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Ausgabe:

September/2002

Spalte:

867–882

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Petzoldt, Martin

Titel/Untertitel:

Nietzsche unter den Theologen?

Veränderte Wahrnehmung und Berücksichtigung Nietzsches in der Theologie*

1.

Nietzsche und die Theologie - ein Thema, das auf den ersten Blick ausgesprochen ambivalent ausfällt, von welcher Seite man sich ihm auch nähert. Im Vordergrund baut sich rasch das Bild des provinzialsächsischen Pfarrerssohns auf, der seinen früh verstorbenen Vater, einen dem preußischen Königtum treu ergebenen ehemaligen Prinzenerzieher am Sachsen-Altenburgischen Hof, vergöttlichte; das Bild des Theologiestudenten, der die bigotten Frauenspersonen, die sein "Elternhaus" fortan verkörpern,1 hintergeht und sich der Theologie längst entfremdet hat, bevor man es auch nur ahnte; das Bild des Apostaten, der zusammen mit der Totalverwerfung von Philosophie und Moral Christentum und christliche Theologie nicht nur kritisierte, sondern mit Hohn und Spott in verbalen Attacken überzog, wo immer es ihm sich auch nur zeigte.

Seitens zeitgenössischer Theologie scheint Nietzsches verwirrter geistiger Endzustand - heimlich womöglich! - mit einigem Aufatmen aufgenommen und mit der Konsequenz des Gedankens eines persönlichen Gottesgerichts bedacht worden zu sein, was man heraufbeschwöre, wenn man sich so äußere und verhalte. Vorausahnend formulierte es Nietzsches Freund Köselitz nach der Nachricht von der Umnachtung im Januar 1889: "... daß die Philister kommen und sagen: Seht, da habt ihr's! So muß es Jedem gehen, der usw. -".2

In neuerer Theologie, spätestens seit der Mitte des 20. Jh.s, lassen sich Zeichen einer behutsamen, doch durchaus unzweideutigen Annäherung an Nietzsche wahrnehmen, die nicht einfach Vereinnahmung zum Ziele haben. Da ist zunächst vor allem Dietrich Bonhoeffer, der in seinen Briefen und Aufzeichnungen aus der Haft, die unter dem Titel "Widerstand und Ergebung" eine grandiose theologische Wirkung entfalteten, eben auch mit Hinweisen aufwartete, wie u. a. mit jenem Plädoyer, nicht zu rasch neutestamentlich zu denken, sondern alttestamentlich, und dies in einem Atemzug mit dem Nietzschewort "Brüder, bleibt der Erde treu" behaftete; eine Sicht des Verhältnisses von Altem und Neuem Testament, das heute trotz aller Verständlichkeit manche Nöte bereiten mag! - Da ist aber andererseits auch Hans Urs von Balthasar zu nennen, der es bereits 1937 unternimmt, in einem größer angelegten Werk als Katholik auf Nietzsche adäquat einzugehen.3

Weiter ist da der Rekurs, der Bonhoeffer und Nietzsche gleichermaßen in Anspruch nimmt, um den Tod Gottes theologiefähig zu machen. Rückbezüge auf den Patripassianismus der Alten Kirche, auf die nachreformatorische Kirchenliedstrophe Johann Rists - "O große Not, Gott selbst liegt tot" -, auf Jean Pauls "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, daß kein Gott sei", auf Hegels Denken u. a., was in eine Linie mit Nietzsches Äußerung des tollen Menschen gerät: "Gott ist tot, und wir haben ihn getötet". Ob diese Linie so gezogen werden kann, darf zumindest erneut gefragt werden.

Schließlich nimmt die Theologie durch die Öffnung der Pastoraltheologie, der Seelsorgelehre, hin zu Psychologie und Psychotherapie zur Kenntnis, dass die psychologischen Grundlagen des Freudschen Denkens philosophisch mit Feuerbach und Nietzsche zu verbinden seien. Interessant dabei ist die relativ späte These, Freuds psychoanalytischen Ansatz auf Nietzsche selbst und seine Biographie4 anzuwenden. Ganz zu schweigen schließlich von der Beschäftigung der Theologie mit Religionskritik und philosophischem Gottesdenken, die schon traditionell Nietzsche als wesentliche Position - wenn auch sehr unterschiedlich - in den Blick nahm.5

Wenn nicht alles täuscht, so befinden wir uns mitten in einem erneuten und eigenständigen Versuch der Wahrnehmung Nietzsches durch die Theologie. Dazu tragen nicht unwesentlich verschiedene Neuerscheinungen bei, die um das Nietzsche-Gedenkjahr 2000 herum erschienen sind, allen voran das interessante Buch von Hans Hübner, Nietzsche und das Neue Testament6.

2.

Hervorgegangen aus einer "Öffentlichen Vorlesung für Hörer aller Fakultäten", "zugleich auch für die Universität des dritten Lebensalters" (VII, 1), bietet sich das nicht eben sehr umfangreiche Bändchen in sympathischer und leserorientierter Manier dar: In neun Abschnitte eingeteilt, kommt es zunächst zu einer 1. Hinführung zu Friedrich Nietzsche (1-23) und konzentrierten Bemerkungen, 2. Zur Biographie Friedrich Nietzsches (24- 44); dann folgen in drei Abschnitten Analysen von Teilen aus Hauptschriften Nietzsches, und zwar aus 3. Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (45-83), 4. Zweite Unzeitgemäße Betrachtung: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben (84-113) und 5. Menschliches, Allzumenschliches (114-158). Diese Abschnitte sind insofern analog gearbeitet, als Hübner zunächst jeweils in einem ersten Teil inhaltlich zusammenfassende Lesehilfen gibt, um dann in einem zweiten eines der Leitthemen herauszugreifen, das mit dem Bezug zum Neuen Testament einer kritischen und erhellenden relecture unterzogen wird. Weitere drei Abschnitte kommen ohne den Versuch der Zusammenfassung der zu Grunde liegenden Schriften aus und nehmen unmittelbar ausgewählte thematische Fragen auf: 6. Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile (159-178), 7. Die fröhliche Wissenschaft ("la gaya scienza") (179-188) und 8. Also sprach Zarathustra (189- 228). Gleichsam als Zusammenfassung fungiert Abschnitt 9. Der Nihilismus (229-273). Im Anhang gibt es die Anmerkungen, ein Literaturverzeichnis in Auswahl und ein Register (Bibelstellen, Personen, Sachen).

Ein Neutestamentler liest - sich darin bewusst als Theologe verstehend - Nietzsche. Auch wenn Nietzsche der Ruf des Christentumshassers vorauseilt, will H. sich ihm anders nähern als manchem Christentumshasser unserer Zeit, mit dem auseinanderzusetzen sich nicht lohne. Denn Nietzsches Atheismus sei erlitten, er sei der einzige ernstzunehmende Atheist (2). Das sagt H. bewusst nach seiner Kenntnisnahme eines Lehrbuches für Wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus aus der ehemaligen DDR und des dort vernehmbaren beharrlichen Schweigens des DDR-sozialistischen Atheismus zu einem atheistischen Denker, der zum Wegbereiter des Faschismus gestempelt, darin gerade der ideologischen Entstellung und Verfälschung der Schriften Nietzsches durch die Nietzsche-Schwester Elisabeth und ihrer Hitler-Verehrung treu folgend.

"Nietzsches Atheismus ist also in gewisser Hinsicht ein Produkt seiner christlichen Erziehung - oder sollte ich zutreffender sagen: pseudochristlichen Erziehung? -, er ist auch die Konsequenz dieser Erziehung." (4) Und als Atheist fühlt er sich durch seinen Atheismus beunruhigt, so, dass er die nichtbeunruhigten Atheisten zum Nachdenken bringen möchte. Jenen bekannten Aphorismus 125 "Der tolle Mensch" aus der "Fröhlichen Wissenschaft"7 nimmt Hübner im 7. Abschnitt wieder auf (184 ff.), hier aber nun, um den Charakter der Ankündigung, der Prophetie eines Ereignisses, und zwar eines europäischen Ereignisses herauszuarbeiten.

