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Ausgabe:

Juli/August/2002

Spalte:

735–737

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hutter, Manfred

Titel/Untertitel:

Das ewige Rad. Religion und Kultur des Buddhismus.

Verlag:

Graz-Wien-Köln: Styria 2001. 295 S. 8. Geb. ¬ 21,00. ISBN 3-222-12862-6.

Rezensent:

Ulrich Dehn

Es fehlt nicht an mehr oder weniger guten Einführungen in den Buddhismus aus den letzten ca. zehn Jahren. Bücher von H. W. Schumann, H. J. Klimkeit, K. Meisig, D. Kantowsky, M. v. Brück, Th. Schweer u. a. wären zu nennen wie auch die für eine westliche Leserschaft geschriebenen Gesamtdarstellungen etwa des Dalai Lama oder Thich Nhat Hanhs. Diese Fülle an Literatur ist symptomatisch für die zeitgeistliche Rolle, die der Buddhismus derzeit im Westen spielt, und lässt fragen, in welche Lücke da noch ein Buch hineinstoßen konnte. Das Werk des Bonner Religionswissenschaftlers Hutter, eine Auftragsarbeit für den Styria Verlag, ist Teil einer Reihe "Religionen und Kulturen" des Verlags (was allerdings nur aus der Einleitung des Autors hervorgeht) und legt entsprechend einen deutlichen Schwerpunkt auf die kulturellen Aspekte und regionalen Entfaltungen des Buddhismus, während es den Stoff, der normalerweise in Buddhismus-Einführungen geboten wird, in einem umfangreichen ersten Teil ("A. Geschichte und Lehre", 13-114) abhandelt. Die Teile B und C stellen das Eigene des Bandes dar und geben mit Liebe zum Detail Einblicke in Bereiche des lebensweltlichen und kontextuellen Buddhismus, die eindeutig in der sonstigen Literatur unterrepräsentiert sind.

Jedoch kommt auch der Teil A nicht ganz so unbedeutend daher, wie der bescheidene Autor behauptet: Auf dem neuesten Stand der Forschung wird der Beginn des Buddhismus in einen geschichtlichen Kontext eingebettet und auch die Biographie des Buddha mit neuen Akzenten versehen. Das Bild, dass der Buddha (Siddhartha Gautama) als Prinz und Angehöriger der Shakyas in die Kshatriya-Kaste geboren wurde und sich gegen das Brahmanentum seiner Zeit wandte, wird korrigiert. Vielmehr seien für die besagte Adelsrepublik im Grenzgebiet zwischen dem heutigen Indien und Nepal lediglich eine soziale Unter- und eine Oberschicht nachweisbar. Für den Buddha kann von einer sog. "Shramana-Tradition" ausgegangen werden, in die auch der Jainismus und einige upanishadische Linien hineingehörten (14). H. entscheidet sich gemeinsam mit H. Bechert u. a. (und einem großen Teil der neueren ostasiatischen Forschung - U.D.) für eine späte Datierung des Buddha auf 448 bis 368 v. Chr. (15-18). Die anderen Elemente der biographischen Legenden werden diskutiert und einfühlsam nach Wahrscheinlichkeitsbestandteilen dargestellt, die Lehre wird je in verständlicher Weise systematisiert und in einen stringenten historischen Entstehungszusammenhang gestellt. So wird auch deutlich, in welchem Sinne und in welchem ideengeschichtlichen Zusammenhang etwa die zwölfteilige Reihe der Lehre vom bedingten Entstehen (pratityasamutpada, u. a. 39, 45) oder die Dreikörperlehre (trikaya, 63-70) hervorgebracht wurden. Eine Übersicht aus fünf Punkten hilft dem Leser, die wesentlichen Unterschiede des Mahayana-Buddhismus gegenüber dem Theravada-Buddhismus bzw. präzise gesprochen gegenüber den älteren Shravakayana-Traditionen zu verstehen (55). Auch auf die sehr pragmatische Instrumentalisierung des Buddhismus durch Ashoka im 3. Jh. wird hingewiesen.

An vielen Stellen, an denen der Vf. die wissenschaftliche Diskussion aufarbeitet, würde sich der Leser Anmerkungen wünschen, die über die Klammerhinweise auf im Literaturverzeichnis vorkommende Titel hinausgehen; diese sind aber offenbar in der Reihe nicht vorgesehen. Immer wieder wird der Darstellungsgang durch bedacht ausgewählte Pali-Kanon- oder Mahayana-Sutrenzitate aus zugänglichen Textausgaben veranschaulicht.

Teil B (115-231) erläutert die Entstehung des Nonnentums und seine Ausprägungen sowie allgemein die Stellung der Frau im Buddhismus, unterschiedliche Weltbilder, das Naturverhältnis, Kult- und Frömmigkeitsformen und kulturelle Einflüsse und schließlich das Vorkommen von Göttern und Geistern, die eigentlich aus dem Bereich des ostasiatischen Mahayana-Buddhismus und seiner Einwohnung in verschiedene Kontexte stammen und insbesondere in Tibet reichlich vorkommen, aber auch in den Theravada-Buddhismus hinein ihren Einfluss geltend machen. Volksreligiöse Elemente wie Amulette und Orakel fehlen nicht und auch Meditation in ihren verschiedenen Ausrichtungen wird prägnant dargestellt.

Im Teil C (233-279) wird ein aktueller Durchgang durch die Ausprägungen des Buddhismus in Asien sowie in Europa mit Schwerpunkt auf den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz sowie knapp auch Frankreich und Großbritannien u. a. geboten. Die USA, durch deren Filter manches Asiatische nach Europa kam, finden bemerkenswerterweise keine gesonderte Beachtung. Auch einigen am Lotos-Sutra orientierten neobuddhistischen Religionsgemeinschaften (Nihonzan Myohoji, Reiyukai, Risshokoseikai und Soka Gakkai) werden je kurze Abschnitte gewidmet, in welchen dem an Japan Interessierten kleinere Ungenauigkeiten bei der Soka-Gakkai - wie auch der Reiyukai - Darstellung auffallen.

Der originelle Kern des Buches liegt im Teil B, aber es ist zweifellos in allen Teilen mit großem Gewinn zu lesen und erheblich deutlicher auf der Höhe der Wissenschaft, als die Reihe es vielleicht erfordert hätte. Bedauerlich ist die nicht sonderlich leserfreundliche äußere Ausstattung: Zwar sind ein mit kundiger Hand ausgesuchtes thematisch sortiertes Literaturverzeichnis und ein kurzes Glossar zu finden, aber ein Register fehlt, und der Text entbehrt jeglicher optischer Hilfen, seien es Unterlegungen, Tabellen, Graphiken oder gar Bildmaterial, wofür eher der Verlag als der Autor verantwortlich sein dürfte. Das, wofür Letzterer verantwortlich ist, verdient hohes Lob.