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Ausgabe:

September/2002

Spalte:

988 f

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Fleischmann-Bisten, Walter [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Papstamt - pro und contra. Geschichtliche Entwicklungen und ökumenische Perspektiven.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. 288 S. 8 = Bensheimer Hefte, 97. Kart. ¬ 17,90. ISBN 3-525-87188-0.

Rezensent:

Gert Haendler

Der Herausgeber will das Thema Papstamt "in Gemeindekreisen und im Religionsunterricht in reformatorischer Freiheit und ökumenischer Offenheit" besprechen und eine "Arbeitshilfe für die Praxis wie für den akademischen Unterricht" vorlegen (8). Peter Gemeinhardt beschreibt "Die Entwicklung des päpstlichen Primats im ersten "Jahrtausend". Der Primat ergab sich politisch aus der Hauptstadt Rom bzw. Konstantinopel, er wurde nachträglich als Sonderamt des Petrus aus der Bibel abgeleitet. Der Bischof von Rom wurde 342/43 als oberste Berufungsinstanz in kirchlichen Streitfragen genannt, eine "letztinstanzliche Funktion im kirchlich-jurisdiktionellen Gefüge" übte er im späten 9. Jh. aus (26). Der Autor führt bis zum Bruch 1054 zwischen Rom und der Ostkirche, zum Abschluss sagt er: Schon im 1. Jahrtausend war der römische Bischof gerade da, wo er seinen päpstlichen Anspruch hart durchsetzen wollte, "letztlich das Hindernis kirchlicher Einheit" (38).

Jörg Haustein zeigt "Das Papsttum aus der Sicht der Reformatoren" (39-64). Luther hat "von den neun Päpsten seines Lebens keinen einzigen je gesehen". Zwei päpstlichen Vertretern ist er begegnet: 1518 Cajetan und 1535 Vergerius, der sich später der Reformation anschloss (44). Die Ablehnung des Papsttums fand Eingang in reformatorische Bekenntnisschriften. Zitiert wird u. a. aus den Schmalkaldischen Artikeln, den 39 Artikeln der Kirche von England und Werken Calvins. Begriffe werden hinterfragt: "Lutheraner" sind die einzige Konfession, die "sich nach einem einzigen Menschen" nennen. Die Redeweise vom Papst als Antichrist ist "ökumenisch wenig hilfreich" (63). Problematisch bleibt die vatikanische Vermischung von Kirchenoberhaupt und Staatsoberhaupt: "Mit den politisch-kirchenpolitischen Ansprüchen des Bischofs von Rom hat das Auseinanderbrechen der Christenheit ihren Anfang genommen".

Michael Bünkers Beitrag "Das Papsttum und die Ökumene" zitiert Papst Johannes Paul II., der 1995 die Bitte hörte, "eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet" (65). Die gemeinsame Studie im Jahre 2000 von der katholischen Bischofskonferenz und der VELKD "Communio sanctorum" bringt 30 Seiten über einen "Petrusdienst" (73). Aber Bünker hält fest: "Historisch gesehen sind von Rom mehr Exkommunikationen als Vereinigungen ausgegangen" (77). Die volle Anerkennung anderer Kirchen durch Rom steht aus, - ist jedoch "conditio sine qua non für die weiteren Schritte auf diesem Wege" (78). Solche Schritte liegen nahe im Rahmen der Globalisierung. Dann ist die Frage, "unter welchen Bedingungen ein Papstamt etwa auch für Kirchen der Reformation akzeptabel wäre, nur eine Facette" (83).

Grigorios Larentzakis skizziert "Das Papsttum in orthodoxer Sicht". Kirchenväter und Konzilien führen zu dem Ergebnis, "daß die Apostolizität der Kirche nicht nur von einem Apostel, dem Apostel Petrus, abhängig gemacht werden darf". Apostolische Sukzession ist nicht Petrinische Sukzession (102). Alle Regionalkirchen sollten mit ihrer jeweiligen Autonomie, jedoch in voller kirchlicher und sakramentaler Gemeinschaft "gleichwertige Schwesterkirchen" sein (112). Der römische Bischof werde "als Erster unter Gleichen, primus inter pares, respektiert". Er könnte "nach konkreten Vereinbarungen als der Sprecher der Communio Ecclesiarum in einer zunehmend globalisierten Welt auftreten" (120). - Günter Eßer schildert "Das Papsttum in altkatholischer Sicht". Er stellt den altkatholischen Bischof Joseph Hubert Reinkens dar, zumal seine Argumentation mit der Papstkritik des Bernhard von Clairvaux (123-127). Ende 1999 unterschrieben Karl Lehmann als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und der altkatholische Bischof Joachim Vobbe eine "Regelung zur Übernahme von Amtsträgern". Weitere Konsultationen werden erhofft (151).

Walter Fleischmann-Bisten erörtert das Thema "Das Papsttum in heutiger evangelischer Sicht". Pädagogisch geschickt stützt er sich zunächst auf im Evangelischen Gesangbuch abgedruckte Texte, die aktiven Christen verfügbar sind (157-161). Danach bringt er Äußerungen von drei bekannten evangelischen Theologen, die Rom aus eigener Anschauung kennen: Karl Barth, Edmund Schlink und Gottfried Maron. In sieben Punkten zieht der Autor abschließend sehr deutliche Konsequenzen (172-174). - Heiko Franke berichtet über "Das Unfehlbarkeitsdogma in der neueren römisch-katholischen Theologie". Erörtert werden das Mariendogma 1950, Probleme auf dem 2. Vatikanum, der Streit um "Humanae Vitae" nach 1968, die "Küng-Debatte" (175-197). Der Autor zitiert den katholischen Theologen Bernhard Hasler: "Das Ausmaß der Manipulationen während und nach dem Konzil war viel größer, als die katholischen Darstellungen vermuten lassen" (202). Die päpstliche Ablehnung der Ordination für Frauen 1994 führte zu einer Debatte, ob diese Entscheidung definitiv sei (224-232). Der Autor urteilt: "Die Lehre von der Unfehlbarkeit führt [...] zu mehr Verwirrung als Klarheit" (237).

Ferdinand Barth behandelt "Das Papsttum und der Ablaß". Nach historischen Erörterungen legt er moderne Deutungen von Bernhard Poschmann und Karl Rahner dar (257-267). Grundsätzlich hält die katholische Kirche am Ablass fest. Das 2. Jahrtausend endet mit zwei Ereignissen: Die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" wurde am 31.10.1999 in Augsburg unterschrieben, die römisch-katholische Kirche beging das Jahr 2000 als "Heiliges Jahr" mit Gewährung von außerordentlichen Ablässen. "Beides ineinander zu sehen, ist für das Verständnis beider Ereignisse hilfreich" (273). Evangelische Theologie hält daran fest, "daß der Ablaß mitsamt dem hierokratischen System, das ihn geboren hat, mit dem Evangelium unvereinbar ist" (283).

Der Band erfüllt seine Aufgabe: Er bietet reiche Informationen mit einschlägigen Quellen (auch noch im Anhang, 283- 287). Viele unterschiedliche Stimmen kommen zu Wort. Das Buch ist eine gute Arbeitshilfe für verschiedene Formen des Unterrichts. Bei einer Neuauflage könnten Register den informativen Band auch noch zu einem nützlichen Nachschlagewerk machen.