Als Hinführung zu Nietzsches Denken erklärt H. seinen Hörern und Lesern eindringlich, dass es nicht um die erneute Behandlung des Themas "Gott" bei Nietzsche gehe, sondern um die Affinität zwischen Christentum und Nietzsche im Sinne der Bemühung, "seine eigene Grundüberzeugung anderen nahezubringen" (16); und das sei eben nichts anderes als Hermeneutik, "ein die eigene Existenz angehendes Verstehen" (ebd.). Um seinen Ansatz zunächst überschaubar vorzustellen, fasst er ihn in zwei Thesen zusammen: "Friedrich Nietzsche war ein entschieden hermeneutisch engagierter Mensch." Und "Das Neue Testament ist durch und durch hermeneutisch geprägt." (17) Trotz allenthalben vernehmbarer positivistischer Exegese will H. daran festhalten: Nietzsche und das Neue Testament "treffen sich in ihrer hermeneutischen Intention. Beide wollen überzeugen, beide wollen missionieren." (ebd.) Das kann der Vf. nicht nur mit einschlägigen und gut gewählten Nietzsche-Texten - insbesondere aus "Menschliches, Allzumenschliches" - vorführen, darin weiß er sich auch einig mit Gianni Vattimo,8 der Nietzsche sogar einer "hermeneutischen Ontologie" zuordnet - insofern das Neue Testament und Nietzsche ihre Jünger auf die Freiheit ansprechen, d. h. auf die Zukunft ihrer Existenz. Und so ist Nietzsche, der Pfarrerssohn, "Theologe geblieben - freilich ein Theologe sui generis, ein atheistischer Theologe; er ist Theologe geblieben, weil ihm das theologische Koordinatensystem geblieben ist" (22). Wer bis hierher gelesen hat, nimmt H. ab, dass er keinesfalls vorhabe, Nietzsche theologisch zu vereinnahmen; und vielleicht zeige sich das gerade daran, dass Nietzsches "Widerspruch gegen das Christentum ein Wahrheitselement des Christlichen enthält, das dem Theologen zu denken geben sollte" (23).

Zunächst trägt H. einiges "Zur Biographie Friedrich Nietzsches" zusammen, was perspektivisch auf jenen begrenzten Gesichtspunkt Bezug nimmt, den er thesenhaft ausgemacht hatte, "nämlich dem des Verhältnisses seines philosophischen und existentiellen Denkens zum theologischen Denken" (24); deshalb sei einiges daraus mitgeteilt. Nach Anmerkungen über biographische Literatur beobachtet H. "einige Aspekte seiner Lebensführung, seines Lebensverständnisses, seines Selbstverständnisses, seines Charakters" (26 f.), die Schlüsselfunktionen für das Verständnis Nietzsches haben: "Es war ein schwieriger Mann" (27), "ein unsteter Mensch" (28), "Mann des falschen Berufs" (29), doch "ein genialer Mensch" (ebd.). H.s biographischer Essay macht eines deutlich: Nietzsche suchte offenbar lebenslang selbst nach einer Identität, die ihm niemand zu bieten imstande war: beim eigenen Vater, bei Lord Byron, bei Friedrich Hölderlin, bei Napoleon, beim deutschen Kaiser, bei Gaius Julius Caesar, schließlich beim Gekreuzigten. Interessant ist, was vom kritischen Einfluss seines nur sechs Jahre älteren Griechisch- und Englischlehrers Dietrich Volkmann in Schulpforta berichtet wird (36 f.). Nietzsche bleibe nach dem Verlust seines Gottesglaubens - was ihn schwer belastet habe - ein "in theologischen Bahnen denkender Atheist" (38). Aber eben auch "gegen die Philologie Philosoph" zu werden (ebd.), gegen die Philologie Künstler zu sein (39), zeige den Zwiespalt von Beruf und Berufung, weise auf eine Existenzspaltung hin (C. P. Janz). So tritt er auch mit einer ersten großen Schrift an die Öffentlichkeit, die mit dem zentralen Thema "Philosophie und Musik" beschäftigt sei und das Gespräch mit jenen Positionen aufnimmt, die ihn zu dieser Zeit beschäftigen: Arthur Schopenhauer und Richard Wagner: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik (1869-1871 geschrieben, 1872 publiziert). Als Beispiel für die Interpretationsweise H.s sei diesem Kapitel besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Nicht um Literaturgeschichte, um Kunstphilosophie geht es in dieser Schrift, sondern um "alle Dimensionen des Menschseins" (46). H. geht dem Inhalt dieser Schrift, die nicht nur Wagner gewidmet ist, sondern auch diesen nachdenkend meint, in wichtigen Schritten nach: Apollo, Dionysos, Sokrates - Traum-Wirklichkeit und Wirklichkeit des Traums, Wahrheit und Maßlosigkeit ("Dionysos und Apollo sind in der Existenz des Menschen vereint", 60), der Lyriker (und Musiker) als ontologischer Visionär (61), dem Plastiker und Epiker gegenübergestellt. Die Musik erscheint, im Spiegel der Bildlichkeit und der Begriffe, als Wille (62), und so vollziehe sich - den Titel der Nietzsche-Schrift sachgerecht umformuliert - die Geburt der Tragödie aus dem Ur-Willen des Seins (ebd.). Mit Sokrates werde aber der Wille durch bloße Erscheinung ersetzt, "das Eigentliche durch das bloß Uneigentliche" (64). Und so hört es sich sehr prophetisch an, was H. aus Nietzsche dann zitiert: "Wir athmen bereits die Luft einer theoretischen Welt, welcher die wissenschaftliche Erkenntnis höher gilt als die künstlerische Wiederspiegelung einer Weltregel."9 (64)



Im zweiten Abschnitt zeigt H. nun, inwiefern das Dargestellte dieser ersten Schrift Nietzsches die theologische Frage tangiert. Dies sieht er hier in grundsätzlicher Weise dargestellt: "Im selben Augenblick, wo Nietzsche von der Logik [d. h. der Erscheinung, der wissenschaftlichen Erkenntnis, der theoretischen Welt] spricht, von der Geißel der Syllogismen, der logischen Operationen, und wo er diesen die absolute Kraft zum Erfassen der Wirklichkeit bestreitet, in genau diesem Augenblick also, wo die Logik im Bereich des Denkens relativiert wird, ist die Theologie tangiert. Würde man nämlich die begriffliche Deduktion zum letztlich entscheidenden Richter über die Wirklichkeit ernennen, so würde jeder theologische Satz als nichtssagend, als, wie man es heutzutage gern formuliert, Leerformel disqualifiziert [...] Eine allein aufgrund der Logik erfaßte Wirklichkeit wäre eine ungeheuer reduzierte Wirklichkeit, die den Namen Wirklichkeit nicht mehr verdiente" (67).10 Und noch weiter: Wer im Gefolge von "Kants Erkenntnislehre ohne Auseinandersetzung mit ihr immer noch wähnt, er könne die Existenz Gottes empirisch widerlegen, der hat den kritischen Geist Kants verkannt! Wenn also Nietzsche in Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik die Wirklichkeit einer konstatierbaren Vorhandenheit als alleinige Wirklichkeit nicht gelten läßt, so hat er hier ein gewichtiges Urteil gesprochen, das auf jeden Fall theologische Implikationen hat." (68) Gehe man den Schritt von Kant zu Schopenhauer weiter, so zeige sich gemäß Nietzsche, dass im Unterschied zu den anderen Künsten die Musik Abbild des Willens selbst sei, also nicht nur Abbild der Erscheinung.

