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Ausgabe:

September/2002

Spalte:

980 f

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bolle, Geertje-Froken, Emler, Volker, Gewalt, Dietfried, Heiber, Eberhard, u. Volker Schmeling [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Einführung in die Schwerhörigenseelsorge. Im Auftrag der AFESS-Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Schwerhörigenseelsorge.

Verlag:

Hamburg: Verlag hörgeschädigte Kinder 2000. 273 S. m. Abb. gr.8. Kart. ¬ 11,20. ISBN: 3-924055-29-7.

Rezensent:

Gottfried Adam

Im 1. Teil des Buches wird ein geschichtlicher Rückblick geboten. Als Begründerin der Schwerhörigenseelsorge und der Schwer- hörigenbewegung gilt Margarethe von Witzleben (1853-1917) in Berlin. Sie gründete den Schwerhörigenverein "HEPHATA", dem viele Zweigvereine folgten. Der geschichtliche Rückblick erinnert an das Ende kirchlicher Schwerhörigenarbeit in der NS-Zeit, an den Wiederbeginn nach dem 2. Weltkrieg und an die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Schwerhörigenseelsorge 1957.

Teil 2 enthält auf 125 Seiten Ausführungen zu den "Fachgebieten im Umkreis der Schwerhörigenseelsorge". Es beginnt mit Ausführungen zu Sprache und Kommunikation. Hier tauchen bekannte Namen auf: u. a. Szagun, Watzlawick und Schulz von Thun. Schwerhörigkeit aus medizinischer Sicht und die psychosozialen Folgen der Schwerhörigkeit sind die nächsten beiden Themenbereiche. Im Kapitel "Schwerhörigkeit, Ertaubung und Biografie - die Sicht der Betroffenen" kommen die Schwerhörigen bzw. Ertaubten selbst zu Wort. Eine empirische Untersuchung wird mit dem Ziel ausgewertet, personale und soziale Veränderungen hörgeschädigter Menschen zu formulieren. Wenn auch die Gründe für den Hörverlust und folglich auch die persönlichen Reaktionen unterschiedlich sind, so ist dennoch allen gemeinsam, dass sie ihren Lebensplan umstellen müssen und das soziale Umfeld mitbetroffen ist. Die Persönlichkeit und das soziale Umfeld ist ausschlaggebend dafür, ob der hörbehinderte Mensch sein Leben in Gemeinschaft oder in Isolation führt. Die optimale Versorgung mit Hörgeräten kann die Verständigungsschwierigkeiten in einem hohen Maße mildern, aber nicht beheben. Im Folgenden werden das Cochlea-Implantat, die altersgemäßen pädagogischen Interventionen bei Schwerhörigen und deren Rehabilitation wie auch die vorhandenen technischen Hilfsmittel ausführlich behandelt. Dieser Teil ist hinsichtlich der medizinischen, technischen, psychologischen und pädagogischen Fragen ausgesprochen instruktiv und vermittelt Basiswissen für Personen, die in diesem Bereich arbeiten.

Teil 3 mit knapp 100 Seiten Umfang ist den kirchlichen Arbeitsfeldern gewidmet. Am Anfang steht ein theologischer Artikel von G.-F. Bolle über das Bibellesen aus der Perspektive schwerhöriger und ertaubter Menschen. Das ist ein spannender Text, der in befreiungstheologischen Perspektive verfasst ist. Hier ist auch das nachdenklich stimmende Konzept des behinderten Gottes von Nancy Eieslands aufgenommen.

Es folgt nun die Behandlung der einzelnen kirchlichen Arbeitsfelder in Gemeinde und Schule: Gottesdienst, Seelsorge, Religionsunterricht, Konfirmandenarbeit, Jugendarbeit, Bibelrüstzeit, Erwachsenenbildung, Bibelstunden, Schwerhörigendienst in Alten- und Pflegeheimen und Öffentlichkeitsarbeit. Dort wo es erforderlich ist, wird auch gesondert über die Situation in den neuen Bundesländern berichtet. Die umfänglichsten Artikel finden sich zu den Themen Religionsunterricht, Konfirmandenarbeit und Jugendarbeit, was nicht weiter verwundert, sind doch diese Arbeitsbereiche auch jene, wo große Möglichkeiten der Kommunikation und des Kontaktes gegeben sind und die auch von der Struktur her am klarsten zu beschreiben sind hinsichtlich der Ziele, Aufgaben und Inhalte.

Bei der Autorin und den Autoren dieser Artikel handelt es sich um kompetente Personen, die im Arbeitsbereich der Schwerhörigenseelsorge tätig sind. Das Werk stellt jetzt das einführende Lehr- und Studienbuch für den Bereich der evangelischen Schwerhörigenseelsorge dar. Es wird für einen längeren Zeitraum das Standardwerk für diesen Bereich bleiben. So ist das Buch für alle Personen von Interesse, die in diesem Bereich Aufgaben wahrnehmen und beruflich tätig sind. Fragen der religiösen Arbeit mit behinderten Menschen werden von der Religionspädagogik eher selten bearbeitet. Darum darf man das Erscheinen dieser "Einführung in die Schwerhörigenseelsorge" als ein besonderes Ereignis einstufen.