenn man sagt, die Kirche habe "mehr über ihren Christus zu lernen als das jüdische Volk" (734, vgl. hierzu bes. Punkt 28 mit 29)?

Bei der Deutung des Todes Jesu stellt der Vf. heraus, dass er "zu den stärksten, bis heute wirksamen Quellen des Antijudaismus" zähle (735). Tendenziell fungiere "die Deutung des Todes Jesu als ein dem jüdischen Volk seine theologische Legitimität entziehendes Geschehen" (735). Das wird man kaum bestreiten können. Die Probleme verschärfen sich aber noch, wenn der Tod des Einen mit den Toden von Auschwitz in Verbindung gebracht wird. Bringt Auschwitz letztlich die "Heilsbedeutung des Todes Christi ins Wanken" (vgl. Punkt 32). Marquardt setze "die Heilsbedeutung des Todes Jesu nicht mehr als Perfektum" vor, sondern erhoffe sie für die Zukunft. Die Fragen sind in der Tat schwierig und eine gewisse Skepsis demgegenüber ist begreiflich.

Ein interessanter Aspekt der Arbeit betrifft den Umgang mit den frühkirchlichen Dogmen. Hier würde sich wohl eine Bestandsaufnahme katholischer Christologien am deutlichsten von den hier vorgestellten Positionen und auch der des Vf.s selbst unterscheiden. Während wiederholt das Prinzip sola scriptura als untaugliches Instrument des Dialogs ausgelegt wird, erscheint es bezüglich der christologischen Dogmen als kritisches Prinzip, wenngleich einschränkend bemerkt wird, eine Rückkehr zu einem christlichen Antijudaismus und zur Israelvergessenheit dürfe es trotz der Bibel nicht geben (737). Somit erhält die Israelgebundenheit der christlichen Theologie die Funktion eines Grunddogmas, von dem her sowohl Schrift als auch die christologischen Dogmen als "storygemäße regulative Sätze" auszulegen sind. Die Interpretation Chalkedons darf aber m. E. nicht davon bestimmt sein, wie sehr es missverstanden werden kann, wenn ihm etwa Kreaturvergötterung unterstellt wird.

Was heißt, Jesus "nicht über die Maßen vergöttlich[en]"? Spricht Chalkedon überhaupt von "Vergöttlichung"? Wurde nicht bereits in Ephesus darum gerungen, ob es um Vergöttlichung oder Göttlichkeit geht? Geht es hier tatsächlich nur noch um eine "heidenchristliche Perspektive" (738)? Fordert man, nicht göttlich von Jesus, sondern jesusförmig von Gott zu sprechen, was bringt es dann für das jüdisch-christliche Gespräch, wenn zugleich gesagt wird, damit werde der spezifisch (heiden)christliche Zugang zu Gott zum Ausdruck gebracht? Wenn der Vf. meint, das Problem sei darin zu sehen, "dass Judenchristen an der Formulierung dieser Dogmen bereits nicht mehr beteiligt waren" (373), dann erscheint mir dies allerdings als ein unzureichendes Kriterium. Es wäre ja immerhin auch denkbar, dass die Heidenchristenheit das jüdische Erbe nicht einfach weggeräumt und vergessen, sondern sehr wohl bewahrt haben könnte. Ob man gut daran tut, das "vere homo" durch das Judesein Jesu zu verstärken (vgl. 374), ist eine andere Frage.

Die behandelten Christologien provozieren jeweils auch die trinitarische Gotteslehre. Der Vf. arbeitet heraus, dass die Betonung des ökonomischen Ansatzes, der geradezu eine "sententia communis" heutiger christlicher Trinitätslehre darstellt, nicht als solche schon näher beim Judentum steht als eine immanent-trinitarische Position. Dies hängt zum großen Teil damit zusammen, dass die trinitarische Gotteslehre fast ausschließlich mit der Jesusinterpretation steht und fällt. Hier hätte immerhin zu bedenken gegeben werden können, dass beispielsweise Augustinus seine Trinitätslehre mit einer ausführlichen Lektüre der alttestamentlichen Texte beginnt. Die Israelvergessenheit liegt also schon bezüglich des Umgangs mit der alttestamentlichen Literatur vor. Der Vf. bestätigt, dass in den behandelten Positionen viele Gesichtspunkte auftauchen, die für eine doppelt apologetische Trinitätslehre hilfreich seien, indem er folgende Postulate aufstellt: Unmissverständlich müsse (1.) "die Identität des Gottes Israels und der Kirche (und der Schöpfung) zum Ausdruck kommen (= immanente Trinität); "Gottes dem Christentum vorausgehendes und bis heute fortdauerndes Handeln an seinem Volk Israel (und der Schöpfung)" sei (2.) vorauszusetzen und zu verdeutlichen (= ökonomische Trinität); beide Aspekte seien (3.) in einer schlüssigen Theorie aufeinander zu beziehen (739).