H. resümiert, man müsse sich einer doppelten Aufgabe stellen (70): "1. Hat Nietzsches Abwertung der Logik und des Begriffs eine adäquate Entsprechung im Neuen Testament? 2. Hat Nietzsches Zustimmung zu Schopenhauers Auffassung von der ontologischen Priorität des Willens und dann auch der Musik eine adäquate Entsprechung im Neuen Testament?" Zur ersten Frage kommen entschiedene Antworten: Gottes Wirklichkeit sei nach AT und NT "nur in der im Glauben fundierten Überzeugung von seiner Wirklichkeit erfahrbar". Ja, im Sinne der Formulierung des Wahrheitsmomentes des ontologischen Gottesbeweises Anselms folgert H.: "Zum Gottesgedanken gehört eben notwendig seine Existenz, will man nicht von einem bloßen Gedankenkonstrukt sprechen", wolle man Gott nicht "per definitionem als ein vom Menschen nur gedanklich konstruiertes Phantom" intendieren. "Nur der geglaubte Gott ist Gott; der nur theoretisch gedachte Gott ist ein Götze." (71) Im Blick auf den allein sokratischen Menschen und seine Philosophie sei Atheismus nur konsequent. Aber mit solcher Sicht eigne Nietzsches Intention eine ungeheure Nähe zu Altem und Neuem Testament. Denn "Nur der Dionysosverehrer versteht den Dionysosverehrer" (73), worin H. zu Altem und Neuem Testament eine "Entsprechung im Bereich des Hermeneutischen" (74) sieht. Solche Entsprechung sieht er auch in der Sicht des Willens des Alten und Neuen Testaments: Gottesgedanke und Gottesbild - so im Blick auf Röm 8 und Ez 36 - seien "voluntaristisch geprägt" (77). In Ez 36,26 überlasse Gott seinem Volk durch Selbstentäußerung etwas von sich selbst. "Auch das Neue Testament läßt in voluntaristischer Theologie Gott und Mensch aneinander im Wollen des Guten und Heiligen zusammenfinden." (82), so im Blick auf Röm 8,14.

Wille sei bei Nietzsche Ur-Ereignis atheistischer Grundhaltung, bei Paulus Ur-Ereignis des Glaubens an Gott. Zwar habe Nietzsche Paulus nicht gemocht - was seine Ursache u. a. in einem falschen Paulus-Verständnis der Zeit Nietzsches habe -, doch, so fragt H. am Schluss dieses Kapitels (83), hätte bei besserem Verständnis des Paulus "aus seiner [i. e. Nietzsches] dynamischen, lebenserfüllten Denkweise nicht eine grandiose Theologie entstehen können?"

Unter dem Stichwort des "Nihilismus" beschließt H. seine Vorlesung (229-273) und bewährt damit - wie auch in allen vorangegangenen Kapiteln - erneut seine Methode, in Nietzsches Formulierungen sowohl auf Gedankentiefe verweisende Assoziationen zu biblischen Gedanken aufzuspüren als auch Parallelität und Entsprechung als hermeneutische Tendenz ernst zu nehmen und anzuwenden. Wieder die Frage: "Gibt es in der Heiligen Schrift nihilistische Vorstellungen, nihilistische Gedanken? Wenn ja, sind sie - in welcher Weise auch immer - mit dem Nihilismus Nietzsches vermittelbar? Vergleichbar?" (263) Psalm 90, Prediger 1, Psalm 39,14: überall ist es die Sünde, die als Grund des vorzeitigen Todes angegeben wird. Bei Paulus wird solches Denken noch konsequenter; Röm 5,12 denkt nicht nur den Tod als Inbegriff des Nichts, "sondern der in der Konsequenz der Sünde gelegene und damit durch sie qualifizierte Tod. Der Mensch als Sünder ist somit der dem Tode preisgegebene Mensch des Nichts" (266). H. entdeckt bei Nietzsche parallele Denkstrukturen - nicht theologische Parallelen! -, wenn ausgerechnet der Nihilismus die Blindheit gegenüber vermeintlich obersten Werten in die klare Einsicht der wahren Werte verwandelt. Eben das sei die Denkfigur, die bei Paulus zu finden ist: Gott lasse "die Menschen ins Nichts sinken, damit er sie aus diesem Nichts wieder herausreißt" (267), insbesondere Röm 11,32, Gott lasse den Nihilismus zu, "um den Nihilismus zu nichten". Doch die Handlungsebenen göttlichen Handelns und menschlicher Denkweise seien eben in Röm 9-11 als nicht vermittelbar dargestellt, was Nietzsche zwar sehr heftig bestreiten würde, aber doch darauf verweist, dass beide - Nietzsche und das Neue Testament - durch eine "spezifische Auffassung vom Nihilismus als einem Geschehen, das schon im Gesetzt-Haben des Nichts dessen Überwindung impliziert" (268), verbunden sind.

H. kennt die "Welten", die "zwischen der jeweiligen Realisierung dieser Denkstruktur auf seiten Nietzsches und auf seiten des Neuen Testaments" liegen, und so kommt er zu dem Schluss: "Aber gerade die in dieser Differenz enthaltenen Affinitäten zeigen, wie sich der an seinem Atheismus Leidende in seiner Denkstruktur näher beim theologischen Denken aufhielt, als er sich selbst erlaubt hätte. Und dazu gehört die Erkenntnis, daß sich sein heftiges Anti zu einem kraftvollen Pro umformte. Seine Philosophie des Anti entwickelte sich aus sich selbst zu einer Philosophie des Pro. Diese[s] Ergebnis ist theologisch von hoher Relevanz, auch wenn die materia des Pro, nämlich der Wille zur Macht, in zentralen Elementen nicht mit der Botschaft Jesu Christi und dem Kerygma des Neuen Testaments vereinbar ist." (268 f.) Nicht zuletzt wegen Nietzsches eigener Sicht seines Denkens - unsystematisch - und wegen des theologischen Gehalts des Neuen Testaments verbiete sich ein "systematischer Gesamtvergleich".

3.

Neben diese interessante Vorlesung Hübners kommt ein Buch zu stehen, das von einem der Altmeister theologischer Nietzsche-Beschäftigungen stammt, der damit zugleich mit "diesen Überlegungen den mit meiner Promotionsschrift über den Sinn des Satzes Gott ist tot (1962) eröffneten Ring meiner Nietzsche-Studien" zu beschließen gedenkt (9). Die Rede ist von Eugen Biser.11 Den Außentitel des Bandes ziert das bekannte Ex libris "Nietzsche mit Dornenkrone", womöglich erster Hinweis darauf, dass es der Leser bei diesem Buch in einem bestimmenden Punkt mit dem Versuch zu tun hat, in Nietzsches Denken doch so etwas wie ein "System" zu entdecken?

Biser gliedert seinen Band in vier Abschnitte unter der Überschrift "Nietzsches Kritik des Christentums" (I. Nietzsches letzter Wille; II. Umriß einer Nietzsche-Hermeneutik; III. Der Mythenzerstörer und Mythenschöpfer; IV. Der abschüssige Denkweg) und in fünf Abschnitte unter der Überschrift "Nietzsches Rekonstruktion des Christentums" (I. Die Aggression; II. Die Destruktion; III. Die Inversion; IV. Die Revision; V. Die Rekonstruktion), um mit einem "Epilog" zu schließen. Nietzsches Verhältnis zur Gestalt Jesu ist einer der Bezugspunkte, den B. aufnimmt, um jenseits aller Negationen Positionen zu gewinnen. Er selbst, Nietzsche, sieht sich als Nachahmer, als Doppelgänger Jesu - man vergleiche das Titelbild -, der (wie B. sich auf Karl Jaspers' Beobachtung beziehen kann) "schon inmitten des Kampfes, als gebe er ihn auf, indem er den Gegner mit einbezieht, sich gleichsam in ihn verwandelt, und das gelte sogar für das Christentum" (21). Im 39 des "Antichrist", der in seinen Aussagen zu einer durchaus zu bejahenden aktuellen Form des Christentums hindurchdringt,12 positiv aufgenommen von D. Bonhoeffer13, ist diese Anverwandlung an Jesus nachvollziehbar (22). Nietzsches Kritik des Christentums sei nicht nur Angriff, sondern auch Provokation (140), sein Buch "Der Antichrist" eine Art Programmschrift, die folgende Komplexe zusammenbringe: "Der Gottesbegriff, die Offenbarung, die Gestalt, Botschaft und Lebenspraxis Jesu, das Christentum als Lehre und Moral, die Kirche als Institution und System" (141).

