Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2002

Spalte:

567–569

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Association Francophone cumenique de Missiologie [Ed.]

Titel/Untertitel:

Repères pour la mission chrétienne. Cinq siècles de tradition missionnaire. Perspectives cuméniques. Textes réunis et introduits sous la direction de K. Blaser. Préface de J.-F. Zorn et A. Quenum.

Verlag:

Paris: Cerf; Genève: Labor et Fides 2000. 512 S. gr.8 = Théologie de la mission. Kart. ¬ 30,00. ISBN 2-204-06461-0 u. 2-8309-0980-1.

Rezensent:

Benjamin Simon

Mit diesen "Eckpunkten" (repères) der christlichen Mission legt Klauspeter Blaser zu Beginn des 21. Jh.s ein Werk vor, das die Entwicklung des missionarischen Denkens und Handelns durch die vergangenen fünf Jahrhunderte aufzeigt. Die Hgg. sind sich bewusst, dass diese Textsammlung nicht die einzige auf ihrem Gebiet ist, auch nicht im frankophonen Bereich, doch stellt sie eine Gemeinschaftsveröffentlichung der "ökumenischen frankophonen Gesellschaft für Missionswissenschaft" (AFOM) dar und beinhaltet daher gleichermaßen evangelische wie katholische Dokumente. Die AFOM verfolgt mit dieser Publikation das Ziel, das Interesse für Mission zu wecken und aufrechtzuerhalten und in stärkerem Maße das Fach der Missionswissenschaft im Curriculum der Theologie zu verankern. Dennoch ist die Dokumentensammlung ausdrücklich auch für kirchliche Mitarbeiter in der Praxis konzipiert und bestimmt. Durch eine ausführliche Einleitung zum Teilgebiet eines jeden Kapitels wird zum jeweiligen Themenkomplex hingeführt. Hierbei umreist der Autor die entsprechende Epoche, indem er auf die Fragestellungen und Problemfelder, die zur Abfassung der Dokumente geführt haben, eingeht. Um die Weiterarbeit zu erleichtern, erfolgen am Ende einer jeden Einleitung und eines jeden Dokuments Literaturangaben aus dem anglophonen, frankophonen sowie aus dem deutschsprachigen Raum.

Bei einer Zeitspanne von fünf Jahrhunderten lässt es sich nicht vermeiden, eine Auswahl an Texten zu treffen, die ihrerseits wiederum nur partiell abgedruckt werden können.

Die 52 Dokumente aus der Missionsgeschichte sind in sieben Kapitel geordnet, die jeweils einem größeren Themenkomplex entsprechen. In Kapitel 1 sind 14 Dokumente vereinigt, die am Anfang der modernen sowie der zeitgenössischen missionarischen Bewegung stehen. Dabei unterscheidet der Hg. zwischen drei Epochen: die der europäischen Ausbreitung am Ende des 15. Jh.s und das "große Jahrhundert der Missionen", nämlich das 19. Jh. Die dritte Epoche beginnt mit dem Rückzug der Kolonialmächte. Das erste Kapitel umfasst Dokumente von Bartholomäus de Las Casas über einschlägige Texte der Basler Mission, die "drei C.s" von David Livingstone und der "dreifachen Autonomie" von Henry Venn bis zu der ökumenischen biblisch-trinitarischen Neuorientierung von Mission in Willingen (1952).

Im zweiten Kapitel werden sieben Dokumente vereint, die in postkolonialer Zeit grundlegende Wirkung auf die missionarische Bewegung ausgeübt haben. Dabei werden sowohl katholische (Ad Gentes, 1965 und Evangelii Nuntiandi, 1975), orthodoxe ("Dein Wille Geschehe" 1988), evangelikale ("Lausanner Erklärung", 1974) sowie ökumenische (Neu Delhi, 1961; Mexico City, 1963 und Enugu/Nigeria, 1965) Texte berücksichtigt.

