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Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

569–571

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Funkschmidt, Kai

Titel/Untertitel:

Earthing the Vision. Strukturreformen in der Mission untersucht am Beispiel von CEVAA (Paris), CWM (London) und UEM (Wuppertal).

Verlag:

Frankfurt/M.: Lembeck 2000. XIV, 614 S. gr.8. Kart. ¬ 45,50. ISBN 3-87476-371-4.

Rezensent:

Christoffer H. Grundmann

Die hier zu besprechende umfangreiche Studie ist die "geringfügig aktualisiert[e]" Version der 1998 von der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal angenommenen missionswissenschaftlichen Dissertation des Autors. Seine gut dokumentierte, detailreiche Arbeit gliedert die Fülle des Stoffes in einen grundsätzlich historisch-systematischen Teil ("The Gales of Change"- Zeit des Wandels in Theorie und Praxis der Mission, 15-72), einen historisch darstellenden Teil über den Prozess der "Strukturreformen in Paris, London und Wuppertal" (73-348) sowie eine abschließende Untersuchung zum Thema: "Neue Modelle des Teilens - CEVAA [Communauté Evangélique d'Action Apostolique; ehemals: Pariser Mission], CWM [Council for World Mission. Communion of Churches in Six Continents; ehemals: Londoner Mission] und UEM [United Evangelical Mission. Communion of Churches in Three Continents; ehemals: Vereinigte Evangelische Mission, Wuppertal, VEM] im Vergleich" (349-556). Anhänge über die einzelnen Mitgliedskirchen, Organigramme, ein kurzer Index, die Bibliographie und ein Abkürzungsverzeichnis vervollständigen dieses beachtenswerte, einen signifikanten Aspekt der jüngsten Missionsgesellschaftsgeschichte thematisierende Werk.

Das erklärte Anliegen, das F. unter ein Diktum von D. Preman Niles, dem ersten Generalsekretär der CWM gestellt hat, ist es, dem nachzuspüren, wie der missionstheoretisch so häufig bemühte Begriff der "Partnerschaft" bei den genannten Gesellschaften konkret umgesetzt worden ist; denn darin kämen neue Formen ökumenischer Vision zum Ausdruck: "Statt einer Beziehungsform, in der eine Vielzahl südlicher Kirchen einzeln bilaterale Kontakte zu einer europäischen Missionsgesellschaft unterhält, die zudem außerhalb der europäischen Kirchen steht (Sternstruktur), wird nun ein Geflecht von direkt kirchlichen Kontakten unter allen Partnern angestrebt (Netzstruktur). Es geht dabei u. a. um die Umsetzung einer echten Integration von Kirche und Mission" (5; Hervorhebungen im Original). Die Nagelprobe dafür sei der "Umgang mit Geld und Gütern" (sowie, wie er später, 4486 ff., hinzufügt, der Austausch von Informationen); denn "weil die weltweite Gemeinschaft der Christen Zeichen sein soll für die von Gott gewollte weltweite Gemeinschaft der Menschen, gehört dies zur missionarischen Aufgabe der Kirche. Darum ist eine entscheidende Frage, wie wir theologisch und praktisch die Einheit der Kirche in der ganzen Welt angesichts ihrer ökonomischen Zerrissenheit und kulturellen Vielfalt begründen und leben können. Dieses Anliegen" werde "u. a. mit der Rede von der Partnerschaft ausgedrückt" (5 f.; Hervorhebung im Original). Demgemäß richte die Studie ihr Augenmerk hauptsächlich darauf, inwiefern die Strukturen der drei Organisationen "als teilende Gemeinschaften" funktionieren und "gleichberechtigte[s] Teilen ermöglichen" (7; Hervorhebung im Original).

Im ersten Hauptteil wird die Genese des Partnerschaftsgedankens, der als ein für die ökumenische Missionstheologie nach 1945 typischer identifiziert wird, anhand der Weltmissionskonferenzen von Whitby (1947) bis Canberra (1991) unter Einbeziehung eines Exkurses über "Gleichwertigkeit der Ungleichen - Partnerschaft und neutestamentliche Gütergemeinschaft (Apg. 2,42 ff. und 4,32 ff.)" nachgezeichnet (30-63) und anschließend der besondere Beitrag der reformierten Ekklesiologie (Bundesgedanke) zur Entwicklung des Partnerschaftsgedankens, der sich bereits recht früh vor allem bei der Pariser Mission sowie bei der Londoner Missionsgesellschaft bemerkbar machte, hervorgehoben (64-72). Damit ist endlich eine längst fällige Differenzierung für die sachgemäße Diskussion um den Partnerschaftsbegriff erbracht, und es wird wesentlich dieser Teil der Arbeit sein, der zukünftige missionstheologische Studien stimulieren dürfte.