Es kann keinesfalls hier der Anspruch aufgerichtet werden, den Reichtum der Schrift B.s auch nur annähernd wiedergeben zu können. Wesentlich an dieser Summe einer lebenslangen Nietzsche-Beschäftigung erscheint nicht nur die Kenntnis Nietzsches, sondern auch der bewusste und sorgfältige Umgang mit der Nietzsche-Interpretation. Es mag sein, dass die Zugänge zu solcher Sicht, wie sie B. vorträgt, nicht auf ungeteilten Beifall stößt. Beachtlich und respektabel bleibt sie durch ihren großen Ernst und ihre spürbare innere Beteiligung.

4.

In eigenständiger bzw. ja durchaus eigen-sinniger Weise enthält eine interessante Briefe-Edition den Zusammenhang Nietzsches mit der Theologie: Schon Mazzino Montinari gab mit dem Entschluss, "Briefe über Nietzsche" zu edieren, den Gedanken weiter, wichtige Mitteilungen zu Nietzsche seien sonst nirgends zu finden14 als in Briefen Dritter an Dritte; als erste wichtige Edition nannte er selbst den Briefwechsel Overbecks mit Peter Gast/Heinrich Köselitz, als Band 3 der "Supplementa Nietzscheana"15 vorliegend. Zweifellos rangierte damit Montinaris Interesse an Nietzsche an erster Stelle. Inzwischen aber ist die Gestalt Franz Overbecks (1837-1905) mit ihrer eigenen Bedeutung stärker ans Licht getreten. Seit 1993 beginnt die Ausgabe seiner Werke zu erscheinen, und das Basler Kolloquium 1987 zu Overbecks 150. Geburtstag hat dessen wichtige Position als Theologe und als Zeit- und Kulturkritiker unter Beweis gestellt, ohne seine christentumskritische Position zu verharmlosen. Im Gegensatz dazu schien Heinrich Köselitz (1854-1918) weiterhin der ewig Zweite oder gar Dritte zu bleiben - zu Nietzsche ohnehin, aber auch zu Overbeck. Durch Nietzsche selbst mit zu großen Erwartungen überhäuft, mit Overbeck in freundschaftlicher Beziehung stehend, bis beide sich seit Oktober 1899 zunehmend entfremdeten, fristete diese Gestalt bisher eine eher tragische Nebenrolle in der Nietzsche-Literatur. Der vorliegende Briefwechsel lässt bezüglich dieses Mannes, der Nietzsche treu ergeben zunächst Assistentenarbeiten verrichtete (Anfertigen von Reinschriften, Korrekturlesen, Lektorendienste), einige neue und interessante Seiten entdecken.

Die wichtigen Mitteilungen zu Nietzsche, die "sonst nirgends zu finden sind" (M. Montinari), darf man in dem Briefwechsel Overbeck-Köselitz in den deutlichen Zeichen der Entwicklung einer Art Theologisierung der Gestalt Nietzsches selbst sehen; die Herausgeber berichten dankenswerterweise davon bereits in ihrer Einleitung (XL-XLIV). Davon ausgehend sei einiges davon und dazu erwähnt: Zwar sei inmitten dieses Briefwechsels das konstante Thema zweifellos der gemeinsame Freund Friedrich Nietzsche, dem das glücklose Schicksal Köselitz' als Musiker an zweiter Stelle folge; auch beanspruche die Kommentierung eigener Schriften durch Overbeck einen hervorragenden Platz (XXXIX). Doch besonders auffallend zeige sich das unterschiedliche Verhältnis Overbecks und Köselitz' zu Nietzsche: "Es ist die Differenz zwischen dem selbständigen, eine kritische Distanz wahrenden Freund Overbeck und dem Jünger Köselitz, der seinen Meister schon relativ früh in genau jenen Kategorien zu deuten beginnt, die Overbeck, der kritische Theologe und Antitheologe, aufs tunlichste und zeitlebens vermieden hat: eine religionsaffine Deutung Nietzsches nämlich." (XL) Nietzsche verschwende in Kollegien Zeit und Mühe, "während draußen die Welt auf ihn warte" (an Heinrich Widemann, 1876); "Morgenröthe" sei "etwas ganz Großes", ein "weltbewegendes Buch", "eine Wohlthat" (hier Brief 37 vom 18.6.1881: Zeilen 87-90); "Zarathustra" hält er "für eine heilige Schrift, vielleicht auch mit ein paar Eigenschaften heiliger Bücher, die ich darin lieber vermißte" (Brief 66 vom 12.7.1883: Zeilen 17-19), eine leichte Kritik, die er aber alsbald wieder abmildert: "Wegen Zarathustra's fürchte ich zu unvorsichtig mich geäußert zu haben [...] Alles, was ich zu Nietzsche sage, [ruht] auf einer tiefen Verehrung und Bewunderung" (Brief 71 vom 14.11.1883: Zeilen 42-45); Zarathustra sei "eines der stärksten Bücher, die es überhaupt giebt [...] In diesen Tagen sah ich in die Kritik der Urtheilskraft, und ich mußte mir sagen: das Buch gehört in die stupide Litteratur. So würde es mir, wenn ich Zeit zu lesen hätte, nach Zarathustra wohl mit vielen Büchern ergehn. Das wird aber einstweilen das Beste sein: daß Einem Zarathustra den Geschmack für tausend Dinge verdirbt." (Brief 90 vom 27.6.1885: Zeilen 19, 33-38); in diesen Zusammenhang gehört auch die naiv-ehrfürchtige Äußerung Köselitz' an Nietzsche nach Erhalt des sog. Wahnsinnszettels16 an ihn: "Es müssen große Dinge sein, die mit Ihnen vorgehen! Ihr Enthusiasmus, Ihre Gesundheit und Alles, was Sie reinen Leibs, geweihten Sinns gethan oder als gethan ahnen lassen, muß auch die Siechhaftesten aufrütteln; Sie sind eine ansteckende Gesundheit" (Brief vom 9.1.1889); nach der Mitteilung von Nietzsches Umnachtung durch Overbeck antwortet er, Nietzsche sei für ihn "eine der höchsten Erscheinungen der menschlichen Race [...] Er hat das Recht zum Größenwahn" (Brief 105 vom 13.1.1889: Zeilen 4-5.9); zu solchen theologisierenden Äußerungen gehören auch solche in Köselitz's Vorreden zu Nietzsches Werken, dort ist für ihn Zarathustra die "Bibel für Ausnahme-Menschen", Zarathustra mit Nietzsche identisch, bei dem "Leben und Lehre Eins" seien, Nietzsche habe "das Leben seines Zarathustra" gelebt (zitiert nach: XLI). Schließlich gehöre in diesen Zusammenhang auch das "Bekenntnis Peter Gast's am Grabe Nietzsches" in Röcken vom 28.8.1900: "Was der Blick deines Auges, was dein liebreicher Mund sagte, es war voll Schonung und Güte, es war ein Verbergen deiner Majestät: du wolltest (um an eines deiner zartesten Worte zu erinnern) - du wolltest uns Scham ersparen. Denn dem Reichtum deines Geistes, dem Trieb deines Herzens, anderen Freude zu machen - wer von uns hätte ihm etwas gleiches entgegensetzen können? Du warst einer der edelsten und lautersten Menschen, die je über die Erde gegangen sind. Und obschon dies Feind und Freund weiß, so halte ich es doch nicht für überflüssig, dies Zeugnis laut an deiner Gruft abzulegen. Denn wir kennen die Welt, wir kennen das Schicksal Spinozas. Und darum schließe ich mit den Worten: Friede deiner Asche! Heilig sei dein Name allen kommenden Geschlechtern!"17

Der insgesamt beispielgebend gearbeitete Band enthält nach Vorwort und Einleitung der Herausgeber 275 Briefe, die Overbeck und Köselitz zwischen 1877 und 1905 wechselten, denen zwei Anhänge (Briefumschlag mit Beschriftung von Overbeck; Notizen Overbecks) und ein Kommentar (555-792) beigegeben sind; es folgen eine Zeittafel, Bibliographie und Abkürzungsverzeichnis und ein differenziertes Register. Briefe 104 (Overbeck) und 176 (Köselitz) sind im Anschluss an die Einleitung als Facsimilia beigegeben. Wichtigstes Kriterium für die Kommentierung ist für die Herausgeber "der Bezug der entsprechenden Briefstelle zu Nietzsches Leben und Werk". Dass daneben weitere Gesichtspunkte leitend sind, wie Overbeck, Köselitz, Wagner und seine Werke, Lou von Salomé, sowie editions-, rezeptions- und geistesgeschichtlich Interessantes, macht die Lektüre der Briefe mit ihren Kommentaren so außerordentlich anregend (XLVI).Vor allem erhalten die Leser durch viele Briefe hindurch eine differenzierte Erklärung zu der Entstehung des Nietzsche-Archivs, die Vorgehensweise der Nietzscheschwester Elisabeth bei Aufbau des Archivs und ihrer Editionspläne sowie Kenntnis von Verhaltensweisen, Argumenten und Entscheidungen Overbecks und Köselitz' angesichts der Politik E.Förster-Nietzsches. Nicht unwesentlich sind manche biographischen Details, vor allem hinsichtlich der Krankheitsdiagnose Nietzsches und ihrem Bekanntwerden.