Die theologische Tradition hat aus der ökonomischen Differenziertheit des göttlichen Handelns auf eine "innere Differenzierung" Gottes geschlossen und bestand immer darauf, dass dies keinen Gegensatz zur monotheistischen Grundposition darstellt. Der Vf. weiß um die Probleme. Deshalb frage ich, wieso die Identität des Gottes Israels und der Kirche bereits eine "immanente Trinität" sein soll. Wäre es nicht höchstens eine immanente Dualität oder (besser) eine immanente Identität? Wie wird aus einem fortdauernden göttlichen Handeln eine ökonomische Trinität? Wenn die Christenheit Gott nur so kennt, "wie er sich in Jesus Christus erschließt" (739), wie kommt man dann zum Gott Israels? Reicht hier die Betonung des Judeseins Jesu schon aus?

Der Vf. schlägt für das jüdisch-christliche Gespräch schließlich einen "Basissatz" mit folgendem Gottesbegriff vor: "Gott ist mehr als die zunächst Israel bestimmende Wirklichkeit, an der Christenmenschen durch Jesus Christus zu partizipieren glauben" (741). An diesem Satz scheint mir nach über 700 Seiten vorgelegter Analysen und Kritiken fast jedes Wort zu diffusionieren. Gott als die "zunächst Israel bestimmende Wirklichkeit" klingt an Pannenbergs "alles bestimmende Wirklichkeit" an, ersetzt aber "alles" durch "Israel". Würde man "zunächst" als Zeitindex verstehen (wie es klingt), dann müsste der Basissatz historisierend ausgelegt werden und könnte das Israel bis zur Gegenwart nicht betreffen. Oder verweist "zunächst" doch auf eine grundsätzliche Priorität Israels? Irritierend wirkt der Ausdruck "mehr als", der an das maius Anselms anklingt. Hat also Israel, auch wenn man ihm die Priorität einräumt, doch nicht an der Fülle Gottes Anteil? Das kann wohl nach allem Ausgeführten nicht gemeint sein, obwohl es sich vom Wortlaut nahelegt. Woran partizipieren schließlich die "Christenmenschen"? An der Israel bestimmenden Wirklichkeit? Oder an dem "mehr als" dieser Wirklichkeit? Schließlich wirkt das letzte Wort "glauben" nicht im starken Sinn des "Sich-einlassens", sondern eher im schwachen Sinn von "meinen". Von Trinität wäre im Basissatz jedenfalls weder immanent noch ökonomisch die Rede. Die bei Pannenberg und Marquardt so intensiv diskutierte eschatologische Dimension des Gottesbegriffes wird völlig eliminiert. Schließlich würde auch der Ausdruck "Gott ist" nicht auf der Höhe des Tetragramms verbleiben, durch das Gottes Unverfügbarkeit so sehr betont wird.

Trotz all dieser Anfragen und Einwände stellt die Dissertation einen Meilenstein in der christlich-jüdischen Auseinandersetzung dar, insofern sie die ausgewählten Autoren bezüglich ihrer Einstellung zum Judentum gleichsam auf Herz und Nieren untersucht. Es wäre dringend erforderlich, die Christologien (und Theologien) anderer Konfessionen ebenso intensiv und kritisch daraufhin zu untersuchen. Dabei würde sich zeigen, dass es im Rückbezug auf das Jüdische des Christentums erhebliche konfessionelle Differenzen gibt, wenn ich nur an die in der Arbeit spezifischen Probleme "Gesetz", "Gesetz und Evangelium" oder an das Prinzip sola scriptura denke. Das in der Untersuchung angewendete Raster ist hilfreich, wenn auch bei mancher Wiederholung etwas ermüdend. Ich bewundere die Arbeit dennoch bezüglich ihrer enormen Sachkenntnis, mit der sie die verschiedenen Autoren darstellt. Ich habe auch keinen Einwand dagegen, dass sie der Vf. von seinen Prämissen her kritisch unter die Lupe nimmt. Dies hat mich gereizt, ihn auch meinerseits kritisch zu lesen. Es wäre gut, wenn sich mit den aufgeworfenen Fragestellungen der Arbeit möglichst viele befassen, damit ihr Grundanliegen, dem ich unumwunden zustimme, weitergetragen wird: nämlich zu einem jüdisch-christlichen Verhältnis zu kommen, das sowohl der jüdischen als auch der christlichen Gesamttradition besser entspricht.