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Ausgabe:

Juli/August/2002

Spalte:

742–747

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

1) Disse, Andreas 2) Heimerdinger, Jean-Marc

Titel/Untertitel:

1) Informationsstruktur im Biblischen Hebräisch. Sprachwissenschaftliche Grundlagen und exegetische Konsequenzen einer Korpusuntersuchung zu den Büchern Deuteronomium, Richter und 2 Könige. Teil 1 u. 2: Texte und Register.

2) Topic, Focus and Foreground in Ancient Hebrew Narratives.

Verlag:

1) St Ottilien: EOS 1998. XI, 418 S. u. V, 83 S. gr. 8 = Arbeiten zu Text und Sprache im Alten Testament, 56. ¬ 24,60 u. 8,50. ISBN 3-88096-556-0 u. ISBN 3-88096-462-9.

2) Sheffield: Sheffield Academic Press 1999. 286 S. gr.8 = Journal for the Study of the Old Testament, Suppl. Series, 295. Lw. £ 50,00. ISBN 1-84127-014-8.

Rezensent:

Rüdiger Bartelmus

Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe - dieses deutsche Sprichwort kam dem Rez. in den Sinn, als er sich mit den beiden hier zu besprechenden Büchern befasste. In beiden Büchern geht es um die Informationsstruktur (information structure; H. 14) von Texten, genauer um eine Analyse der in biblisch-hebräischen narrativen Texten wahrnehmbaren sprachlichen Regeln bzw. Strategien zur Anordnung und Gewichtung von Informationen (H. bevorzugt anstelle von "Biblical Hebrew" den Terminus "Old Hebrew"), in beiden Büchern spielen demgemäß die pragmatischen Kategorien "Topik/c" und Fok/cus" eine zentrale Rolle und beiden Büchern liegen ursprünglich Dissertationen zu Grunde. Sieht man sie freilich etwas genauer an, sind doch gravierende Unterschiede wahrzunehmen - Unterschiede, die nicht nur darin begründet sein dürften, dass die eine Dissertation an einer katholisch-theologischen Fakultät, die andere an einer philosophischen Fakultät eingereicht wurde, die vielmehr mit Unterschieden zwischen der anglo-amerikanischen bzw. deutschen Wissenschaftskultur zusammenzuhängen scheinen.

Da ist auf der einen Seite eine fast naiv anmutende Selbstsicherheit zu konstatieren, die es H. erlaubt, bereits auf der zweiten Seite einer ohnehin ausgesprochen knappen "Introduction" (9-28) die (textlinguistische) Katze aus dem Sack zu lassen: "... it seems correct to say that Longacre's model [...] has come to dominate the world of Old Hebrew discourse analysis and his conclusions are often accepted without reservations" (10) - eine Einschätzung, die den Rez. (seines Zeichens u. a. Mitherausgeber der Zeitschrift für Althebraistik) doch etwas überrascht hat: Ist es angemessen, R. E. Longacre - einen Autor, der bei D. übrigens mit keiner Silbe erwähnt wird (und dies unbeschadet dessen, dass D.s Literaturverzeichnis [395-418] rund doppelt so viele Titel aufweist wie das in dem Buch von H. gebotene [267-279]!) - als eine Art G. W. Bush in der Welt der Sprachwissenschaft einzustufen, dem man ohne vorausgehende eigenständige Überlegungen uneingeschränkte Solidarität leisten kann?! Die Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Pauschalurteils stellt sich umso mehr, wenn man sieht, wie H. im Verlauf seiner Untersuchung Longacre mehr und mehr als linguistischen Papiertiger mit beschränkter Kompetenz zu entlarven sucht, um am Ende selbst als strahlender Sieger dazustehen, der nicht wie andere auf das hereingefallen ist, was "Longacre wants us to believe" (260). - Und da findet man auf der anderen Seite bei D. neben einer kurzen Einleitung, enthaltend Ausführungen zu den Themen "Exegese und Sprachwissenschaft", "Sprachwissenschaftliche Methodik", "Methodische Grenzziehung", "Aufbau der Untersuchung" und "Zur Darstellung der hebräischen Belege" (1-6), noch eine 130-seitige "Methodologische Orientierung: Der linguistische Ansatz" (7-146), wo zum einen unter der Überschrift "Zur Rezeption der Linguistik in der Exegese" (7-56) das nicht immer spannungsfreie Verhältnis von Linguistik und Exegese noch einmal quasi ab ovo diskutiert wird, zum anderen dem Leser die Möglichkeit gegeben wird, sich gründlich über neuere Entwicklungen "Zur linguistischen Diskussion der sprachlichen Informationsstruktur" (57-146) zu informieren. (Das ganze Buch D.s ist übrigens so klein - in Exkursen fast nicht mehr lesbar - gedruckt, dass schon allein der einleitende Teil für sich in etwa die gleiche Textmenge enthalten dürfte, die H.s in gut lesbaren Typen gedrucktes Buch insgesamt umfasst).

