Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2002

Spalte:

747 f

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hardmeier, Christof [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Steine - Bilder - Texte. Historische Evidenz außerbiblischer und biblischer Quellen.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2001. 217 S. gr.8 m. Abb. = Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte, 5. Geb. ¬ 50,00. ISBN 3-374-01907-2.

Rezensent:

Karl-Martin Beyse

Der vorliegende Band enthält die in schriftliche Form gebrachten Referate einer Tagung, zu der die 1979 in Halle gegründete "Alttestamentliche Arbeitsgemeinschaft" gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Altes Testament der Universität Greifswald Alttestamentler aus Deutschland und weiteren Nachbarstaaten im Oktober 2000 nach Greifswald eingeladen hatte.

Unter dem Titel "Steine - Bilder - Texte: Historische Evidenz außerbiblischer und biblischer Quellen" wird ein Thema aufgegriffen, dessen Problemfelder der Herausgeber Christof Hardmeier im Vorwort (5-8) und in seinem einführenden Beitrag "Zur Quellenevidenz biblischer Texte und archäologischer Befunde" (11- 29) beschreibt und mit dem Untertitel "Falsche Fronten und ein neues Gespräch zwischen alttestamentlicher Literaturwissenschaft und Archäologie" zu diesem Ergebnis führt: "Deshalb empfiehlt es sich, nicht nur den Streit zwischen Minimalisten und Maximalisten als müßig hinter sich zu lassen, sondern sich auch vom Begriff der Evidenz [...] zu verabschieden" (20). An dessen Stelle sollte die durch verschiedene kritisch angewandte Methoden gewonnene Kategorie der Plausibilität und Konsensobjektivität treten, die den jeweiligen soziohistorischen Hintergrund im Blick hat.

Christoph Uehlinger behandelt das Thema "Bildquellen und Geschichte Israels" auf dem Wege von "Grundsätzlichen Überlegungen und Fallbeispielen" (25-77; 12 Abb.). Zu ersteren gehört die generelle Voranstellung der "Primärquellen" gegenüber den biblischen Texten (34 f.); er spricht aber auch weiteren Sekundär-, Tertiär- und Quartär-Quellen eine Funktion beim Erarbeiten eines Geschichtsbildes zu - "wir haben gar nicht genug Quellen, um uns den freiwilligen Verzicht leisten zu können" (31). Jedoch sind auch Bilder als Quellen interpretationsbedürftig, wozu U. einige Kriterien nennt (41-44). Beispielhaft zeigt U. dann, was eine sorgfältige und sachgerechte Interpretation zu leisten vermag.

An dem Beitrag von Hermann Michael Niemann "Von Oberflächen, Schichten und Strukturen. Was leistet die Archäologie für die Erforschung der Geschichte Israels und Judas?" (79-121) fällt auf, dass hier die Archäologie nicht direkt auf die biblische Exegese bezogen wird. Ihr Verhältnis wird - nach eingehender Darstellung der gegenwärtigen Forschungslage (85-105) - als "Unabhängige Partnerschaft und kooperative Distinktion: Archäologie als Basis-Partnerin der Bibelwissenschaft" (101) beschrieben: "Archäologie in Verbindung mit Geschichte Israels und Judas entlastet die theologischen Texte der Bibel davon, als historische Primärquellen mißbraucht zu werden" (105). Innerhalb dieses Rahmens erhalten die biblischen Schriften als Theologie und nicht Historiographie ihren Platz (100).

Johannes Renz unternimmt es, den "Beitrag der althebräischen Epigraphik zur Exegese des Alten Testaments und zur Profan- und Religionsgeschichte Palästinas" darzustellen (123- 158), wobei er auf deren "Leistung und Grenzen" hinweist. R. hält daran fest, dass epigraphische Zeugnisse in jedem Fall durch ihre zeitliche und räumliche Nähe zu den geschichtlichen Ereignissen zu den Primärquellen zu rechnen sind, ihre Gewichtung aber durch differenzierte funktionale und inhaltliche Gliederung erfolgen muss (123-132). Anhand des vorgestellten Inschriftenmaterials werden dessen Bedeutung für unsere Kenntnisse über den Stand der Schriftkundigkeit (137-139) sowie über Verwaltungsvorgänge in Wirtschaft und Militärwesen (139-143) deutlich. Für den Bereich der Religionsgeschichte ist vor allem die Namengebung (147-154) von Bedeutung, soweit sie theophore Elemente enthält.

Thomas Neumann behandelt unter dem Thema "Photographien als historische Dokumente" (159-178; 12 Abb.) nach einem Rückblick auf die Entstehung der umfangreichen Sammlungen historischer Palästina-Fotografien und ihren Erhaltungszustand (159-174) das Problem ihrer dokumentarischen Treue. Die digitale Bearbeitung der alten Photographien vom Anfang des 20. Jh.s erfolgt in den Stufen "Rohscan - Primärscan - sekundäres Bild" und entspricht damit einer kritischen Quellenedition, bedeutet aber zugleich die Rettung und Archivierung einmaliger Bilddokumente, die nach Gustaf Dalman dem historischen Verständnis der Bibel dienen sollten.

In dem Beitrag von Udo Rüterswörden "Der Prophet in den Lachisch-Ostraka" (179-192) liegt natürlich der Schwerpunkt auf dem Ostrakon Nr. 3, Zeile 19-21. R. deutet den Passus so: in dem spr tbyhw wird auf ein Zitat aus dem Munde (m't = mpj) des Propheten (Jeremia?) angespielt, das offenbar in schriftlicher Form den offiziellen Kreisen vorlag (vgl. Am 7,10 ff.). Weitere Beobachtungen zeigen an diesem Fund die Relevanz von Archäologie und Epigraphik, nicht nur für die Teildisziplin "Geschichte Israels", sondern auch für Einleitungsfragen und Probleme der Theologie des AT (189 ff.).

Der Beitrag von Arndt Meinhold "Serubbabel, der Tempel und die Provinz Jehud" (193-211), obwohl nicht zum Greifswalder Tagungsprogramm gehörend, ordnet sich dem Thema und Hauptteil dieses Bandes gelungen ein: Verschiedene Schriftzeugnisse ermöglichen eine in differenzierter Kleinarbeit gewonnene historische Auswertung der in Frage kommenden biblischen Texte. Das Ergebnis lautet, dass "Juda [...] eine wohl schon seit dem Beginn der Achämenidenherrschaft eingerichtete, jedoch erst von 520 ab mit einem um den Tempel vollzogenen Aufbau stabilisierte, zwar keineswegs selbständige, aber doch eigenständige Größe war" (210).