Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

710

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Weier, Reinhold

Titel/Untertitel:

Der rechte Ernst einer Predigt. Eine dogmatische Quästio.

Verlag:

Trier, Paulinus 2000. 132 S. gr.8. Kart. ¬ 24,60. ISBN 3-7902-1295-4.

Rezensent:

Hans Martin Müller

Der Vf. wendet sich einem Thema zu, das im gewissen Sinn kein homiletisches Thema sein dürfte, der Predigt als Ernstfall. Er untersucht es folglich in Form einer dogmatischen Fragestellung, dem Verhältnis der Glaubenslehre zur Glaubensverkündigung. Sein Anliegen ist jedoch ein pastoraltheologisches: Wie können den Menschen der Gegenwart angesichts der historisch-kritischen Erforschung der Glaubenslehren in Schrift und Tradition die Wahrheiten des Glaubens so nahegebracht werden, dass sie sie verstehen, beherzigen und so tiefer in den Glauben geführt werden? (12) Ausgehend vom 2. Vatikanum, das in PO13 den thomistischen Begriff der contemplatio aufnimmt, betont W. die Hingabe des Predigers an den zu verkündigenden Text als Voraussetzung einer "ernsthaften" Predigt. Sein protestantischer Gewährsmann für diese Aufgabe ist ihm Karl Barth. Dabei steht für ihn dessen Auseinandersetzung mit Bultmanns Entmythologisierungsprogramm im Vordergrund. Diese im evangelischen Bereich schon fast vergessene Kontroverse dient ihm zur Darstellung des Verhältnisses zwischen dem "Wirklichkeitsmoment theologischer Gegenstände" (70) und ihrer existentiellen Aufnahme durch den Hörer. Die Kierkegaardsche Kategorie der Gleichzeitigkeit ist dabei das zentrale Interpretament. Die instruktive Darstellung der Spannung zwischen Barth und Bultmann führt hinüber zur Bearbeitung des hier verhandelten Problems in der katholischen Dogmatik bei Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar. Dabei sieht W. Rahner in der Nähe zu Barth, Balthasar in der zu Bultmann. So kommt es zu einem "doppelten Ernst": in der Betonung der Wirklichkeit des Geglaubten als "Konkretisierung transzendentaler, das heißt den Menschen in seinem Wesen betreffender Erwartungen" (bei Rahner, 94) und der durch "Entösterlichung" gewonnenen Begegnung mit dem "historischen" Jesus (bei Balthasar). Die Unterschiede in der Behandlung des Problems zwischen der evangelischen und der katholischen Seite werden deutlich herausgestellt, vor allem am Verständnis der Rechtfertigung und an der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.

Der Vf. schließt seine dogmatischen Untersuchungen mit "homiletischen Reflexionen über den Ernst der Predigt" (109ff.), indem er nach "Sinnspitze" der Predigt und der Autorität des Predigers fragt. Diese Sinnspitze findet der Prediger nach W., indem er das Andrängen Gottes in diesem speziellen Textwort an ihn selbst erfährt. Diese Erfahrung macht er auf zwei Wegen, der contemplatio oder dem "frommen Hören auf die Worte der Perikope" (114) und dem kritischen Erarbeiten der historischen Wirklichkeit als einer Anrede Gottes, die zur Glaubensentscheidung führt. Daraus erwächst ihm dann die Autorität als Zeuge des Evangeliums, die allerdings letztlich aus seinem kirchlichen Auftrag folgt.

W. hat mit seiner knappen, in klarer Sprache verfassten Untersuchung der katholischen Predigt ihren Platz im Heiligungsdienst der Kirche konsequent verdeutlicht, die evangelische Homiletik an die heute fast vergessene und doch so nötige Grundlagenbesinnung erinnert.