Um es vorweg zu sagen: Auch wenn der Rez. der festen Überzeugung ist, dass die deutsche Tendenz zu immer längeren Dissertationen (in denen gewissermaßen je und je erst einmal das Rad neu erfunden werden muss, damit der Autor auf die Reise durch sein Forschungsgebiet gehen kann) nachgerade als wissenschaftsfeindlich einzustufen ist, weil niemand mehr solche Bücher liest - der Ansatz von D., dem Leser erst einmal verschiedenartige Orientierungshilfen an die Hand zu geben, damit er sich im weiten Feld der Textlinguistik nicht verirrt, erscheint dem Rez. sinnvoller als das Vorpreschen H.s., der sich - figurativ gesprochen - ohne Kartenmaterial, allein mit dem Kompass Longacre ausgerüstet, in den Urwald der vielfältigen neueren Entwürfe begibt. Der Rez. kann jedenfalls nicht erkennen, dass im Kampf um den Königsweg in der Textlinguistik bereits eine Entscheidung in irgendeine Richtung gefallen wäre, ja er nimmt wahr, dass die Verfechter einzelner Entwürfe sich oft überhaupt nicht darüber klar sind, wo eigentlich (die) Fronten verlaufen. Insofern stimmt er der Lagebeschreibung D.s inhaltlich voll zu, wenn dieser schreibt: "In der Linguistik" herrscht "eine derartige terminologische Vielfalt und begriffliche Verwirrung, dass eine vorgängige Begriffsklärung unerläßlich ist" (109). Dass er (wie natürlich auch D.) darum weiß, dass in diesem Statement nur ein kleiner Teil der Probleme angesprochen ist, vor die sich der Leser neuerer textlinguistischer Literatur gestellt sieht, steht auf einem anderen Blatt. An der Sache interessierte Leser werden D. für die ausführliche sachliche Orientierung in diesem immer unübersichtlicher werdenden Bereich in jedem Fall dankbar sein. Dass umgekehrt das Buch H.s trotz des eben angesprochenen Mangels durchaus auch weiterführende Beobachtungen enthält (wenn auch nicht allzu viele), sei ebenfalls schon hier angemerkt. Um den Leser dieses Berichts nicht mit ungeschützten Behauptungen abzuspeisen (und damit die kritisierte Verfahrensweise H.s zu übernehmen), muss nun endlich auf den konkreten Inhalt beider Bücher eingegangen werden.

In einer kurzen Vorüberlegung "Zum Rezeptionsproblem" (sc. der Linguistik in der Exegese; 7-11), mit der D. seine "Methodologische Orientierung" eröffnet, führt er zum einen den Nachweis der theologischen Relevanz seiner Arbeit, zum anderen entwickelt er relativ eigenständig "Kriterien der verantwortlichen Rezeption linguistischer Fragestellungen". Daran schließt sich ein längerer forschungsgeschichtlicher Teil an, in dem es um "Linguistische Ansätze in der Exegese" geht (11-52). In zwei großen Kapiteln: "Linguistik zum Zwecke der Textinterpretation" (12-38) und "Linguistik zum Zwecke der Sprachbeschreibung" (38-52) werden wichtige Forschungspositionen der letzten rund 50 Jahre vorgestellt - der Schwerpunkt liegt hier bei der deutschsprachigen Forschung. Im ersten Teil werden die "Linguistische Theologie" Erhardt Güttgemanns, Wolfgang Richters Programm "Exegese als Literaturwissenschaft", Harald Schweizers "Metaphorische Grammatik" und die "Kommunikationsorientierte Texttheorie" Christof Hardmeiers vorgestellt. Im zweiten geht es um "Inhaltsbezogene Grammatik" (T. Boman/ D. Michel), "Strukturale Grammatik" (W. Richter) und "Funktionale Grammatik" (Vetter/Walther - Schneider - Hardmeier - Winther-Nielsen). In einer abschließenden Betrachtung "Exegese zwischen Linguistik und Literaturwissenschaft" nimmt D. eine "Bewertung der linguistischen Ansätze in der Exegese" vor und zieht daraus "Methodische Konsequenzen" (52-56).