5.

Nietzsche-Anthologien sind ein eigenes Genus, das auch eine eigene Würdigung verdiente, die hier nicht erfolgen kann. In einem Fall, als Neuauflage nach fast 60 Jahren erneut publiziert, verknüpfen sich drei solcher Anthologien mit dem Nietzschebild eines der prominentesten katholischen Theologen des 20. Jh.s, mit dem von Hans Urs von Balthasar (1905-1988).18 Es handelt sich um die Anthologien "Vom vornehmen Menschen" (3-111), "Vergeblichkeit" (113-200) und "Von Gut und Böse" (201-289). Den Anthologien folgten schon bei ihrer Erstveröffentlichung Nachworte von Balthasars, der unter dem Pseudonym Hans Werner veröffentlichte, um - so deutet man es - der schwierigen Erlangung der kirchlichen Druckerlaubnis zu entkommen. Das Vorwort der Neuausgabe von Alois M. Haas würdigt von Balthasars Nietzschebild, indem es wesentlich Bezug nimmt auf einen Essay von M. Lochbrunner.19 Von Balthasars Anthologien seien gleichsam Entsprechungen zu seiner Nietzsche-Deutung, die er 1937-39 unter dem Titel "Apokalypse der deutschen Seele" veröffentlicht hatte. In den Anthologien spiegeln sich die Leitmotive Anthropologie, Leben und Ethik. Damals als "Dokumente einer intentional offensten christlichen Haltung [...] aus einer tiefen Erschrockenheit vor den Mächten des Untergangs - womit er konkret den Nationalsozialismus ins Blickfeld rückte - einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt" (X), wollen sie auch heute, 100 Jahre nach dem Tod Nietzsches, 60 Jahre nach der Publizierung als Anthologie, "Zeitgenossen zum geistigen Dialog mit dem Philosophen ermutigen" (Lochbrunner, hier XIV). Der Herausgeber der Neuausgabe, Haas, schließt sein Vorwort: "Angesichts der Intensität und Genauigkeit, mit der sich Nietzsche kritisch mit dem Christentum befaßt hat, ist es zweifellos legitim, solcher Kritik mit ebenso existentiell gestimmter Kritik zu begegnen. Dies aber ist genau die balthasarsche Position, wenn er Nietzsche auf seine Letzthaltung hin befragt." (ebd.) Dass solche Sicht nicht unbestritten ist, wird nicht nur an dem in der Folge, Abschnitt 6.1., vorzustellenden Kommentarwerk zu Nietzsches "Der Antichrist" ausführlich deutlich, sondern ist bis in das soeben zitierte Vorwort hinein Grund zur polemischen Auseinandersetzung, an dieser Stelle mit Peter Köster (vgl. hier IX, Anm. 6).

6.

Die Bände 2 und 3 aus der Reihe "Beiträge zu Friedrich Nietzsche. Quellen, Studien und Texte zu Leben, Werk und Wirkung Friedrich Nietzsches"20 sind von sehr unterschiedlichem Charakter und Umfang:



6.1. Da ist zunächst der voluminöse Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", eine Dissertation, die 1998 von der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel angenommen wurde. Ihr Vf., A. U. Sommer, bewegt sich mit seinen beachtenswerten Veröffentlichungen auf dem Grenzgebiet von Philosophie und Theologie; gegenwärtig lehrt er Philosophie an der Universität Greifswald.

Nietzsches "Antichrist" zu verstehen, macht sich dieses Werk auf den Weg (Beitr. 2, 7). Damit wendet es sich wissend einer Schrift zu, die allzu oft von der philosophischen Nietzsche-Lektüre ausgeschlossen worden ist.21 In seiner "Einleitung" stößt der Vf. bereits zu viel Nichtselbstverständlichem vor, das das Verstehen heute behindert. Aber das sei nicht das Eigentliche. Vielmehr gehe es gegen jeden Versuch von "Retheologisierung", um das Vermögen, einen "aggressiven Text gelassener lesbar zu machen" (W. Stegmaier, hier: Beitr. 2, 18). Deutung aus dem Gesamtzusammenhang, nicht Zitation einzelner die Sache betreffender Stellen, sei die Aufgabe; ebenso aber auch, bei der Kommentierung die Sicht von Leserin und Leser einzunehmen. Außerdem stehe "Der Antichrist" nicht unter dem Schutz irgendwelcher Ehrfurcht oder Tradition, die erst beiseite zu räumen sei. Auch rhetorische Polemik will als Rhetorik ernst genommen werden. "Ich achte daher auf Sprachlogisches und frage nach den Konsequenzen und Inkonsequenzen im Verhältnis der einzelnen Bilder zueinander [...] Die analytische Arbeit muß mit anderen Worten von einer synthetischen begleitet werden. Diese ist notwendig perspektivisch - noch mehr, als es die analytische bereits ist" (Beitr. 2, 21). Der Vf. beginnt dann recht heftig gegen "einige von der Nietzsche-Lektüre paralysierte Geister" zu polemisieren, um dann die Edition des "Antichrist" in der Kritischen Studienausgabe - unter Hinweis auf H. Cancik- mit dem kritisch zu beleuchtenden Ergebnis, dass der philosophische Ertrag einer "integrale[n] Neuedition des späten Nietzsche-Nachlasses [...] zum (enormen) Aufwand in keinem rechten Verhältnis" stehe (Beitr. 2, 23, Anm. 28). Es fällt auf, dass dann der Vf. ältere und neuere theologische Nietzsche-Literatur Revue passieren lässt mit der Frage, ob sie versuche, Nietzsche "auf die eine oder andere Weise wieder einzugemeinden"; anknüpfend an Overbecks Kritik an Julius Kaftan (1848-1926)22, den dieser - das sei charakteristisch für die Theologie überhaupt! - am Werke sehe, Nietzsche "für einen der besten Erzieher zur Theologie" zu erklären. Es ist hier nicht der Ort, diese Durchsicht zu referieren oder gar zu kommentieren. Sie fällt fast durchgehend gegen die Theologie aus; das jedoch macht so außerordentlich hellhörig! Was hier nicht so zu verstehen sein soll, als ob Theologen nicht selbst um die Kritikwürdigkeit theologischer Nietzsche-Beschäftigung wüssten. Aber sie wissen in der Regel eben auch um die Kritikwürdigkeit nichttheologischer Nietzsche-Beschäftigung. Es bringt wenig, wenn Nietzsche-Interpreten - welcher Couleur auch immer - so tun, als ob die Kritik Nietzsches gerade sie nicht träfe, sondern immer die anderen. Man erinnere sich durchaus daran, dass Nietzsche selbst nicht allein Christentum und Moral, sondern auch die Philosophie insgesamt und die Philosophen in seine Kritik einbezog. Wer so uneingeschränkt ein Gegenüber aufmacht, hat offenbar doch für sich selbst Grund genug, die Ziele der Nietzscheschen Kritik nachträglich zu "definieren". Darauf kommt der Vf. denn auch kurz zu sprechen, indem er die Selbstinfragestellung als Wissenschaftler mit Hilfe von Peter Köster beschwört und damit gleichsam die Flucht nach vorn antritt: "Vielleicht vermeindet [sic!]23 man mit einem philosophischen Kommentar noch am ehesten jene Schwierigkeiten, die die wissenschaftliche Annäherung an Nietzsche in sich birgt" (Beitr. 2, 28). Der damit bezeichnete Zusammenhang und das Stichwort "Wissenschaft" erlauben, wenigstens diese Stelle im Kommentar selbst aufzusuchen und ein Beispiel - wenn auch verkürzt und unvollkommen - zu bieten:

