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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

613 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brändle, Rudolf

Titel/Untertitel:

Studien zur Alten Kirche. Hrsg. von M. Heimgartner, Th. K. Kuhn, M. Sallmann.

Verlag:

Stuttgart-Berlin-Köln: Kohlhammer 1999. 188 S. Kart. ¬ 21,70. ISBN 3-17-016157-1.

Rezensent:

Reinhart Staats

Für Rudolf Brändle wurden zum 60. Geburtstag seine wohl besten Aufsätze (zum Schluss seine komplette Bibliographie) in einem Band zusammengestellt und neu veröffentlicht. Die Baseler Fakultät hält an der früher auch in Deutschland üblichen guten Tradition fest, dass die neutestamentliche mit der patristischen Wissenschaft zusammengehört. Davon zeugen hier zwei Aufsätze über die Bedeutung von Mt 25,31-46 bei Origenes und bei Chrysostomus, der kleine Artikel zu 2Kor 8,9 "Geld und Gnade", ein Aufsatz über die fünfte Vaterunserbitte in der Auslegung Gregors von Nyssa. Unter "Vergebung unserer Schulden" (Plural!) hat der Nyssener auch materielle Schulden und "Schuldenerlaß" verstanden! Freilich wäre dann noch zu fragen, ob die moralische Interpretation von Geldschulden überhaupt erst durch Judentum und Christentum in die Kulturgeschichte kam.

Der Aufsatz über die missionarische Anpassung (Synkatabasis) "als hermeneutisches und ethisches Prinzip in der Paulusauslegung des Johannes Chrysostomus" enthält auch eine kleine Geschichte des Begriffes seit der LXX. Chrysostomus kommt auch sonst nicht zu kurz. B. hatte ja auch mit seiner so schön lesbaren Darstellung "Johannes Chrysostomus. Bischof - Reformer - Märtyrer" (Stuttgart 1998) bewiesen, dass man sich sogar im Deutschen sowohl gelehrt als auch allgemein verständlich ausdrücken kann. Hier liest man auch mit Vergnügen, wie der Mitherausgeber der Werke Overbecks nachweisen muss, dass Overbecks Kampf gegen die missbräuchliche Identifikation mit der Vergangenheit, welche auch Nietzsche am urdeutschen "Bildungsphilister" kritisierte, nicht davor schützte, in eine wilde Geschichtsspekulation zu geraten, nämlich den Diognetbrief für eine nachkonstantinische Fiktion zu halten.

Drei Aufsätze dienen dem christlich-jüdischen Dialog allerdings so, dass gerade die historische Ferne der Vergangenheit die Gegenwart zu beurteilen hilft: "Christen und Juden in Antiochien in den Jahren 386/87. Ein Beitrag zur Geschichte altkirchlicher Judenfeindschaft". "Das Tempelneubauprojekt Julians", das bekanntlich durch Erdbeben scheiterte und als Strafe Gottes interpretiert wurde, ist ein Aufsatz mit merkwürdiger Aktualität: B. ist sich sicher (ich nicht): "Hätte Julians Unternehmen Erfolg gehabt [...] dann wäre der Anspruch der Kirche, das wahre Israel zu verkörpern, sehr ins Wanken geraten" (103). Eine dem Lehrer und Freund Oskar Cullmann gewidmete originelle Miniatur befasst sich mit einem Damasus-Epigramm, welches die Märtyrer Petrus und Paulus als "neue Sterne" am Himmel preist. B. bietet hier auch Wirkungsgeschichtliches zu Daniel 12,3 und Acta 28,11.