Im zweiten Teil der methodologischen Vorüberlegungen kommt zum einen die eigene Position des Vf.s erstmals deutlicher in den Blick, zum anderen wird hier der Blick weit über die deutschsprachige Forschung hinaus ausgeweitet. D. verweist hier darauf, dass seine Arbeit als Teilergebnis aus dem Tübinger DFG-Forschungsprojekt "AT-Textanalyse" von W. Groß zu sehen ist, was allerdings nicht so zu verstehen ist, dass das Buch als bloße "Schülerarbeit" nur wenig eigenständige Forschung enthielte. Was die "Daten und [ihre] Bewertung" betrifft (57- 59), nutzt D. selbstverständlich das Material der Forschungsstelle, aber schon im folgenden Teil "Kategorien zur Charakterisierung von Wortstellungsmustern" (59-75) hat man den Eindruck, auch eigenständig erarbeiteten Analysen zu begegnen. Das gilt zwar weniger im Blick auf die Wahl der naheliegenden Kriterien "Häufigkeit", "Dominanz", "Normalität", "Markiertheit" und "Neutralität", wohl aber für den kurzen Abschnitt, in dem D. über das Problem handelt, nach welchen Gesichtspunkten man in Sprachsystemen "Normalität" überhaupt feststellen kann (64-70).

Im Blick auf mögliche "Einflußfaktoren für die Satzgliedstellung" (75-78) unterscheidet D. "strukturelle" (grammatische bzw. syntaktische) und "semantopragmatische" Faktoren. Im Weiteren stellt er nicht einfach nur "Modelle für das Zusammenwirken der Einflußfaktoren" vor, er verweist den (theologischen) Leser auf die "Relevanz der Fragestellung" für exegetische Entscheidungen und erläutert ausführlich den "sprachtheoretischen Hintergrund der Lösungsmodelle". Der vielzitierte "Paradigmenwechsel in der Linguistik" vom "taxonomischen Strukturalismus" hin zur "Generativen Grammatik" wird u. a. anhand einer aufschlussreichen Tabelle (86) und eines Exkurses "Die Modularitätsthese in der Generativen Grammatik" (92-97) knapp und nachvollziehbar als Ausgangspunkt der weiteren Darlegungen vorgestellt. Mit einem Abschnitt "Anwendung auf die Satzgliedstellung im Biblischen Hebräisch" (104-107) leitet D. schließlich zum eigentlichen Anliegen seines Buches über. Im Kapitel "Pragmatische Faktoren der Informationsstruktur" (107-146) ist jedenfalls all das theoretisch grundgelegt, was dann in den Hauptteilen "II. Sprachliche Analyse" (147-225) und "III. Exegetische Anwendung" (226-389) praktisch angewendet bzw. ausgeführt wird. Wer das Anliegen des Buches voll verstehen möchte, sollte zumindest den Teilabschnitt "Terminologische Klärungen" (109-113) und die Tabelle auf S. 137 selbst gründlich studieren, in der die Basisfaktoren der folgenden Analysen übersichtlich zusammengestellt sind. Parameter der Informationsstruktur von Sätzen sind die "Thema-Rhema-Gliederung", "die Topik-Kommentar-Gliederung" und die "Fokus-Hintergrund-Gliederung".

Hier auf die vielen Einzelheiten genauer einzugehen, die D. im Blick auf die Satzgliedstellung im Biblischen Hebräisch allgemein und die Satzgliedstellung und Informationsstruktur in Dtn 12, 2Kön 22-23* und Ri 4 im Besonderen zusammengestellt hat, ist nicht der Ort. Verwiesen sei immerhin noch auf zwei wichtige Teilabschnitte, ohne deren Kenntnis das Folgende nicht zu verstehen ist. Es handelt sich zum einen um die "Liste der Satzglieder für die Korpusuntersuchung von DRK" (= Deuteronomium, Richter, 2Könige) (166-180), in der vom Verbum finitum über das erste Syntagma (Subjekt) bis hin zu den kleinsten Partikeln alle Elemente kategorisiert und aufgelistet sind, die in Sätzen vorkommen können. Zum anderen ist auf den Teilabschnitt über das "Stellungsfeldermodell" (180- 201) zu verweisen - werden darin doch die Kategorien "Vorfeld" und "Hauptfeld" theoretisch begründet, die bei den Einzeluntersuchungen eine wichtige Rolle spielen. Welche das sind, lässt sich knapp zusammengefasst dem Abschnitt über "Normale und markierte Satzteilfolgen im hebräischen Verbalsatz" (215-222) entnehmen. Dass hier einmal mehr das wenig hilfreiche Konstrukt des sog. "zusammengesetzten Nominalsatzes" indirekt als absurd erwiesen wird, wird "Insider" nicht verwundern - eine Auseinandersetzung mit Vertretern dieser Position findet freilich gar nicht mehr statt, und das ist gut so.