47 überschreibt der Kommentar "Der paulinische Gott als Gott gegen Vernunft und Wissenschaft" (Beitr. 2, 448 ff.). Darauf folgt unter (I) "Skopos, Hauptargument" eine übersichtliche, aber auf Kürze bedachte Wiedergabe der wesentlichen Anteile des Inhalts; unter (II) fügt sich an "Detailanalyse: Stilistisches, Literarisch-Rhetorisches. Schwerpunkt: Argumentationsgang, Gedankenführung"; schließlich folgt (III) "Begriffsgeschichtliches, Detailerläuterungen, Quellen und philologischer Befund." Der Sache gemäß vollzieht sich die Kommentierung jeweils im zweiten Abschnitt.

Im Verlauf der Analyse widmet der Vf. der Auseinandersetzung E. Jüngels mit Nietzsches "deus, qualem Paulus creavit, dei negatio" eine überdimensionierte Anmerkung (Beitr. 2, 450, Anm. 221), die allerdings Typisches der Kommentierung im Ganzen und im Einzelnen wiederzugeben vermag: Nicht nur berufe sich Jüngel auf Biser, sondern mache sich Nietzsche zum Gefährten in der Verketzerung des Gottes der Metaphysik, dessen Makel es allerdings sei, dass Nietzsche auch den Gott des Kreuzes verachte. Jüngel - so wird er auch zitiert - verwundere es, "daß Nietzsche die negatio dei [...] nicht als den Anfang eines ganz anderen, eines neuen Gottesverständnisses gelten lassen wollte, das zum Lob und zur Rechtfertigung alles Vergänglichen sehr wohl geeignet gewesen wäre. Der Grund für diese antitheologische Borniertheit dürfte wohl darin zu erblicken sein, dass Nietzsche das Vergehen des Vergänglichen nur als ein von Schwachheit und Leid freies, natürliches Vergehen gelobt und gerechtfertigt wissen wollte. Darin blieb auch Nietzsche im Gegenüber zur Metaphysik zutiefst der Metaphysik verhaftet" usw. Der Kommentator kann Jüngel schließlich nur noch "Offenbarungssupranaturalismus" vorwerfen und feststellen, dass Jüngels "deus crucifixus für menschliche Begriffe kein der Göttlichkeit würdiger Gott mehr ist." Wie wahr, wenn ein "der Göttlichkeit würdiger Gott" zutiefst metaphysisch bleibt, aber eben auch Zeichen dafür, wie sehr bereits der Versuch des Kommentators, theologische Gedanken nachzuvollziehen, gegen Null tendiert.

Der wesentliche Aspekt des Paragraphen liegt aber in einem der soeben angeschnittenen Frage folgenden Gedanken; Nietzsche wird in 48 eine Allegorese der Sündenfallgeschichte bieten, in der die "Wissenschaft die erste Sünde" ist. Schon hier in 47 sieht Nietzsche das Christentum als Religion, "die sich an keinem Punkte mit der Wirklichkeit berührt", die der Wissenschaft "todtfeind" sei. Dazu der Kommentator: "Die Lebensfeindlichkeit des christlichen Gottes bleibt nicht bloß empfunden, sondern konkretisiert sich in der Wissenschaftsfeindlichkeit, die dem paulinischen Gottesglauben in der zweiten Hälfte des Paragraphen zur Last gelegt wird. Dabei sind Nietzsches frühere Vorbehalte gegenüber dem Nachteil der Wissenschaft für das Leben aus dem Blickfeld geraten; die wissenschaftlichen Interessen kongruieren nun scheinbar ganz selbstverständlich mit den Lebensinteressen. Gemeinsam machen sie Front gegen den christlichen Wirklichkeitsverlust" (Beitr. 2, 451). Der Vf. bringt - wie in der Einleitung angekündigt - mehrfach Nachlassfragmente zur Kommentierung bei. Zur Frage der Wissenschaft kehrt sich am Ende der Kommentierung des 47 alles um: "Das Schema der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts, das die Wissenschaft auf der einen, Christentum auf der anderen Seite meinte verorten zu können, wird kommentarlos [von Nietzsche] reproduziert, und damit das eigene genealogische Reflexionsniveau drastisch unterboten." (ebd. 456 f.)

Was den christianisierenden Nietzscheinterpreten zu sagen ist, gelte auch "gläubigen Nietzscheanern": "Überzeugungen sind Gefängnisse" (Der Antichrist 54, Zeilen 6-7). Der Vf. empfiehlt distanzierende Gelassenheit. Was sich in der Einleitung dann noch zum Thema "Wissenschaftlichkeit" anfügt, kann man getrost unter der Voraussetzung der captatio benevolentiae des 47 und seiner Kommentierung durch den Vf. zur Kenntnis nehmen. Am Schluss beschäftigt ihn noch neben historisch Wissenswertem zur Entstehung des "Antichrist" der Gedanke der "Umwerthung aller Werthe": Bleibt wirklich nur die Tendenz der Destruktion alles bisher Gültigen, wenn die "neue Moral [...] nicht positiv zu lehren" ist? Der Vf. schiebt in einer letzten Anmerkung eine Abwandlung des Pauluswortes aus 1Kor 13,12 nach: "Wir sehen jetzt, frei nach Paulus in einem dunklen Wort, durch einen Spiegel; dann aber, wenn wir unsere eigene Moral realisiert haben werden, von Angesicht zu Angesicht". Wenn solche Anwendung einen gebürtigen Ostdeutschen nicht doch zu sehr an die eschatologischen Ideologismen einer abgeschmackten DDR-Vertröstung erinnerten, dann würde er lieber mit einem anderen Pauluswort antworten, ohne den Fehler des Zusammenklaubens von Zitaten zu begehen, den Vf. mit Recht kritisiert hatte: Auch die Frage der Moral (in ihrer Geschichtlichkeit, ihrer Begründung und in ihrer neuen Gestalt!) ist nur in "irdenen Gefäßen" zu haben (2Kor 4,7). - Ein kluger Kommentar zu dieser Nietzscheschrift, aus dem viel Wichtiges und Bedenkenswertes zu lernen und zu erfahren ist. Den Theologen und ihren Überlegungen zu Nietzsche würde gewiss mehr Rechnung getragen, wenn ihre allgemeine Voraussetzung ernst genommen werden könnte, die eben nicht bei der Destruktion alles Gültigen stehen bleibt oder stehen bleiben kann. Ob es zutrifft, das "moderne Christentum" - was auch immer das ist? -, das nach dem Urteil des Umschlagtextes auf der Rückseite des Bandes vom "Nietzsche-Trauma zutiefst gekennzeichnet" ist, besser verstehen zu können, wenn man Nietzsches "Der Antichrist" verstanden hat, wird doch wohl eher dahingestellt bleiben müssen.

