Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

653 f

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Woods, Edward J.

Titel/Untertitel:

The Finger of God and Pneumatology in Luke-Acts.

Verlag:

Sheffield: Sheffield Academic Press 2001. 305 S. gr.8 = Journal for the Study of the New Testament, Suppl. Series, 205. £ 53,50. ISBN 1-84127-175-6.

Rezensent:

Friedrich W. Horn

Der Vf. wurde im März 1990 an der Universität von Südafrika auf Grund der hier zu besprechenden Dissertation in Biblical Studies promoviert. Er hat neben seiner pastoralen und missionarischen Tätigkeit in Zambia und einer Position als lecturer in Old Testament at the Theological College of Central Africa die Dissertation überarbeitet und in einem Appendix um eine Besprechung von zwei zwischenzeitlich erschienenen Arbeiten zur lukanischen Pneumatologie erweitert.

Im Kontext des sog. Beelzebul-Streites spricht Lk 11,20 im Gegenüber zur matthäischen Fassung des Logions, das der lukanischen Version ansonsten völlig entspricht, von der Austreibung der Dämonen mit dem Finger Gottes (Mt 12,28 hingegen: im Geist Gottes). Die neuere Forschung, vor allem die unterschiedlichen Projekte zur Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlautes der Logienquelle, haben mehrheitlich in der lukanischen Fassung den wahrscheinlichen Text der Logienquelle erkannt. Daneben ist der Beelzebul-Streit ein willkommener Testfall für quellenkritische Arbeit, da neben der lukanischen Fassung eine markinische Parallele (Mk 3,22-27) und zwei matthäische Versionen (Mt 9,32-34; 12,22-30) existieren. Ein einfaches Modell der Quellenkritik stößt auf Grund der zahlreichen minor agreements schnell an Grenzen. Diese Fragen werden von W. wohl knapp aufgenommen (108-112), aber in keiner Weise beantwortet. Es bleibt gelegentlich sogar undeutlich, ob er überhaupt bereit ist, der Zwei-Quellen-Theorie zu folgen, da er, wenn auch in Frageform gekleidet (13), durchaus Sympathie für die Matthäuspriorität zu haben scheint (108 f. 248 fragen jedoch wieder nach der Q-Fassung; 124 f. vermuten, dass Lk eine bereits kombinierte Fassung von Mk und Q als Vorlage hat). Diese Aspekte nicht klar behandelt zu haben, ist insofern misslich, als die mehrfach geäußerte Voraussetzung, Jesus und Lukas hätten die Version mit dem Finger Gottes verwendet (98.243), in dieser Form problematisch ist und zudem unbegründet im Raum steht.

Das Interesse der Arbeit liegt auf anderen Ebenen. Es wird einerseits gefragt nach der Herkunft und der Bedeutung des Ausdrucks Finger Gottes, andererseits wird in Anwendung des sog. narrative unity approach to Luke-Acts (Tannehill) die Bedeutung der Beelzebul-Perikope für die lukanische Pneumatologie erhoben. Da sich keinerlei Parallelen für den Ausdruck Finger Gottes in der griechisch-hellenistischen und jüdisch-hellenistischen Literatur und den außerliterarischen Zeugnissen außer eines Belegs auf einem ägyptischen Ostrakon (bereits bei A. Deissmann, Licht vom Osten, 41923, 260) finden, scheint die Ableitung des Gebrauchs in Lk 11,20 von den alttestamentlichen Vorgaben in Ex 8,19; 31,18; Dtn 9,10LXX her festzustehen (61-100; so auch schon Deissmann ebd.). In diesen alttestamentlichen Texten ist Finger Gottes nach W. nicht instrumental zu verstehen, sondern ist geradezu synonym mit Gottes Macht. Hierbei kombiniert W. alle genannten alttestamentlichen Vorgaben und denkt sowohl an "the meaning of deliverance power recalling Exod. 8.19, and God's covenantal revelation of his Law as at Deut. 9.10" (245). Der Bogen wird zum lukanischen Text geschlagen: "I have shown how the two different texts of Exod. 8.19 and Deut. 9.10 may be brought together at Lk 11.20 in order to make the further equation of Exodus deliverance leading to a new Sinai within the Beelzebub pericope ..." (100). Hierbei legt W. Wert auf die weitere Feststellung, dass Finger Gottes "... for God the Father himself at work in Jesus life ..." stehe (253). So möchte W. eine Kontinuität vom Handeln Gottes an der Exodusgeneration zum Handeln Gottes in Jesus betonen, auch wenn diese behauptete Entsprechung zu einem neuen Sinaihandeln nicht weiter ausgeführt wird.

Daneben setzt sich W. in betonter Anwendung des literary approach gegen Eduard Schweizers These, Lukas verbinde Geistaussagen ausschließlich mit der prophetischen Rede, nicht aber mit Wundern, auseinander. Sein Hinweis, dass Jesus als geistbegabter Gesandter für Gott handelt, kann freilich den Textbefund, dass Lukas die Zuordnungen von Geist und Machttaten bzw. Prophetie ausschließlich im Sinne Schweizers anbringt, nicht wirklich in Frage stellen. Überhaupt mutet es verwunderlich an, wenn für Lk 11,20 der pneumatologische Aspekt innerhalb des Exorzismus betont wird, obwohl Lk im Gegensatz zu Mt die Vorlage in dieser Hinsicht nicht verändert hat.

Die vorliegende Arbeit hat Verdienste in der Aufarbeitung und Bewertung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes zum Ausdruck Finger Gottes und seiner jüdischen Rezeptionsgeschichte in der nachalttestamentlichen Literatur, ohne das Material entscheidend bereichert haben zu können. Sie ist vor allem in den Strukturanalysen verliebt in den narrative unity approach (in Verbindung mit traditionsgeschichtlichen Überlegungen) und zieht hier weitgehende, in der Konsequenz aber problematische Querverbindungen von der Beelzebul-Perikope zu anderen Texten innerhalb des lukanischen Doppelwerks. Die Positionierung von Lk 11,20 im Reisebericht wird folgendermaßen zu erklären versucht: W. betont zunächst die Bedeutung der dem Reisebericht vorangestellten Verklärungs- und Exorzismusberichte (Lk 9,28-43). Diese Texte stellen mit den bewussten Anspielungen des Redaktors Lukas auf den Exodus/Tod Jesu (Lk 9,31) und auf seine Darstellung als neuer Mose (Lk 9,35) Querverbindungen zu dem Buch Exodus und dem Buch Deuteronomium her (59 f.). Da aber auch in der Verwendung des Ausdrucks Finger Gottes (und im Wissen um die alttestamentlichen Vorgaben des Ausdrucks) gleichfalls eine Beziehung zu den Büchern Exodus und Deuteronomium gegeben ist, kann nach W. erkannt werden, weshalb Lukas von dem Finger Gottes spricht, kommt doch in diesem Ausdruck das lukanische Interesse an einer heilsgeschichtlichen Linienführung deutlich zum Ausdruck.