Insgesamt kann das klar geschriebene Buch als ein wesentlicher Beitrag zum besseren Verständnis der Sprachstruktur des und der Informationsstruktur im Biblischen Hebräisch gelten. D. ist es nach Meinung des Rez. gelungen, den garstigen Graben zwischen strukturalistischem und pragmatischem Zugang zum Hebräischen elegant zu überbrücken und damit die hebraistische Forschung ein gutes Stück weiter voranzubringen.

Zumindest ersterer Aspekt kommt bei H. überhaupt nicht vor, der so argumentiert, als gebe es neben dem sprachpragmatischen Ansatz eigentlich keinen sinnvollen Zugang zum "Old Hebrew". Das ist insofern nicht weiter verwunderlich, als er sich über andere Zugangsweisen bzw. Positionen nicht eben gründlich informiert zu haben scheint. Namen wie C. Hardmeier, E. Jenni oder H. Schweizer sucht man im Literaturverzeichnis vergeblich, ja nicht einmal ein Werk wie die "Functional Discourse Grammar of Josua" von N. Winther-Nielsen (CB OTS 40), der von ähnlichen Voraussetzungen ausgeht, wie H. selbst sie vertritt, und immerhin Englisch schreibt, hält H. für erwähnenswert. Dafür erscheint (vermutlich als Zufallsfündlein) die selbst vom Betreuer als wenig geglückt beurteilte Dissertation von P. Kustár "Aspekt im Hebräischen" (Basel 1972; was B. Ego in ihrer Besprechung des Buchs von H. in ZAW 113, 139 dazu bewegt hat, das Opusculum Kustárs "zur einschlägigen Forschungsliteratur" zu zählen, bleibt mir unerfindlich). Und wenn man dann noch lesen kann: "Richter, Gross and Schneider have developed their own concepts of structural linguistics" (10), ist man doch mehr als erstaunt, W. Richter, W. Groß und W. Schneider in einem Atemzug aufgelistet zu finden, und das unter dem Stichwort "structural linguistics" - besonders viel Mühe, andere Ansätze und deren Bedeutung in der Forschungslandschaft wahrzunehmen, hat sich H. offenbar nicht gemacht!

Letzteres gilt übrigens nicht nur im Blick auf die Wahrnehmung von Sekundärliteratur generell - auch dort, wo sich H. explizit inhaltlich zu häufig diskutierten Fragen äußert, so z. B. zur Frage der "Word Order in the Verbal Clause" (21-24) bzw. der "Word Order in Old Hebrew" (24-26), glänzt H. nicht gerade mit exorbitanter Kenntnis der bisherigen Forschungslage - ein paar Beispiele, ein paar wenige Namen, und schon ist das Thema "abgehakt". (Dass H. in diesem Zusammenhang selbst Grundelemente semitistischer Konvention kommentarlos verlässt - er spricht u. a. von vayyiqtol statt von wayyiqtol, und das unbeschadet dessen, dass er das konstitutive Element der Form als "connective waw" bezeichnet (22) - sei nur am Rande erwähnt; von einer Tendenz zu gründlichem Überlegen zeugt jedenfalls auch derartiger Umgang mit Formalien nicht).

