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Ausgabe:

November/2002

Spalte:

1157 f

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Sode, Claudia

Titel/Untertitel:

Jerusalem - Konstantinopel - Rom. Die Viten des Michael Synkellos und der Brüder Theodoros und Theophanes Graptoi.

Verlag:

Stuttgart: Steiner 2001. 316 S. gr.8 = Altertumswissenschaftliches Kolloquium, 4. Kart. ¬ 66,00. ISBN 3-515-07711-1.

Rezensent:

Martin Tamcke

Die Arbeit mit den symbolträchtigen Städtenamen im Titel wurde im April 1999 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität als Dissertation im Fach Griechisch angenommen. Sie wurde von Paul Speck angeregt und von Jürgen Dummer begleitet. Ursprünglich hatte die Arbeit unter dem Titel "Probleme der Hagiographie der zweiten Epoche des Bilderstreits" anhand von Viten die Arbeitsweise byzantinischer Hagiographen bzw. die Entstehung dieser Viten untersuchen sollen.

S. setzt sich von einer rein an der Entstehungszeit der Viten - kurz oder lange nach dem Tod der Heiligen - orientierten Darstellung ab und unterscheidet Viten "mehr historischer Art" (also auf Grund von "guten Informationen" geschriebener) von solchen, die "größtenteils legendär" sind und eine "regelrechte Erfindung von Heiligen" seien. Romanhafte und historische Elemente sollten durch Textanalyse möglichst getrennt werden. Allein die Vita des Michael Synkellos aber, in Verbindung mit der der Brüder Theodoros und Theophanes Graptoi, warf "eine so große Zahl bisher ungelöster Probleme" auf, dass die exemplarische Beschränkung einleuchtend ist. Nacheinander behandelt S. das Enkomion des Theophanes von Kaisareia auf Theodoros Graptos (49-94), die metaphrastische Vita des Theodoros Graptos (95-143) und die anonyme Vita des Michael Synkellos (145-258). Jede der Viten wird zunächst kapitelweise kurz ihrem Inhalt nach skizziert, dann folgt ein problemorientierter Kommentar. Für das Enkomion des Theophanes von Kaisareia stellt S. fest, dass es keine Hinweise auf eine Abhängigkeit von der anonymen Vita des Michael Synkellos gäbe und dass die beiden Heiligen nicht notwendigerweise "ursprünglich" mit einem Bekenntnis für die Bilder im Bilderstreit verbunden gewesen sein müssen, sondern möglicherweise einer anderen Straftat wegen sich verantworten mussten, die "erst nachträglich zu einem Bekenntnis für die Bilder umgedeutet wurde" (93). Der Verfasser wisse wenig zur Biographie der beiden Heiligen. So meint S. folgerichtig, dass die Vorgeschichte ihrer Verfolgungen den beiden "nur angedichtet worden ist". "Erst so aber wurden aus ihnen schließlich Märtyrer für die Bilderverehrung" (94).

Das Ergebnis der im Aufbau der zum Enkomion entsprechenden Untersuchung zur Vita des Symeon Metaphrastes ergibt, dass dieser das Enkomion des Theodoros Graptos benutzt hat, wobei eine mögliche Parallelüberlieferung eine mögliche Option bleibt (142). Der Brief des Theodoros Graptos an Ioannes von Kyzikos erweist sich als literarisch und kann daher nicht mehr "als originales Dokument aus der Zeit des Bilderstreites" gelten; auch das Epigramm sei erst nachträglich mit den Graptoi und ihrer Tätowierung zusammengebracht worden (143). Ähnlich ergibt sich für die anonyme Vita des Michael Synkellos, dass diese später zu datieren sei als bisher angenommen (S. meint, frühestens in die Zeit des Photios, in dessen zweite Amtsperiode von 877-886). "Frühestens in diese Zeit oder danach" sei die Vita zu datieren. "Auf gar keinen Fall" sei der Verfasser Augenzeuge der Vorgänge, zumal die Berufung auf einen Zeitgenossen Michaels sich als Anleihe aus der Vita des jüngeren Stephanos erwiesen habe (258). Bemerkungen zu Synaxarnotizen (259-264), den Chroniken und anderen Erwähnungen des Michael Synkellos und der Brüder Theodoros und Theophanes Graptoi (265-276) und zeitgenössischen Quellen zu den drei Heiligen (277-284), sowie zur literarischen Tätigkeit der drei (285-298) runden das Bild der Untersuchung ab.

Man glaubt S. gern, was sie im abschließenden Rückblick festhält, dass davon auszugehen sei, dass die Überlieferung "vielschichtiger gewesen" sei, "als sie sich uns heute darstellt". Zuweilen hätte das im Duktus der Untersuchung mit ausgedrückt werden können. Die Analyse der Viten biete, meint S., "einen Modellfall für einen großen Teil der byzantinischen Hagiographie" und beleuchte "exemplarisch die Arbeitsweise byzantinischer Hagiographen des 9. Jahrhunderts". Gerade wenn dieser abschließenden Feststellung der Autorin nur nachdrücklich zugestimmt werden kann, so wünschte man sich doch gerade deshalb eine stärkere Berücksichtigung je zeitbedingter hagiologischer Aspekte, um Hagiographie nicht nur historisch analysierend, sondern auch theologisch synthetisierend verständlich machen zu können. Das Werk, das übrigens mit einem brauchbaren Index versehen ist, bedeutet jedenfalls einen notwendigen weiteren Schritt zur Erschließung der byzantinschen Hagiographie im Anschluss an den sogenannten "Bilderstreit" und kann daher nur begrüßt werden in der Hoffnung, dass es in der weiteren Forschung gebührend Beachtung finden möge.