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Ausgabe:

September/2002

Spalte:

995–997

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Wolf, Hubert, u. Claus Arnold [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Die deutschsprachigen Länder und das II. Vatikanum.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2000. 252 S. gr.8 = Programm und Wirkungsgeschichte des II. Vatikanums, 4. Kart. ¬ 41,00. ISBN 3-506-73764-3.

Rezensent:

Hubert Kirchner

Mit dem vorliegenden Sammelband schließt die Reihe der Dokumentationen von Symposien eines Arbeitskreises, der folgendes Thema aufzuarbeiten hatte: "Die deutsche Theologie zwischen den beiden Vatikanischen Konzilien vor der Herausforderung durch die Moderne - ihr Beitrag zum Zweiten Vatikanischen Konzil" (dazu wie zum Gesamtprojekt s. ThLZ 124, 1999, 1307-1309). Wegen des Auslaufens der Förderung des Gesamtprojektes musste das Programm auch dieses Arbeitskreises in seiner letzten Phase leider komprimiert und auch reduziert werden. Trotzdem ist noch einmal ein beachtlicher Beitrag entstanden, der es verdient, aufmerksam zur Kenntnis genommen zu werden. Er lenkt den Blick auf die römisch-katholische Kirche und Theologie in den deutschsprachigen Ländern in ihrem Verhältnis zu "Vorbereitung, Durchführung, Rezeption und Realisation" des II. Vatikanums.

Es geht somit in erster Linie um die historische Aufarbeitung von Vorgängen und Anteilen. Zusammenfassende Beiträge widmen sich der katholischen Kirche in Österreich (R. Zinnhobler, 103-132), in der Schweiz (M. Ries, 133-147) und in der DDR (J. Pilvousek, 149-167), wobei manche interessante Einzelheit mitgeteilt wird, zumal vieles neu aus Handakten und Archiven zu Tage tritt. Die Situation in der BRD wird demgegenüber in verschiedenen Einzelbeiträgen dargestellt. R. Götz schildert zusammenfassend "Die Rolle der (west)deutschen Bischöfe auf dem Konzil" (17-52), S. Toscer speziell noch einmal die von Kardinal Frings im Zusammenhang mit dem von ihm ins Leben gerufenen Bischöflichen Werk Misereor (53-60). G. Wassilowsky vermittelt einen Einblick in die "Textwerkstatt" einer Gruppe deutscher Theologen um Karl Rahner auf dem Konzil (61-87) und L. Ä. Schulte untersucht den Einfluss von Friedrich Wulf SJ in Entwicklung und Rezeption des Ordensdekretes "Perfectae Caritatis" (89-102). Der Beitrag von W. Damberg (169-184) lässt am Beispiel des Bistums Münster die regionalen Dimensionen deutlich werden und der von O. Schütz die weitere und ausgesprochen wichtige und wirksame der Vorbereitung und späteren Vermittlung durch eine Institution, die der Katholischen Akademien (185-208).

Gewiss muss in dem gegebenen Rahmen vieles "Skizze" bleiben. Um Vollständigkeit konnte es von vornherein nicht gehen, sondern nur um "Anregungen zu weiteren Untersuchungen" (241). Diese aber gibt es hinreichend, nicht zuletzt durch den reichen Anmerkungsapparat. Dass jedoch - gerade wenn gezielt der deutschsprachige Raum ins Auge gefasst wird - das hier bedeutendste Instrument der Konzilsrezeption, die nachkonziliaren Synoden, nahezu völlig ausgeblendet bleiben, dass nicht einmal eine solche Skizze versucht wird, ist schon ein schwerwiegendes Desiderium. Die fast schon resignierte Feststellung von J. Pilvousek, die Pastoralsynode der DDR und ihre Dokumente seien "beinahe in Vergessenheit geraten", gilt offenbar allgemein.

Von all dem deutlich abzuheben ist allerdings der Schlussbeitrag von N. Lüdecke: "Der Codex Iuris Canonici von 1983: Krönung des II. Vatikanischen Konzils" (209-237). Er untersucht als einziger ein Sachproblem, dazu noch ein ausgesprochen brisantes. Er tut es engagiert-kritisch und offen. So bescheinigt er dem neuen Codex z. B. ein statisches Offenbarungsverständnis (215) und die Bekräftigung der "theologisch und ökumenisch als problematisch bewertete[n] Zwei-Quellen-Theorie der Offenbarung" (216). Und im Hinblick auf die Erhöhung der lehramtlichen Autorität und die Verhältnisbestimmung von Lehre und Glaubensantwort "nach dem Modell von Befehlsvorgabe und Befehlsausführung" fragt er unumwunden: "Ist das nicht blanker Positivismus? [...] Zeigt sich hier nicht exemplarisch, daß der Codex in der Tat selber das deutlichste Signal der Restauration und des Verrats am Konzil ist?" (218 f. mit Zitat von H. Küng). Der Beitrag gipfelt in sieben ausgesprochen desillusionierenden Thesen, die ihrerseits in die Feststellung münden: "Der CIC schafft [...] eine kirchliche Ordnungsgestalt, welche die Ekklesiologie des Ersten (Vatikanischen Konzils) unbehelligt läßt und zusätzlich abstützt." (237) Und der Autor fügt hinzu: "Je deutlicher dies wird, um so eher ist damit zu rechnen, daß die wirklichen Grundfragen des kirchlichen Selbstverständnisses [...] nicht in beschwichtigenden Formeln untergehen, die in ihrem Versuch, harte Realitäten weich zu formulieren, das schlechte Gewissen erkennen lassen."

Das klingt wie eine Hoffnung, sollte manchem aber wohl eine Mahnung sein. Gerade um der Ökumene willen möchte man sich beidem gern anschließen.