Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

September/2002

Spalte:

920–922

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bucer, Martin

Titel/Untertitel:

Briefwechsel - Correspondance. IV: Opera auspiciis Theologorum Evangelicorum Argentinensis Erlangensisque edita (Januar-September 1530). Hrsg. u. bearb. von R. Friedrich, B. Hamm u. A. Puchta.

Verlag:

Leiden-Boston-Köln: Brill 2000. XX, 324 S. gr.8 = Studies in Medieval and Reformation Thought, 78. Lw. Hfl 211,56. ISBN 90-04-11620-6.

Rezensent:

Herman J. Selderhuis

Im Jahre 1979 erschien der erste Band des Briefwechsels des Straßburger Reformators Martin Bucer, 1989 folgte der zweite Band. Beide Ausgaben wurden ediert von Jean Rott, dem damals einzigen Forscher, der sich mit der schwierigen Handschrift Bucers gut auskannte. Der dritte Band erschien 1995 unter der Mitherausgeberschaft von Christian Krieger. Jetzt liegt Band IV vor, und bemerkenswert ist, dass dieser Band nicht wie die ersten drei als Correspondance sondern als Briefwechsel/Correspondance eingeführt wird. Diese Andeutung ist die äußere Folge der Verlegung der Edition von Straßburg zur Martin-Bucer-Forschungstelle nach Erlangen, obwohl weiterhin eine Zusammenarbeit mit Straßburg besteht. So ergibt sich eine Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Neuere Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, der Faculté de Théologie Protestante in Straßburg und auch der Heidelberger Bucerforschungsstelle unter der Leitung von Gottfried Seebaß.

Im Vergleich mit den drei ersten Bänden haben sich auch einige Editionsgrundsätze geändert, diese werden in der Einleitung verantwortet. Die wichtigste Änderung ist wohl, dass die Sprache der Apparate jetzt deutsch ist. Im Sachregister sind aber wichtige französische Verweisstichwörter eingefügt und die französischen Regesten sind wegen der deutschen Fußnoten-Kommentierung etwas ausführlicher.

Die deutsch-französische Verbindung zeigt sich auch darin, dass es in diesem Band ein Vorwort von Bernd Hamm (Erlangen) und eines von Matthieu Arnold (Straßburg) gibt. Der 1998 verstorbene Rott hat nicht nur viele Abschriften von Bucers Briefen und viele Anmerkungen dazu hinterlassen, sondern auch einen Forscher, der mit Bucers Handschrift vertraut ist, nämlich Reinhold Friedrich. Zusammen mit Berndt Hamm und Andreas Puchta hat er die 73 Briefe, die Bucer in der Zeit von Januar bis September 1530 schrieb und erhielt, bearbeitet und veröffentlicht. Das Jahr 1530 für Band IV heißt aber, dass erst 341 der mehr als 2500 Briefe umfassenden Bucerkorrespondenz vorliegen. Schaut man sich aber die Erscheinungsjahre der Bände an, so kann eine vielversprechende Beschleunigung festgestellt werden. Diese Beschleunigung geht erfreulicherweise nicht auf Kosten der Qualität der Edition. Jeder Brief wird erst sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache zusammengefasst.

Die Fußnoten enthalten viele notwendige und hilfreiche Informationen, sind aber so knapp, dass der Text der Briefe Hauptbestandteil der Edition bleibt. Hier zeigt sich die Qualität der Edition, weil es gerade bei Briefeditionen leicht passieren kann, dass eine Annotations-Überbelastung stattfindet. Am Ende des Werkes finden sich auf insgesamt 32 Seiten Register zu Bibelstellen, Orten, Personen und Sachen, die den Nutzen des Werkes noch mehr steigern.

Inhaltlich bezieht sich die Korrespondenz hauptsächlich auf den Augsburger Reichstag und die Diskussion um das Abendmahl. Von den Briefen ist die Spannung über den Verlauf des Reichstages abzulesen. Bucer schreibt, dass er fürchtet, aus Augsburg fliehen zu müssen. Wichtiger ist die Furcht, Opfer eines Ausgleichs der Altgläubigen und Lutherischen gegen die Oberdeutschen zu werden. Der wichtigste Korrespondent in diesen Monaten ist Huldrych Zwingli. Bucer drängt ihn immer wieder eindringlich, anderen zu zeigen, dass der Zürcher nicht so grundlegend von Luther abweicht, wie von diesem behauptet wird. Aufschlussreich sind diese Briefe, weil sie beweisen, dass Bucers Unionsbereitschaft nicht auf seine diplomatischen Fähigkeiten oder sogar auf eine Art dogmatische Indifferenz zurückgeht, sondern auf seiner eigenartigen Theologie beruht. Für Bucer ist der Abendmahlsstreit ein Streit um Worte, der an der eigentlichen Bedeutung des Sakraments vorbeigeht. Damit ist auch dieser Band ein bedeutender Schritt zur weiteren Kenntniss der Bucerschen Biographie wie auch seiner Theo-logie.

Die Thematik dieser Monate (Januar bis September) ist auch Grund dafür, dass einige Briefe eigentlich kleine Traktate zur Ekklesiologie, Bilderfrage, Liturgie und zur Abendmahlslehre sind.

Die Bedeutung dieser Korrespondenz geht aber weit über die Bucerforschung hinaus, sie bezieht sich auf das Gesamtgebiet der Geschichte und Theologie der frühen Neuzeit. Deshalb ist zu wünschen, dass Reinhold Friedrich und seine Mitarbeiter am Institut in Erlangen in diesem Tempo und mit solch guten wissenschaftlichen Ergebnissen an der Korrespondenz weiterarbeiten können und ihnen die dazu notwendigen Mittel bleibend zur Verfügung gestellt werden.