6.2. In der gleichen Reihe "Beiträge zu Friedrich Nietzsche" folgt dem Kommentar von A. U. Sommer der verhältnismäßig übersichtliche Band zu "Nietzsche in Basel" (Beitr. 3)24, zu dem C. P. Janz ein Geleitwort beisteuert. Dort betont der Vf. der wichtigen dreibändigen Nietzsche-Biographie von 1978-1979, Nietzsches Basler Zeit sei "die längste selbstgewählte Bindung an einen Ort" gewesen. Insofern sei es im Blick auf fast jede Dimension des Lebens Nietzsches von besonderem Wert, die Details seiner Basler Zeit besser zu kennen. Die Autorinnen können zwar auf einige wenige Titel hinweisen, die zum Thema (Beitr. 3, 99) vorliegen, gewinnen aber die Berechtigung zu diesem Band vor allem aus der Tatsache nur punktueller Kenntnisnahme des Materials. Eine Übersicht "Nietzscheana in Basel- Handschriften und Akten zu Nietzsche" führt dem Publikum die Bestände der Universitätsbibliothek Basel und des Staatsarchives Basel-Stadt nach Titeln geordnet vor Augen (Beitr. 3, 95-98). Die Hauptteile bilden zwei Essays "Nietzsche in Basel, 1869-1889" (9-60) und "Friedrich Nietzsches Arbeitswoche in Basel: Ein Blick fürs Detail" (61-70), sowie Übersichten: "Nietzsches Unterrichtstätigkeit an Universität (1869- 1879) und Pädagogium (1869-1876)" (71-78) und eine "Chronik 1869-1879" (79-94).

Die 31 Abbildungen im Buch sind alle schwarz-weiß gehalten; auf dem Buchtitel ist das Porträtbild der frühen Jahre nach 1870 zu sehen, das in Basel aufgenommen wurde; dem Rückumschlag ist eine farbige Besonderheit vorbehalten: das auf 14cm verkleinerte "Monumentum amicitiae", jene im Original 34cm Durchmesser messende gerahmte und kreisrunde Holzscheibe, bemalt von Frhr. Carl von Gersdorff mit Symbolen und Initialen, eine Freundesgabe zur Hochzeit von Franz Overbeck und Ida Overbeck-Rothpletz im August 1876 (Bild des jungen Paares auf S. 29). Die wegen der Buchmaße arge Verkleinerung lässt nur mit Mühe die Symbole erkennen und beschreiben: für Richard Wagner einen Geniuskopf mit Flügeln, für Heinrich von Treitschke einen Reichsadler, für Carl von Gersdorff eine üppige Obstschale, für Heinrich Romundt Vögel, die durch schlangenähnliche Tiere gefüttert werden (?), für Erwin Rohde einen Satyrtanz, für die Braut Ida Rothpletz das christliche Symbol des sich opfernden Pelikans, für Franz Overbeck Obstschalen und fütternde Kolibris, für Friedrich Nietzsche Drachen und Gelehrtenfratze.25 In einer Lasche der Innenseite des hinteren Umschlagdeckels steckt ein farbiger Basler Stadtplan (33 x 22 cm), Vogelschauplan der Stadt Basel anno 1845 von Johann Friedrich Mähly (Staatsarchiv Basel), mit Verweisen auf Wohn- und Lehrlokalitäten.

Der Band bietet eine wünschenswerte Ergänzung zur Biographie Nietzsches; durch seine Anschaulichkeit setzt er "einen bedeutenden und notwendigen Kontrapunkt zur fast täglich wachsenden Flut von philosophischen Interpretationen" (Geleitwort C. P. Janz).

7.

Zusammenfassende Bemerkungen zu dem Problemkreis Nietzsche und die Theologie:

1. Hübner erkennt eine Affinität zwischen Christentum und Nietzsche im Sinne der Bemühung, "seine eigene Grundüberzeugung anderen nahezubringen" (vgl. Fußnote 6, Hübner, 16); aus dem Briefwechsel Overbeck-Köselitz geht hervor eine "Differenz zwischen dem selbständigen, eine kritische Distanz wahrenden Freund Overbeck und dem Jünger Köselitz, der seinen Meister schon relativ früh in genau jenen Kategorien zu deuten beginnt, die Overbeck, der kritische Theologe und Antitheologe, aufs tunlichste und zeitlebens vermieden hat: eine religionsaffine Deutung Nietzsches nämlich" (vgl. Fußnote 15, Briefwechsel, XL). Bei Biser hört sich das durchaus ähnlich an, wenn er Nietzsche - wie dieser sich selbst! - als Nachahmer Jesu sieht, der diesen seinen "Gegner mit einbezieht, sich gleichsam in ihn verwandelt", was "sogar für das Christentum" gelte (vgl. Fußnote 11, Biser, 21).

2. Wenn nach der Erkenntnis Hübners Nietzsche und das Neue Testament durch eine "spezifische Auffassung vom Nihilismus als einem Geschehen, das schon im Gesetzt-Haben des Nichts dessen Überwindung impliziert" (vgl. Fußnote 6, Hübner, 268), verbunden seien, so ergeben sich m. E. interessante Beziehungen zur Anschauung von Sünde und Nichts/Nichtigem bei Karl Barth. Womöglich ließe sich an diesem Gegenstand zeigen, dass Barth nicht nur solche Details Nietzsches gut kannte- was selbstverständlich ist -, sondern dieses Wissen auch aktiv in die Erarbeitung seiner "Kirchlichen Dogmatik III, 3" einbezogen hat (Nichtiges als Schattenseite der Schöpfung, seinsmäßiges Reden vom Nichtigen u. ä.).

3. Der Gegensatz von Wissenschaft und Wirklichkeit kommt vor allem beim späten Nietzsche (Der Antichrist 47) noch einmal stark zum Vorschein, und es sieht ganz so aus, als ob er damit selbst - zum Teil! - "das eigene genealogische Reflexionsniveau drastisch unterboten" hätte (vgl. Fußnote 20, Beitr. 2, 456 f.: hier freilich von A. U. Sommer für das Gegenüber von Wissenschaft und Christentum diskutiert). In Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik erreichte er dazu eben bereits jenes höhere Niveau des Urteilens, wenn er prophetisch und doch mit Bange formuliert: "Wir athmen bereits die Luft einer theoretischen Welt, welcher die wissenschaftliche Erkenntnis höher gilt als die künstlerische Wiederspiegelung einer Weltregel" (vgl. Fußnote 9, KSA 1, 113). In der Konsequenz solchen Denkens steht die Aufwertung dessen, was die Theologie "Glauben" nennt; für Nietzsche: "der dithyrambische Dionysusdiener wird somit nur von Seinesgleichen verstanden" (KSA 1, 34). Insofern ist Nietzsche "Theologe geblieben, weil ihm das theologische Koordinatensystem geblieben ist" (vgl. Fußnote 6, Hübner, 22). Das hört sich differenzierter an als Julius Kaftans Urteil über Nietzsche, er sei einer der besten Erzieher zur Theologie (vgl. Fußnote 20, Beitr. 2, 25-26, Anm. 37).

4. Schon aus der nächsten Umgebung Nietzsches zeigen sich Zeichen der Entwicklung zu einer Art Theologisierung der Gestalt Nietzsches. Nicht nur Stellen aus dem Briefwechsel Köselitz-Overbeck lassen sich dazu nennen. Auch die Kommentierung A. U. Sommers ist davon nicht wirklich frei. Zwar stellt er programmatisch fest, dass es gegen jeden Versuch von "Retheologisierung" Nietzsches gehe (vgl. Fußnote 20, Beitr. 2, 18), verfällt aber selbst dem Fehler, dem - freilich in viel eindeutiger Weise - Köselitz verfallen war. In Einleitung und Kommentar Sommers vollzieht sich ein viel sublimeres Gefälle zu solcher "Theologisierung", besser: zu einer sublim sich andeutenden hagiographischen Tendenz, wenn z. B. viel Mühe aufgewandt wird, Nietzsche von der Theologie und von Theologen frei zu stellen.

Summary

New publications on Friedrich Nietzsche today offer two broad lines of interpretation. The first is by theologians who see hermeneutic parallels between Nietzsche's thought and New Testament thought, and even Nietzsche as an imitator of Jesus. The second is current philosophy's attempt to protect Nietzsche from being captured by the theologians. Both lines of interpretation show not only that there have been confessors and hagiographers of Nietzsche in his lifetime already but also that even today no one is safe from falling prey to his or her own convictions. As Nietzsche knew, neither scholarship nor critical self-questioning can protect from errors. This is as true of interpreters who wish to christianize Nietzsche as it is true of faithful Nietzschean interpretations.