Im zweiten Hauptteil schließen sich durchgängig aus profunder Primärquellenkenntnis erarbeitete Fallstudien an, deren erste der ehemaligen Pariser Mission (jetzt: CEVAA) gewidmet ist, weil ihr im Blick auf die entsprechenden Strukturreformen zu Beginn der 60er Jahre historische Priorität zukommt. F. resümiert: "Obwohl die evangelistischen Aktionen nur einen kleinen Teil ihres Budgets ausmachten, stellte die CEVAA sie ins Zentrum ihres Selbstverständnisses. Sie wollte eine Zweckgemeinschaft für missionarische Aktion sein." Deswegen kamen die "ökonomischen Unterschiede als Belastung der Gemeinschaft [...] wenig in den Blick [...] Das Teilen von Ressourcen [...] galt [...] als Mittel zum Zweck der pioniermissionarischen Aktion" (189, Hervorhebung im Original). Demgegenüber zeigten die um 1975 einsetzenden Reformbemühungen bei der ehemaligen Londoner Mission (jetzt: CWM) von Anfang an "eine klare Konzentration auf den gemeinsamen Dienst aller Mitgliedskirchen an der Kirche der Armen als missionarisches Ziel", zu dem das Teilen von Ressourcen wie selbstverständlich gehört. Die Londoner Gesellschaft authentisierte das seinerzeit dadurch, dass sie ihren gesamten Besitz der neuen "Commission" zur freien Verfügung übereignete und diese ihr Mandat eben nicht, wie die CEVAA in Paris, auf die Gemeinsamkeit in der missionarischen Aktivität beschränkte (259). Der erst 1993 erfolgte Zusammenschluss der Kooperationspartner der ehemaligen Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal zur UEM sei noch zu jung, um definitive Aussagen bezüglich Erfolg oder Misserfolg machen zu können. Aber immerhin habe auch die VEM ihr gesamtes Vermögen in das neue Gremium eingetragen und auf diese Weise mit dem Teilen von Geld und Gut wirklich ernst gemacht. Anders jedoch als in London oder Paris sei in Wuppertal darüber hinaus "Partnerschaft" auch auf der Ebene von Kirchenkreisbeziehungen zwischen Europa und Übersee gepflegt worden, wodurch eine ganz eigene Art kirchlicher Gemeinschaft und Beziehungen in drei Kontinenten gewachsen sei. Überraschend an diesen Fallstudien ist, auch für den Autor selbst, die von historischen, kirchlichen und ethnischen Differenzen offensichtlich unabhängige, prinzipielle Zurückhaltung der Kirchen des Südens gegenüber den Fragen nach dem "Teilen von Macht und Ressourcen"; denn diese befürchten dadurch eher eine "Kürzung von Zuschüssen und die Verminderung von direkten Kontakten" (347). Bleibt also zu fragen, inwieweit die Reformen der Organisationsstrukturen ein wirklich "partnerschaftliches" Anliegen war bzw. ist oder nicht doch wieder eine jener "westlichen", des Neokolonialismus verdächtigen Ideen, deren missiologische bzw. ekklesiologische Relevanz den "Partnern" gegenüber nicht hinreichend plausibel gemacht werden konnte bzw. plausibel gemacht werden kann, eine Frage, die bedauerlicherweise hier aber nicht gestellt wird.

Der kritische Vergleich der Effektivität der Strukturreformen, der im dritten Hauptteil unternommen wird, fördert zu Tage, dass in der praktischen Arbeit aller drei Organisationen keineswegs nur sprachliche und logistische Barrieren zu überwinden sind, sondern auch kulturelle wie z. B. beim Verständnis von und im Umgang mit Konflikten oder bei der angemessenen Berücksichtigung bestehender kirchlicher Autoritäten und Autonomien (411 ff.). Außerdem bleibe die "ökonomische Ungleichheit [...] das erschwerende Element partnerschaftlicher Beziehungen" nach wie vor, obwohl man durch die besagten Strukturreformen erhoffte, "sich auf andere Elemente [...] konzentrieren" zu können. Stattdessen wurden diese "neuen Formen des Teilens weithin zur Mitte der Beziehungen" selbst; zu einer echten "Gegenseitigkeit des finanziellen Teilens" sei es daher allen Bemühungen zum Trotz, nirgendwo gekommen (451f.; Hervorhebungen im Original). Ebenso ernüchternd ist das Ergebnis bezüglich der Personaldisposition bzw. des "sharing of human ressources"; denn eine "innovative Mission durch Erneuerung in den Einsatzgebieten der Missionare" sei einfach "nicht festzustellen" (484). Auch stoße das Teilen von Informationen und Ideen auf mancherlei Schwierigkeiten: "Ein gemeinsames Problem [...] beim Teilen von Ideen ist die Frage, was die Südkirchen einbringen können. Die stets variierte und immer gleiche Antwort [seitens der Kirchen des Nordens] von den spirituellen Reichtümern [der Kirchen des Südens] [...] führt doch immer wieder an den Punkt, wo offen bleibt, wie diese geteilt werden können. Dabei zeigt sich, dass dies keinesfalls nur ein Problem des Südens ist, solange die Europäer nicht definieren, wo sie ihren [eigenen] Mangel sehen" (521). Warum nur hat der Autor diese Ergebnisse nicht weiter hinterfragt? Das hätte seiner Studie missionstheologische Tiefenschärfe gegeben; denn ein solcher Befund provoziert doch geradezu die kritische Diskussion um den Partnerschaftsgedanken selbst. Dieser nämlich scheint für F. fraglos gut und richtig zu sein. Doch sein abschließender Hinweis darauf, dass diese "Art von Reform" eben "Zeit [brauche], um sich durchzusetzen" (555) klingt eher hilflos denn wirklich überzeugend.

Alles in allem liegt eine materialreiche, um historische Präzision bemühte, nicht nur missionswissenschaftlich wichtige Studie vor, der allerdings eine überschaubarere Fußnotenzählung, ein etwas flüssigerer Sprachstil sowie weniger Druckfehler gut angestanden hätten.