Das dritte Kapitel behandelt neun Dokumente aus der sog. "Dritten Welt". Dabei wird ein besonderer Akzent auf die Kontextualisierung im Umfeld von Armut und Unterdrückung gelegt. Neben den Dokumenten der beiden südamerikanischen Bischofskonferenzen von Medellin (1968) und Puebla (1979) werden u. a. die Verlautbarungen der Weltmissionskonferenz in Bangkok (1973) und das "Manifest von Dar-es-Salaam (1976) der EATWOT-Theologen und -Theologinnen angeführt. An dieser Stelle hätte sich zusätzlich angeboten, einen Text der EATWOT-Frauenkommission mit ihren Belangen oder des "Circle of Concerned African Women Theologians" mit ihren feministischen Fragestellungen heranzuziehen.

Wie bereits in Kapitel 3 so wird auch in den acht Dokumenten des vierten Kapitels, der Schwerpunkt auf Kontextualisierung gelegt. Doch steht diesmal nicht die Armut im Mittelpunkt, sondern die Frage der Indigenisation bzw. Inkulturation des Evangeliums. Bei einer Fülle von Beispielen, die in diesem Kapitel hätten herangezogen werden können, trifft auch hier Blaser eine wohlerwogene Auswahl, indem er Texte aus Afrika (u. a. Teile der katholischen Liturgie der "messe zairoise"), aus Asien ("Komm, Heiliger Geist, komm [...]" von Frau Chun Hyun Kyung) und Südamerika (Ausschnitte der Ergebnisse der Weltmissionskonferenz in Salvador de Bahia, 1996) anführt.

Kapitel 5 verfolgt mit den fünf angeführten Dokumenten die Fragestellung, ob Mission und Dialog sich ersetzen, ergänzen oder ausschließen. Gemeinsam ist den Texten die Auseinandersetzung mit dem interreligiösen Gespräch, das jeweils durch den konfessionellen Charakter seine eigene Identität erlangt. Dabei werden u. a. Nostra Aetate (1967), eine Stellungnahme von Raimundo Panikkar (1985) und die Position zum Dialog der Weltmissionskonferenz in Bahia in Betracht gezogen.

Im Kapitel 6 kommen kritische Stimmen zu Wort: Die Erklärung von Barbados, 1971, Texte der afrikanischen Theologen und Politikwissenschaftler F. Eboussi Boulaga und Achille Mbembe. Aus anthropologischer, ethnologischer und marxistischer Sicht sowie aus den Reihen der "Missionsobjekte" wird Kritik an den bisherigen missionarischen Unterfangen geübt.

Das siebente und letzte Kapitel umfasst sechs Dokumente, aus den letzten zwanzig Jahren, die einen gewissen Grad an Autorität erlangt haben (u. a. Lausanne II: das Manifest von Manila, 1989, Canberra: die Einheit der Kirche als Koinonia, 1991 und die Enzykliken Redemptoris Missio, 1991 und Ut Unum Sint, 1995). Hier wird danach gefragt, wie die Mission in Zukunft an Relevanz gewinnen kann. Die Texte geben zugleich einen Überblick über die Haltung der großen Konfessionen in ihrer Missionstätigkeit.

Diese Anthologie der Missionsgeschichte und Missionstheologie, die Dokumente aus fünf Jahrhunderten gesammelt hat, zeigt auf, welch zentrale Stellung die Mission mit ihren Teildisziplinen in der Christentumsgeschichte im allgemeinen und in der Theologiegeschichte im speziellen gespielt hat. Es wird deutlich, dass das Verständnis von Mission noch nie ein statisches war, sondern stets kontrovers und vielseitig diskutiert und praktiziert wurde. - Das Werk eignet sich zur wissenschaftlich vertiefenden Arbeit, aber auch für den missionsinteressierten "Laien". Es könnte zu einem Standardwerk werden für jeden, der sich in kurzer Zeit in die jeweilige Epoche und das entsprechende Themengebiet einarbeiten und sich einen gewissen Überblick über weiterführende Literatur verschaffen will.