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Ausgabe:

Juni/2002

Spalte:

611–613

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Slenczka, Reinhard:]

Titel/Untertitel:

Festhalten am Bekenntnis der Hoffnung. Festgabe für Professor Dr. Reinhard Slenczka zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Ch. Herrmann u. E. Hahn.

Verlag:

Erlangen: Martin-Luther-Verlag 2001. 375 S. m. zahlr. Porträts. gr.8. Geb. ¬ 30,00. ISBN 3-87513-126-6.

Rezensent:

Martin Seils

Zu seinem 65. Geburtstag ist dem Erlanger Systematiker Reinhold Slenczka unter dem Titel "In der Wahrheit bleiben: Dogma- Schriftauslegung - Kirche" eine von Manfred Seitz und Karsten Lehmkühler herausgegebene Festschrift mit Beiträgen vor allem aus dem Kollegenkreis gewidmet worden (vgl. auch ThLZ 122, 1997, 995). Zum 70. Geburtstag des nunmehrigen Direktors der Luther-Akademie in Riga haben sich Schüler und Promovenden, aber auch ältere Weggefährten Slenczkas, nochmals zur Darbietung einer Festgabe zusammengefunden. Die 22 Beiträger kommen aus den verschiedensten akademischen Tätigkeiten und aus dem Pfarramt (häufig demjenigen der SELK), aber auch aus der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und der Leitung des Evangelischen Bundes. Ein japanischer Theologe sowie ein Benediktiner und ein orthodoxer Priester, beide Schüler Slenczkas, ergänzen den Kreis der Beitragenden international und ökumenisch. Eine Bibliographie der Veröffentlichungen Slenczkas vom Dezember 1995 bis zum Juni 2000 schließt an das in der Festschrift von 1996 enthaltene Verzeichnis an und zeugt von einer reichlich weitergeführten wissenschaftlichen und kirchlichen Publikationstätigkeit.

Die Aufsätze sind thematisch weit gefächert und nur locker in gewisse Bereiche zusammengestellt.

Jochen Eber befasst sich mit der "Heilige[n] Schrift bei Christoph Ernst Luthardt", der zwar eher auch auf Schleiermacherschen Spuren angefunden wird, sich aber doch bemüht habe, "in einer neuen Situation die alte Wahrheit der Schrift als Gottes Wort zur Geltung zu bringen" (16). Stefan Felber stellt in Auseinandersetzung mit der dritten EKD-Studie "Christen und Juden" fest, dass die "Autorität des Alten Testaments [...] so zu beschreiben" ist, "daß man es auf das Neue zulaufen sieht" (37). Eberhard Hahn fragt, ob "man heute noch dogmatisch sein" dürfe und antwortet, dass "jeder Christ als einzelner wie auch die christliche Kirche als ganze" auch heute "ihrer dogmatischen Verantwortung" nachzukommen hätten (56). Michael Nüchtern denkt über "Apologetik in öffentlicher Verantwortung" nach und bestimmt sie als eine "Schutzrede für den Menschen" (68).

Nach diesen eher grundsätzlichen Erörterungen folgt Thomas Junker, der Luthers "Dem Volk auf's Maul schauen" behandelt und die Ansicht zurückweist, es lasse sich damit eine rücksichtslos zeitbezogen-alltagssprachliche Bibelübertragung begründen. Danach beschäftigt sich Michael Plathow mit "Lehren und Lehre im Leben der Gemeinde" und vertritt die These, dass "das Gemeinschaft stiftende, den Konsens suchende, verbindend-verbindliche Lehren [...] konstitutive Bedeutung für das Leben der Gemeinde" habe (96). Eine zunächst sehr spezifisch anmutende, dann aber ökumenisch bedeutsame Untersuchung widmet Augustinus R. Sander OSB einem von Martin Chemnitz 1568 für Nikolaus Hartung, danach Pfarrer in Klein-Germersleben, ausgestellten Ordinationszeugnis, dem Sander implizit eine deutliche Kongruenz lutherischer und katholischer Ordinationsvorstellungen entnimmt, aber doch so, dass als Fundament des Dienstes des Amtsträgers herausgestellt wird: "von dem im Amt der Kirche wirksam gegenwärtigen Herrn getragen zu sein" (118). Über "Betet im Geist" schreibt Christoph Schrodt, wobei er besonders den "Sonderfall" des "Sprachengebetes" hervorhebt und es "unverständlich" findet, "daß die Glossolalie noch nicht als eigenes Thema den Weg in die Lehre vom Gebet gefunden hat" (128).