Was H. dann inhaltlich zu sagen hat, ergibt sich weitgehend aus den Überschriften der sieben Kapitel: Unter "Language, Discourse and Narrative: An Analytical Framework" (29-51) bietet H. eine Übersicht über die im Folgenden angewandten Elemente grammatischer Beschreibung. Besonderes Gewicht legt er dabei auf den kommunikativen Aspekt der Sprache (Erzählung als "discourse"): Literarische Erzählungen werden als kommunikatives Geschehen zwischen Autor und Leser gesehen - nicht eben ein aufregend neuer Ansatz (vgl. oben das zu N. Winther-Nielsen Gesagte). Auch die in den Text eingefügten graphischen Darstellungen bieten hier wie in den folgenden Kapiteln kaum Neues; vgl. etwa 45 oder 60. Im 2. Kapitel geht es um "Longacre's Text-Linguistic Model: Description and Critical Appraisal" (52-100). Der textgrammatische Ansatz von Longacre wird in knappen Strichen gezeichnet: Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur beim "Discourse Profile" werden voneinander abgehoben, das "Storyline Scheme" Longacres wird ebenso vorgestellt wie seine Theorie des "climactic plot". Nach dem "Storyline Scheme" Longacres bilden die "vayyiqtol"-Formen das Rückgrat von Erzählungen, während andere Formen (z. B. Perfekt oder Partizip) der Schilderung des Hintergrunds dienen. Die Kritik H.s an Longacre beschränkt sich nun im Wesentlichen darauf, dass er Longacre einliniges Vorgehen vorwirft, und zwar sowohl was dessen mangelnde Beachtung zumindest dreier verschiedenartiger Formen althebräischer Erzählungen betrifft (so 61 unter Berufung auf Coats), als auch im Blick auf die Zuordnung von Verbformen zu bestimmten Funktionen ("One Form/One Function Model"; 98 - "unitary way of describing language"; 99). Das Hauptergebnis dieses Kapitels ist jedenfalls, dass "vayyiqtol" - anders als dies Longacre sieht - nicht nur im Vordergrund von Erzählungen Verwendung findet, sondern auch dazu dient, Hintergrundinformationen bzw. narrative Rückblicke im Erzähldiskurs zu artikulieren. Um all dies empirisch zu belegen, wird im 3. Kapitel "Topicality and Topical Entities" eine "Analysis of Genesis 22" vorgenommen (101-127). Das Ergebnis: "vayyiqtol clauses" dienen nicht nur dem "foregrounding" (126). Hier kommt aber auch der im Titel erstgenannte Begriff "Topic" zum Tragen: "... it can no longer be claimed that only the peak or climax of a story is highlighted for prominence. Rather, a storyteller has the freedom to introduce salient constructions with a topical peak at any point in the narration" (127).

Spätestens hier muss nun aber auf einen Unterschied zwischen den beiden hier vorgestellten Arbeiten hingewiesen werden, der weit über die Feststellung unterschiedlicher Standards hinausgeht. Das was H., und das was D. unter "Topic/k" bzw. "Foc/kus" verhandelt, hat nur bedingt miteinander zu tun - im Falle D.s geht es um Topikalisierung bzw. Fokussierung in Sätzen, hier bei H. geht es um die Informationsstruktur in Texten (in Kap. 5 dann freilich auch in Sätzen).

Doch zurück zu H.: Im 4. Kapitel "Discourse Referents and Topicality" (128-161) diskutiert H. vor allem die Beziehung zwischen der Benutzung zweier verschiedener Typen von Verbalsätzen in Erzählungen und dem "activation state" der Referenten, die topikalisiert erscheinen. Verständlicher ausgedrückt: H. zeigt hier, dass in hebräischen Erzählungen üblicherweise die Fügung x-qatal verwendet wird, wenn eine (neue) Person (wieder) in den Geschehensablauf eingeführt wird; Letzteres - die Wiedereinführung - kann aber auch mit "vayyiqtol" erfolgen. Im 5. Kapitel "Focus in Direct Speech Clauses and Focus in the Narrative Verbal Clauses" (162-220) wird eine ganze Reihe von Aspekten berührt, die auch schon bei D. eine Rolle gespielt haben. Die Schlussfolgerungen bringen - sieht man von der neuen Terminologie einmal ab - kaum etwas, was man nicht schon in den alten Grammatiken nachlesen konnte. Mit dem 6. Kapitel "Aspects of Foregrounding in Narrative Discourse" (221-260) kommt H. nach der Betrachtung von Einzelsätzen wieder zurück zur Textgrammatik, ja weiter zu "literary pragmatics" generell bzw. zu Fragen der "cognitive psychology". "Foregrounding consists in a speaker manipulating linguistic structures to achieve a certain effect on the hearer" (260) - wer hätte das gedacht? Dass damit freilich absolute Freiheit von vorgegebenen Fügungsmodellen gegeben wäre, scheint mir ausgeschlossen. Ich meine vielmehr, dass Disse auf dem richtigen Weg ist, wenn er auf einem Zusammenwirken von "strukturellen" und "semantopragmatischen" Faktoren bei der Generation von Texten insistiert.

Es folgen noch "General Conclusions" (261-263), ein Appendix, genauer ein "Clause Display" von Gen 22,1-14 (264- 266) und die üblichen Beigaben, d. h. Literaturverzeichnis und Indizes (Bibelstellen und zitierte Autoren), bei deren Durchsicht man noch einmal auf den - im Vergleich zu D.s Opus - doch relativ engen Horizont des Buchs von H. aufmerksam wird.