Fussnoten:

*) Ernst-Heinz Amberg, dem langjährigen Herausgeber dieser Zeitschrift und dem Lehrer des Vf.s, mit herzlichen Wünschen und mit Dankbarkeit zum 75. Geburtstag am 11. Juni zugeeignet.

1) Solcher Einschätzung scheinen freilich die beiden Autorinnen von Beitr. 3 mit einer leichten Infragestellung, allerdings ohne Begründung, widersprechen zu wollen (vgl. Fußnote 20).

2) Vgl. Briefwechsel Overbeck-Köselitz (Fußnote 15, Brief 105 vom 13.1.1889, Zeilen 24-25).

3) Dazu die erneute Auflage der Nietzsche-Anthologien von Hans Werner, vgl. unten Abschnitt 5.

4) Vgl. vor allem Reiner Bohley, Nietzsches christliche Erziehung (1987) und Hermann Josef Schmidt, Nietzsche absconditus oder Spurenlese bei Nietzsche, Bde. I, II und III (1991 ff.).

5) Jenseits der durch die Nietzsche-Schwester Elisabeth betriebenen ideologischen Verfälschung und der davon abhängigen Arbeiten muss für die philosophische Beschäftigung vor allem auf Karl Jaspers hingewiesen werden, der bereits 1935 in seiner Vorlesungsreihe "Vernunft und Existenz" eine Gegenüberstellung Nietzsche-Kierkegaard versuchte, 1936 eine Nietzsche-Monographie herausbrachte und 1938 mit der Abhandlung "Nietzsche und das Christentum" einen Beitrag zur Religionskritik Nietzsches leistete; vgl. dazu auch E. Biser (Titel: Fußnote 11), S. 27 und 163, Anm. 9. Biser stellt aber auch den späteren Rückzug Jaspers' aus der Nietzsche-Beschäftigung fest.

6) Hübner, Hans: Nietzsche und das Neue Testament. Tübingen: Mohr Siebeck 2000. XI, 290 S. kl.8. Geb. ¬ 24,00. ISBN 3-16-147489-9. - Im folgenden Abschnitt beziehen sich unbezeichnete arabische Ziffern in runder Klammer auf diese Publikation.

7) Leider gerade hier durch einen Druckfehler begleitet: S. 7, Mitte, muss es richtig heißen (3, 481).

8) Gianni Vattimo, Friedrich Nietzsche, Sammlung Metzler 268, Stuttgart-Weimar 1992, 3 f.

9) F. Nietzsche, Sämtliche Werke, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden, hrsg. von G. Colli u. M. Montinari. München-Berlin-New York 1980, Bd. 1, 113.

10) Zwischenhinein kommt Hübner auf aktuelle Fragen zu sprechen, wie hier auf die Diskussion um die "Beweisbarkeit" der Auferstehung Jesu, die durch Lüdemann erneut entfacht wurde.

11) Biser, Eugen: Nietzsche - Zerstörer oder Erneuerer des Christentums? Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002. 178 S. 8. Kart. ¬ 24,90. ISBN 3-534-16027-4. - Im folgenden Abschnitt beziehen sich unbezeichnete arabische Ziffern in runder Klammer auf diese Publikation.

12) Von Jesus sagt Nietzsche: "Heute noch ist ein solches Leben möglich, für gewisse Menschen sogar nothwendig: das echte ursprüngliche Christenthum wird zu allen Zeiten möglich sein [...] Nicht ein Glauben, sondern ein Thun, ein Vieles-nicht-thun vor Allem, ein andres Sein" (Der Antichrist, in: F. Nietzsche, Sämtliche Werke [Titel wie Fußnote 9], Bd. 6, S. 211; 39, 29-32).

13) D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW 8. Gütersloh 1998, S. 435 (Nr. 145. Gedanken zum Tauftag von Dietrich Wilhelm Rüdiger Bethge), spricht davon, dass wir selbst "wieder ganz auf die Anfänge des Verstehens zurückgeworfen" sind, und dass Christsein "heute nur in zweierlei bestehen [wird]: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen".

14) Mazzino Montinari, Nietzsche lesen. Berlin-New York 1982, 145.

15) Overbeck, Franz: Franz Overbeck/Heinrich Köselitz [Peter Gast], Briefwechsel. Hrsg. u. kommentiert von D. M. Hoffmann, N. Peter, u. Th. Salfinger. Berlin-New York: de Gruyter 1998. XLXI, 837 S. gr.8 = Supplementa Nietzscheana, 3. Lw. ¬ 198,00. ISBN 3-11-013023-8.

Diesem Band der "Supplementa Nietzscheana" sind die Edition des Briefwechsels Franz Overbeck-Erwin Rohde (Bd. 1, 1990) und eine ebenso umfangreiche Publikation "Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs" von D. M. Hoffmann (Bd. 2, 1991) vorausgegangen. - In diesem Abschnitt beziehen sich unbezeichnete römische und arabische Ziffern in runder Klammer auf diese Publikation.

16) Nietzsche an Köselitz (4.1.1889): "Meinem maèstro Pietro. Singe mir ein neues Lied: die Welt ist verklärt und alle Himmel freuen sich. Der Gekreuzigte." F. Nietzsche, Sämtliche Briefe, Kritische Studienausgabe in 8 Bänden. Hrsg. von G. Colli und M. Montinari. München-Berlin-New York 1986, Bd. 8, S. 575.

17) Curt Paul Janz, Friedrich Nietzsche, Biographie in drei Bänden. München 1993, Bd. III, 357.

18) Nietzsche, Friedrich: Anthologien. Vom vornehmen Menschen; Vergeblichkeit; Von Gut und Böse. Auswahl von H. Werner. Nachworte von H. U. von Balthasar. Neuausgabe u. Vorwort von A. M. Haas. Freiburg/Br.: Johannes Verlag Einsiedeln 2000. XV, 293 S. 8. Lw. ¬ 20,00. ISBN 3-89411-361-8.

19) Manfred Lochbrunner, Hans Urs von Balthasar als Herausgeber der Sammlung Klosterberg Europäische Reihe (1942-1952), Vorabdruck aus der Officina 1999, den Mitteilungen des Hauses Schwabe, Basel 1998.

20) Sommer, Andreas Urs: Friedrich Nietzsches "Der Antichrist". Ein philosophisch-historischer Kommentar. Basel: Schwabe & Co. AG Verlag 2000. 783 S. gr.8 = Beiträge zu Friedrich Nietzsche, 2. Geb. ¬ 77,00. ISBN 3-7965-1098-1.

Bollinger, Andrea, u. Franziska Trenkle: Nietzsche in Basel. Mit einem Geleitwort von C. P. Janz. Basel: Schwabe & Co. AG Verlag 2000. 98 S. m. zahlr. Abb. u. 1 Kte. gr.8 = Beiträge zu Friedrich Nietzsche, 3. Geb. ¬ 12,00. ISBN 3-7965-1099-X.

Zitiert werden beide Bände oben im Text durch die Siglen: "Beitr. 2" bzw. "Beitr. 3" und Seitenzahl.

21) A. U. Sommer nennt besonders Gary Shapiro, The Writing on the Wall: The Antichrist and the Semiotics of History, in: R. C. Solomon and K. M. Higgins, Reading Nietzsche, New York-Oxford 1988, 192-217, der mit Erfolg eine philosophische, und nicht einfach eine psychopathologische Auseinandersetzung mit diesem Werk vorgelegt habe (Beitr. 2, 20 f., Anm. 19).

22) Die Verfasserinnen der Beitr. 3 (vgl. Fußnote 20, 88) stellen zum Porträt Kaftans jene beiden bekannten Briefstellen Nietzsches vom August und Dezember 1888 zusammen; an die Mutter: "Es ist übrigens einer der sympathischsten Theologen, die ich kenne"; an Kaftan: "Sie gehören, mit Ihrem Besuch in Sils von vorigem Sommer, zu den haarsträubenden Geschichten meines Lebens."

23) Druckfehler: Es muss heißen "vermeidet".

24) Bibliographisch erfasst in Fußnote 20.

25) Leider sind in der Beschreibung dieses "Monumentum amicitiae" auf der Titelrückseite nicht alle Symbole hinreichend erklärt.