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Ausgabe:

Juli/August/2002

Spalte:

776 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Elliott, Mark W.

Titel/Untertitel:

The Song of Songs and Christology in the Early Church 381-451.

Verlag:

Tübingen : Mohr Siebeck 2000. X, 206 S. gr.8 = Studien und Texte zu Antike und Christentum, 7. Kart. ¬ 44,00. ISBN 3-16-147394-9.

Rezensent:

Simon Gerber

Mit dem Hohenlied Salomos (HL) als heiliger Schrift hatte die christliche Kirche vom Judentum zugleich das Problem seiner Deutung und das der Rechtfertigung seiner Kanonizität geerbt, ebenso aber auch die (freilich gelegentlich von Außenseitern in Zweifel gezogene) Gewissheit, dass die erotische Dichtung des HL einen Sinn über ihren buchstäblichen Sinn hinaus haben müsse.

In seiner Cambridger Dissertation untersucht Mark W. Elliott einen Aspekt der Auslegungsgeschichte des HL, nämlich die Wechselwirkung zwischen HL-Exegese und Entstehung des christologischen Dogmas in der Zeit zwischen den Konzilen von Konstantinopel und Chalzedon. E. stellt in einem Kapitel ausführlich die zu besprechenden Werke von insgesamt 22 Autoren vor, neben Kommentaren (z. B. Aponius und Theodoret) auch Homilien (z. B. Gregor von Elvira und Gregor von Nyssa), Scholien, sonstige Abhandlungen, die gelegentlich auf das HL kommen (z. B. De Isaac vel anima von Ambrosius), und Fragmente; bei etlichen der Werke ist die Verfasserschaft zweifelhaft. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für die HL-Exegese nach 381 werden auch Hippolyt, Origenes und Methodius mit einbezogen. Dann widmet E. dem Bräutigam und der Braut des HL je ein Kapitel und stellt zu beiden Figuren ausgewählte Verse des HL und ihre Auslegung durch die verschiedenen Autoren vor. Das im HL besungene Liebesverhältnis von Bräutigam und Braut wird gedeutet auf das Verhältnis Christi zur Kirche und zur menschlichen Seele, aber eben auch auf die Inkarnation Christi. Der (menschgewordene) Logos nimmt dabei als liebender Erlöser die Stelle des Bräutigams ein, während andererseits seine menschliche Natur als Teil der zu erlösenden Menschheit auf der Seite der Braut steht.

E. stellt zum Schluss seiner sorgfältigen Studie fest, alle Autoren zeigten sich von den christologischen Debatten ihrer Zeit beeinflusst, doch keiner habe eine christologische Auslegung des ganzen HL durchgehalten oder eine Christologie anhand des HL entworfen. Dem habe einerseits die generelle Zurückhaltung der Griechen und Lateiner entgegengestanden, aus der metaphorischen Sprache des HL exakte dogmatische Aussagen zu gewinnen. Andererseits aber hätten weder die Antiochener mit ihrer Distanzierung zwischen Göttlichem und Menschlichem noch die Alexandriner, die nur den Logos und nicht Christi menschliche Natur für hypostatisch eigenständig hielten, die Einigung der Naturen Christi als erotische Vereinigung zweier liebender Subjekte fassen können.