Der Japaner Shozo Arai setzt sich sorgfältig mit der feministischen Auslegung von Phillis Trible zu Gen 1-3 auseinander und warnt davor, "die Bibel gewaltsam zu lesen" (143). Gottfried Martens beschreibt den "Kampf des Andreas Osiander gegen die Praxis der allgemeinen Absolution in Nürnberg", dem man "sehr ernsthafte Fragen an die Absolutionspraxis in der evangelisch-lutherischen Kirche heute" entnehmen könne (146). Danach analysiert Claus Schwambach eindringlich Luthers "Sermon von der Bereitung zum Sterben" von 1519 im Hinblick auf die heutige Seelsorge, die auf die "Affirmation des Gottesverhältnisses des Sterbenden" ausgerichtet sein sollte (185).

Ein Bereich eher ekklesiologischen Fragen zugewendeter Abhandlungen beginnt mit Reinhard Hempelmann, der die katholische Lehre von der "Kirche als Sakrament" behandelt und in ihr "die Gefahr der Einebnung der Unterscheidung zwischen Jesus Christus und dem Handeln der Kirche" gegeben sieht (204). Theodor Hering befasst sich anhand neuerer kirchlicher Texte ("Kirche mit Hoffnung"; "Ordnung des kirchlichen Lebens" der EKU) mit der "missionarische[n] Herausforderung in Ostdeutschland", die seiner Meinung nach nicht ohne Betonung der "Befreiung", die "im Bekenntnis der Schuld und im Vollzug der Sündenvergebung liegt" (223), bestanden werden kann. Arthur Hermann stellt "Aufbruch und Beharrung der Lutherischen Kirche Litauens in den Wendejahren 1985-1995" dar, die, auch wenn sie nur 1% der Bevölkerung Litauens umfasst, doch ein "anerkannter Teil der litauischen Gesellschaft" (237) geworden sei. Sorgsam und umfassend geht Viorel Mehedintu dem Thema der "Einheit der Kirche aus orthodoxer Sicht" nach, wobei er - wenn wir recht sehen - in der Betonung der "individuelle[n] Zueignung des Heils in der Gemeinschaft der Einheit" (246) sowie der "Einheit der an ihn [Christus] glaubenden Personen" (247) einen spezifischen Akzent setzt. Paul Bernhard Rothen folgt mit einer kritischen Sichtung des "kirchlichen Engagements im Hinblick auf eine schweizerische Landesausstellung", für das er biblische Konzentration und kritische Distanz einfordert. Hans Jürgen Ruppert äußert sich zum "schwierigen Dialog mit der Esoterik". Allen relativierenden Tendenzen gegenüber möchte er die Normativität des Christuszeugnisses als "zentralem Kriterium" (301) festgehalten sehen.

Einen mehr ethischen Problemen zugewendeten Aufsatzbereich eröffnet Christian Herrmann mit "Gedanken zur Gewissensbildung" am Beispiel von 1582/83 gehaltenen Predigten über das Gewissen des Weimarer Hofpredigers Gregor Strigenitz, die als "Gewissensschärfung", "Tröstung" und "Einweisung in das neue Leben" vorgeführt werden. Karsten Lehmkühler denkt über "Evangelische Ethik und Einwohnung Christi" nach, wobei er letztere seiner Ansicht nach mit Bonhoeffer als "Fundament christlicher Ethik" (322) ansehen möchte. Aber ist "Einwohnung Christi" und "Teilhabe an Christus" wirklich dasselbe? Einen spürbaren Kenntnisgewinn bekommt man durch die Abhandlung von Armin Wenz zu "Abtreibung und Zweireichelehre", und zwar nicht so sehr zu der im Thema angesprochenen Bezüglichkeit, wohl aber zu vielfältigen und bis in die gegenwärtigen Probleme der Bioethik hineinreichenden Themenaspekten. Wenz gibt ein nachdrückliches Plädoyer für die "Ungeborenen" (352/53).

Der Band schließt mit zwei Predigten von Tobias Eißler (1Kor 2,12-16) und Ralph Meier (2Kor 5,19-21), denen man gerne hermeneutisches Geschick, gemeindliche Unmittelbarkeit und theologische Ernsthaftigkeit bestätigt.

Es kann kaum anders sein, als dass in einer solchen Aufsatzsammlung mehrheitlich jüngerer Theologen in der Anfängersituation auch gedanklich weniger Diszipliniertes und begrifflich weniger Durchgeklärtes vorkommt. Und sicherlich überwiegt im Gefährten- und Schülerkreis Reinhard Slenczkas eine bibel- und bekenntnisbetonte Grundeinstellung. Die Aufsatzzusammenstellung dokumentiert dabei aber ein höchst reichhaltiges Themenengagement und ein eindrückliches Dringen auf die Berücksichtigung zentraler reformatorisch-theologischer Sachverhalte. Meistens ist auch zu spüren, wie sehr man sich bemüht, dies auf die unmittelbare Gemeindesituation und die gegenwärtige kirchliche Gesamtlage zu beziehen. Mit dieser Festgabe hat Reinhard Slenczka zu seinem 70. Geburtstag und in einer persönlichen Situation neu angenommener Herausforderungen ein deutliches Zeugnis von "Verbundenheit und Dankbarkeit" (9) erhalten.